Warnsignale

Femizid-Studie zeigt: Gewaltspirale beginnt oft mit Kontrolle und Besitzdenken

05.12.2025

Frauen werden nicht aus dem Nichts getötet. Femizide kündigen sich fast immer mit Kontrolle, Eifersucht und psychischer Gewalt an. Eine neue Wiener Studie deckt diese erschreckenden Parallelen auf. 

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Gewalt gegen Frauen bzw. versuchte und vollendete Femizide ereignen sich meist nach eindeutigen Warnsignalen. Vor allem Besitzdenken in Beziehungen mit dem Bestreben, Kontrolle über die Partnerin auszuüben, ist hier ein entscheidender Faktor. Das ist das Ergebnis einer Studie, die im Auftrag des Frauenservice Wien vom Institut für Konfliktforschung durchgeführt wurde. Ausgewertet wurden Akten aus dem Zeitraum 1. Jänner 2022 bis 30. Juni 2023.

In den betreffenden Monaten wurden vier Femizide und sechs Mordversuche durch aktuelle oder ehemalige Partner verübt. Die Untersuchung ("Femizide und Femizidversuche in Beziehungen. Gefährdungswahrnehmung und Hilfesuche in Wien") hat laut dem Büro von Frauenstadträtin Kathrin Gaal (SPÖ) ergeben, dass keine einzige Tat ohne vorhergehende Warnsignale verübt wurde. Die Fälle zeigten stattdessen deutliche Parallelen.

© Stadt Wien/Martin VOTAVA

Eifersucht und Kontrolle

Besitzdenken sowie die Ausübung psychischer Gewalt waren bei der Hälfte aller Taten ausschlaggebende Risikofaktoren. Laut der Analyse versuchten die - oft eifersüchtigen - Täter zuvor, Druck und Kontrolle auszuüben und haben die späteren Opfer unter anderem gestalkt. Ebenfalls ein Faktor ist Pflegeverantwortung, wobei hier häufig Femizid mit anschließendem Suizid zu verzeichnen ist.

Psychische Erkrankungen oder Alkohol- oder Drogenabhängigkeit auf Seiten der Täter spielten in mehreren Fällen ebenfalls eine Rolle. Relativ deutlich fällt auch die Zuordnung zu einer Altersgruppe aus: Die meisten Opfer und Täter im untersuchten Zeitraum waren zwischen 50 und 59 Jahre alt. Sechs der betroffenen Frauen hatten bereits vor der Tat Gewalt erlebt, doch keine von ihnen stand laut der Studie in dokumentiertem Kontakt mit einer Gewaltschutzeinrichtung. Vier Frauen vertrauten sich offenbar Personen im privaten Umfeld an.

"Unsere Analyse macht sichtbar, dass in allen Fällen Risikofaktoren bestanden - am häufigsten Besitzdenken sowie psychische Gewalt, Kontrolle, Morddrohungen oder Waffenbesitz. Diese Hinweise müssen frühzeitig erkannt und ernst genommen werden", hielt Studienleiterin Birgitt Haller fest: "Die Fälle der Kontrollbeziehungen zeigen, dass Gewalt in Beziehungen nicht plötzlich entsteht, sondern sich über längere Zeit entwickelt."

Fokus auf Sensibilisierung

Empfohlen wurde eine systematische Analyse von Hochrisikofällen, und zwar auch in enger Zusammenarbeit mit Polizei und Justiz. Auch Aufklärung über Hilfsangebote und die Sensibilisierung etwa von medizinischem Personal wurde als wichtig erachtet. Für die Femizide mit anschließendem Suizid brauche es zudem Präventionsmaßnahmen im Zusammenhang mit Pflegeleistungen und eine Vorbeugung gegen Isolation im höheren Alter, hieß es.

"Um Gewalt gegen Frauen effektiv entgegentreten und eine nachhaltige Änderung erzielen zu können, brauchen wir verlässliche Daten und Forschung. Die nun vorliegende Studie zu Femiziden - und auch versuchten Femiziden - wurde daher in Auftrag gegeben, um die Hintergründe der Taten zu verstehen, Gemeinsamkeiten und Handlungsoptionen herauszuarbeiten", erklärte Frauenstadträtin Gaal.

Die Ergebnisse der Studie würden zeigen, dass das Gewaltschutznetz und die Anlaufstellen für Opfer von Gewalt auf allen Ebenen und permanent bekannt gemacht werden müssten. Gewalt an Frauen könne unabhängig von Alter, finanziellem Hintergrund und Herkunft passieren, hielt sie fest. 

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