Offener Brief

Belegschaft fordert Telekom-Gipfel

11.11.2008

Die Mitarbeiter wollen den vorgesehenen Abbau von 2.500 Jobs nicht hinnehmen, zumal für heuer ein Gewinn von 433 Mio. Euro erwartet wird.

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Der geplante Abbau von 2.500 Stellen bei der Telekom Austria ruft die Belegschaft auf den Plan. In einem offenen Brief wendet sich Betriebsratschef Michael Kolek an die Regierungsverhandler SPÖ-Chef Werner Faymann und ÖVP-Chef Josef Pröll. Darin fordert er einen "Telekom-Gipfel" analog zum "Post-Gipfel".

Rausschmisse trotz Mega-Gewinnen
Ein neuer Kahlschlag trotz Milliarden-Gewinnen sei völlig unverständlich, schreibt Kolek. Die Konzernleitung erwartet für heuer einen Nettogewinn von 433 Millionen Euro. Die Telefonversorgung und der Wirtschaftsstandort Österreich würden dem Betriebsratschef zufolge unter der Personalreduktion leiden.

ÖIAG-Chefs sollen gehen
Der ÖIAG-Vorstand sei unfähig und müsse abgelöst werden, fordert Kolek. Die Staatsholding hält für die Republik noch Anteile im Volumen von 27,4 Prozent an dem Ex-Monopolisten. Man brauche einen Telekom-Gipfel mit Experten und eine Anschubfinanzierung.

Kampfmaßnahmen schließt der Belegschaftsvertreter auch nicht aus.

Sehr geehrter Herr Minister Faymann, sehr geehrter Herr Minister Pröll,

Die österreichische Bevölkerung hat allen Grund zur Sorge um die Zukunft ihres Telefonanschlusses. Der Grund: Das Management von ÖIAG und Telekom Austria droht wieder einmal mit einem massiven Kahlschlag im Festnetz. Auch wenn die Werbung ein anderes Bild vermittelt: Für breite Bevölkerungsschichten, aber auch für das Handy-Telefonieren ist das Festnetz die Nabelschnur der heimischen Kommunikation.

Unser Aufsichtsratschef, ÖIAG-Vorstand Peter Michaelis und unser Konzernchef Boris Nemsic wollen diese Verbindung nun offenbar endgültig kappen. Sie nützen, scheint’s, die Zeit des politischen Neustarts, um Ihnen ein Schreckensszenario vorzugaukeln und auf diese Weise von der Politik übereilte Entscheidungen zu erpressen. Ohne Skrupel spielen Michaelis und Nemsic mit dem Schicksal tausender MitarbeiterInnen und ihrer Familien. Gleichzeitig gefährden sie dadurch ausgerechnet in der schwierigen Konjunkturlage den Wirtschaftsstandort Österreich und die Infrastruktur des Landes. Profitieren werden davon nur einige wenige Heuschrecken und die Manager selbst, die den Hals offenbar nicht voll bekommen.

(...)

Einmal spricht das Management von 500 überzähligen MitarbeiterInnen, dann wieder von 1.250 und zwischenzeitlich sogar von 3.000 - das wäre ein Drittel der gesamten Festnetzbelegschaft! Wer in letzter Zeit in einer unserer Warteschleifen gehangen ist oder auf einen Anschluss gewartet hat, weiß, dass sämtliche dieser Planspiele längst jeglicher Realität entbehren. Weder die Aufrechterhaltung des Telefonbetriebes noch die Betreuung der Telekom-KundInnen könnten dann noch garantiert werden.

So sieht die Realität aus: Auf Kosten von Service, am Rücken der MitarbeiterInnen und der KundInnen wird die Telekom Austria in diesem Jahr neuerlich fast eine halbe Milliarde Euro - exakt 433 Millionen Euro - Nettogewinn erwirtschaften. Operativ (auf EBITDA-Basis) wird die Telekom Austria-Gruppe die Gewinne heuer wieder auf fast 2 Milliarden Euro steigern, das österreichische Festnetz wirft 620 Millionen Euro ab. Die Telekom Austria wird deshalb auch im nächsten Jahr 350 Mio. Euro Dividende an die AktionärInnen ausschütten.

Das beweist, was das Management auch selbst erklärt: Keine der Befürchtungen ist "cash-wirksam" sprich "real". Das bedeutet, sämtliche Gewinnwarnungen und Horror-Szenarien sind rein virtuell und dienen dazu, den Gewinn zu Lasten der österreichischen Grundversorgung noch weiter in die Höhe zu treiben.

(...)

Weitere Kahlschläge lösen keine Probleme, sondern werden die Lage nur weiter verschlechtern. Am Ende steht womöglich der Verkauf des Mobilfunks und die Reverstaatlichung des Festnetzes. Die Zeche zahlt der Steuerzahler. Darum brauchen wir dringend einen Telekom-Gipfel mit internationalen ExpertInnen aus der Branche, um von ihnen die notwendigen Antworten auf die Herausforderungen im Festnetz zu erhalten - Antworten, um die sich in der Telekom Austria offenbar keiner mehr kümmert. Wir fordern Sie deshalb auf, den schon längst rücktrittsreifen Aufsichtsratsvorsitzenden und ÖIAG-Vorstand Peter Michaelis auszuwechseln und dem Festnetz mit echten Fachleuten und einer Anschubfinanzierung eine neue Perspektive zu geben. Wir von der Telekom-Belegschaft werden jedenfalls alle uns zur Verfügung stehenden Maßnahmen ausschöpfen, um die Zerstörung der österreichischen Infrastruktur und Vernichtung tausender Arbeitsplätze in der Konjunkturkrise zu verhindern. Wir hoffen auf Ihre Unterstützung, damit die Telekom Austria und ihre MitarbeiterInnen die flächendeckende Telefon-Versorgung Österreichs auch in Zukunft sicherstellen kann.

Die Personalvertretung der Telekom Austria TA AG

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