Gas-Streit

Gazprom will Kontrolle über weißrussische Pipelines

26.12.2006

Russland hat Weißrussland damit gedroht, den Gashahn zuzudrehen, falls das Land die Preiserhöhung nicht akzeptiert. Die Gasvorräte in Deutschland und Österreich werden aufgefüllt.

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Der Gasstreit zwischen dem russischen Gasmonopolisten Gazprom und Weißrussland hat sich am Dienstag weiter zugespitzt. Die Verhandlungen über eine kräftige Erhöhung des Preises für russisches Gas seien ergebnislos abgebrochen worden, teilte Gazprom-Sprecher Sergej Kuprijanow nach Angaben der Agentur Interfax mit. Dabei habe Gazprom den geforderten Preis von 200 Dollar (153 Euro) pro 1.000 Kubikmeter Gas zuletzt auf 110 Dollar (83,4 Euro) gesenkt. Im Gegenzug verlangte Gazprom die Kontrolle über das weißrussische Transitpipelinenetz.

Der Konzern hatte am Montag gewarnt, das Land gefährde seine Energieversorgung, wenn es geplanten Preiserhöhungen nicht zustimme. Die bisherige Vereinbarung, nach der Minsk 46 Dollar pro 1.000 Kubikmeter Gas zahlt, läuft Ende Dezember aus. Beobachtern zufolge sind sich beide Seiten jedoch noch nicht über die Bewertung der Transitfirma Beltransgas einig.

Befürchtungen vor Lieferengpässen für Westeuropa wies Kuprijanow als unbegründet zurück. Mit Beginn des kommenden Jahres hat Gazprom auch die Preise für die ehemaligen Sowjetrepubliken Georgien, Moldawien, Aserbaidschan und die Ukraine zum Teil kräftig erhöht.

Blockade-Drohung gegen Gazprom-Pipeline
Weißrussland hat im Streit über Preiserhöhungen des russischen Monopolisten Gazprom indirekt damit gedroht, seine Pipelines für Gaslieferungen nach Europa zu sperren. "Wir sind voneinander abhängig. Wenn wir keinen Liefervertrag bekommen, wird Gazprom keinen Durchleitungsvertrag haben", sagte der weißrussische Vize-Ministerpräsident Wladimir Semaschko am Dienstagabend. Vor allem Deutschland und Polen wären vom Versiegen des Gasstroms durch weißrussische Pipelines betroffen.

Gazprom trifft Vorkehrungen
Die russische Tageszeitung "Kommersant" berichtete, Gazprom treffe Vorkehrungen, um im Fall eines Scheiterns der Gespräche, Weißrussland das Gas abdrehen zu können, ohne die Lieferungen an Westeuropa zu gefährden. Der Konzern fülle derzeit Gasspeicher im Baltikum und in Deutschland auf, um die Versorgung der Länder sicherzustellen, die über weißrussische Transitpipelines beliefert würden. Das weißrussische Energieministerium zeigte sich überzeugt, dass die Gaslieferungen nicht unterbrochen würden. Präsident Alexander Lukaschenko räumte ein, dass sich die Verhandlungen sehr schwierig gestalteten. Die Gründe dafür seien aber rein wirtschaftlich.

Gazprom zeigte sich am Dienstag bereit, die ursprünglich verlangte Vervierfachung des Preises auf 200 Dollar (152 Euro) pro 1.000 Kubikmeter über vier Jahre zu strecken. Dies sei Teil der Konzernstrategie, die Gaspreise auch für ehemalige Sowjetrepubliken auf ein "Marktniveau" anzuheben, sagte Kuprijanow.

Reserven aufgefüllt
In Branchenkreisen hieß es, Gazprom habe im deutschen Gaslager Rheden viel größere Reserven angelegt als im vergangenen Jahr. Rheden ist der größte Gasspeicher von Wingas, dem Gemeinschaftsunternehmen von Gazprom und dem deutschen Chemiekonzern BASF. Dort können bis zu 4 Mrd. m3 Gas gelagert werden, was knapp fünf Prozent des jährlichen Verbrauchs in Deutschland entspricht. So könne mehrere Wochen vertragsgemäß in Europa Gas geliefert werden, auch wenn der Transport durch die Pipelines in Weißrussland eingeschränkt würde, hieß es in den Kreisen.

Das BASF-Gazprom-Joint-Venture Wingas betreibt auch das österreichische Lager Haidach an der Grenze Oberösterreich/Salzburg, wo es nach Informationen aus den Kreisen ebenfalls Vereinbarungen gibt, mehr Gas einzulagern. Der Gasspeicher Haidach, der 2007 fertig sein soll, wird nach früheren Angaben mit einer Speicherkapazität von 2,4 Mrd. m3 der zweitgrößte Europas sein. In Kreisen der deutschen Gasbranche hieß es zudem, Gazprom habe auch mit dem deutschen Verbundnetz Gas verabredet, den Energiestoff einzulagern und die Versorgung im Bedarfsfall auf 5 Mio. m3 pro Tag zu erhöhen.

Georgien steigt auf Aserbaidschan um
Als Reaktion auf massive Preiserhöhungen reduziert Georgien inzwischen seine Abhängigkeit von russischem Erdgas. Der georgische Ministerpräsident Surab Nogaideli und der aserbaidschanische Präsident Ilcham Alijew vereinbarten am Montag die Lieferung von täglich einer Million Kubikmeter Gas aus Aserbaidschan an Georgien. Der Preis, der nicht genannt wurde, sei für Georgien akzeptabel, sagte Nogaideli nach dem Treffen in Baku. Alijew betonte seinerseits, Georgien und Aserbaidschan hätten sich immer gegenseitig geholfen. Das würde auch in "schwierigen Zeiten" so bleiben.

Gazprom hatte vergangenen Freitag mitgeteilt, Georgien habe den russischen Preisforderungen von 235 Dollar (178 Euro) für 1.000 m3 Gas nachgegeben. Drei georgische Firmen hätten für 2007 Verträge über 1,1 Mrd. m3 russischen Gases geschlossen.

Gleiches Spiel schon Anfang 2006
Anfang 2006 drehte Russland der Ukraine vorübergehend das Gas ab, nachdem der Nachbar zuvor massive Preiserhöhungen abgelehnt hatte. Weil die Ukraine auf Gas aus den für den Transit bestimmten Kontingenten zurückgriff, kam es bei den Zielländern in Westeuropa vorübergehend zu Engpässen.

Unterdessen hat die turkmenische Übergangsregierung nach dem Tod von Präsident Saparmurad Nijasow die störungsfreie Lieferung von Gas und Öl zugesagt. Ausländische Abnehmer hätten keinen Grund zur Sorge, sagte Interimspräsident Gurbanguly Berdymuchammedow in einer Fernsehansprache, wie die Agentur Interfax am Samstag meldete. Der Tod Nijasows hatte Befürchtungen über eine Kürzung der Gasexporte aus dem öl- und gasreichen zentralasiatischen Land ausgelöst.

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