Wies Vorwürfe zurück
Nach Tod von Baby: Hebamme wegen grob fahrlässiger Tötung verurteilt
17.02.2025Die 42-Jährige wies vor Gericht jegliches Fehlverhalten zurück.
Eine Hebamme ist am Montag am Wiener Landesgericht wegen grob fahrlässiger Tötung im Zusammenhang mit einer von ihr betreuten Hausgeburt zu 15 Monaten bedingt verurteilt worden. Der Richter ging von mehreren Sorgfaltsverstößen aus. "Sie haben ein Verhalten gesetzt, das man so nicht setzen hätte dürfen", bescheinigte er der 42-Jährigen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Hebamme erbat Bedenkzeit, der Staatsanwalt verzichtete auf Rechtsmittel.
Die Staatsanwaltschaft sieht sie verantwortlich für den Tod eines Mädchens, das im September 2023 fünf Tage nach der Geburt in einem Spital gestorben war. Die Angeklagte habe im Rahmen einer Hausgeburt "die gebotene Handlungspflicht" außer Acht gelassen und dadurch den Tod des Babys bewirkt, hieß es im Strafantrag.
Die Angeklagte wies jegliches ihr unterstelltes Fehlverhalten zurück. "Für mich war die Frau keine Hochrisikopatientin", betonte sie. Ein Kaiserschnitt bei einer vorangegangenen ersten Geburt und das Alter der werdenden Mutter - diese war zum Zeitpunkt der Schwangerschaft 38 Jahre alt - waren für die Hebamme "kein Grund, dass man das (eine Hausgeburt, Anm.) nicht macht" bzw. "nicht relevant". Die Frau sei "nicht am Limit ihrer Energie" gewesen.
Schon 500 Hausgeburten betreut
Die werdende Mutter war im März 2023 an die Hebamme herangetreten, die seit Oktober 2007 ihren Beruf ausübt, seit 2008 Hausgeburten betreut und seither jährlich zwischen 30 und 35 und insgesamt rund 500 derartige Geburtsvorgänge durchgeführt hat. Bezogen auf den konkreten Fall betonte die Angeklagte, die in ihrer Einvernahme mehrfach auf ihre an einer Fachhochschule zum Thema Hausgeburt abgelegte Masterarbeit verwies, die werdende Mutter sei in diese Thematik "gut eingelesen" gewesen: "Sie hat Studien und die Masterarbeit, die ich geschrieben habe, gekannt."
Im Strafantrag wird der Hebamme angelastet, sich nicht an die Bestimmungen des Hebammengesetzes und entsprechende Richtlinien gehalten zu haben, als sie die Hausgeburt durchführte. Diese sei "weder planerisch noch durchführungstechnisch lege artis erfolgt". Vielmehr sei der Mutter mit Kenntnis der Hebamme von einer Hausgeburt abgeraten worden, da im konkreten Fall Risiken beim Geburtsvorgang erwartbar waren. Dessen ungeachtet sei die Hebamme von der beabsichtigten Hausgeburt nicht abgerückt, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft.
Bei der Geburt kam es dann tatsächlich zu Komplikationen. Die Hebamme alarmierte den Notarzt - aus Sicht der Anklagebehörde wurde allerdings "die Entscheidung zu einem Transport ins Krankenhaus zur ärztlichen Intervention weder zeit- noch sachgerecht getroffen." Das entbundene Kind sei infolge dessen an den Folgen eines Sauerstoffmangels während der Geburt gestorben.
Ärzte hatten von Hausgeburt mit Nachdruck abgeraten
Die Ärzte hatten der Schwangeren mit Nachdruck von einer Hausgeburt abgeraten. Vor bzw. bei ihrer ersten Niederkunft im Jahr 2020 war Schwangerschaftsdiabetes aufgetreten, außerdem hatte es in Zusammenschau mit der Uterusstruktur und der Plazenta Probleme gegeben, was einen Kaiserschnitt nötig gemacht hatte. Auf die Frage des Richters, ob sie dies nicht als "Warnsignal" verstanden habe, erwiderte die Angeklagte: "Die Krankenhäuser raten fast immer von Hausgeburten ab."
Die beigezogene Sachverständige für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Barbara Maier, bekräftigte bei der Erörterung ihres Gutachtens die von der Anklagebehörde erhobenen Anschuldigungen. Zwar habe die Hebamme ex ante eine Plazentainsuffizienz der Mutter nicht erkennen können. Es sei aber kein so genanntes Zucker-Screening durchgeführt worden, obwohl aus der ersten Schwangerschaft bekannt war, dass bei der Mutter Gestationsdiabetes aufgetreten war. Als sich während des Geburtsvorgangs abfallende Herztöne bemerkbar machten, habe die Angeklagte "viel zu lange das hausgeburtliche Setting toleriert", betonte Maier.
Gutachterin belastete Angeklagte
Nach Ansicht der Sachverständigen hätte die Hebamme die Gebärende schneller ins Spital transferieren müssen. Als diese um 13.45 Uhr Kontakt mit dem Krankenhaus aufnahm, dauerte es noch rund 45 Minuten, bis die Rettung dort mit der werdenden Mutter eintraf. Nach einer Zangengeburt, die sieben Minuten nach Einlangen im Spital durchgeführt wurde, musste das Neugeborene reanimiert und intubiert werden. Letzten Endes war das Baby nicht zu retten, es starb an einer Hypoxie, einer Minderversorgung des Körpers oder einzelner Körperabschnitte mit Sauerstoff.
Nach Ansicht der Gutachterin wäre das Ableben des Mädchen vermutlich zu verhindern gewesen, wäre es zu einer Entbindung binnen 20 Minuten ab Erkennen der "Notsituation" gekommen. Dass die Hebamme von einer Überwachung und Aufzeichnung der fetalen Herztätigkeit und der mütterlichen Wehentätigkeit - einer so genannten Kardiotokographie (CTG) - Abstand genommen hatte, kreidete ihr Maier ebenfalls als Versäumnis an. Ein CTG reagiere auf eine Hypoxie "sehr gut", betonte Maier und meinte in Richtung der Angeklagten: "Sie haben mit Ihrer Überwachung das Problem nicht erkannt." "Ich bezweifle, dass ein CTG eine chronische Hypoxie erkennen kann", konterte die Hebamme, die vor Gericht äußerst selbstbewusst auftrat.