Mangelwirtschaft
Heimische Betriebe mussten in der DDR aushelfen
13.11.2007
Eine deutsche Forscherin untersuchte Netzwerke und Subsysteme der einstigen Mangelwirtschaft und die Improvisation in der DDR-Wirtschaft.
Österreichische Firmen waren an sublegalen Netzwerken in der DDR beteiligt. Das ist eines der Ergebnisse einer Untersuchung der Historikerin Annette Schuhmann vom Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam. Dieses Zentrum hatte eine Deutschlandforschertagung mitorganisiert, die dieser Tage in Wittenberg stattfand. Dort stellte Schuhmann ihre Untersuchung vor. Politische und wirtschaftliche Defizite der DDR hätten durch Agieren in Grauzonen verschleiert werden können.
Improvisation ab den 70er-Jahren
"In den 70er und 80er Jahren
zwang die hohe Verschleißquote der Maschinen zu immer stärkeren
Improvisationen", sagte die Forscherin. Dabei sei es zu "außerplanmäßigem
und spontanem Agieren" gekommen, "das wie in der Marktwirtschaft
funktionierte". Die Historikerin nannte in ihrer Untersuchung das Beispiel
der Schwerindustrie von Eisenhüttenstadt mit damals 16.000 Beschäftigten. In
der desolaten Bauindustrie seien durchaus auch gefährliche Arbeiten wie das
Entfernen giftiger Schlacke durch ausländische, vornehmlich polnische und
jugoslawische Firmen vorgenommen worden. "Aber es ist nicht so, dass
Ausländer nur schmutzige Arbeiten machten", sagte Schuhmann.
"Sublegales" Handeln mündlich ausgemacht
"Das
waren durchaus qualitativ hochwertige Aufgaben. Gerade bei jugoslawischen
und österreichischen Firmen waren das international agierende Betriebe."
Namen von Unternehmen nannte die Forscherin nicht. Dieses "sublegale"
Handeln sei immer mündlich und direkt ausgehandelt worden, bezahlt hätten
die Betriebschefs in der DDR bar und sofort. "Die Frage ist, wieweit dieses
Improvisieren das Überleben des Staates unterstützt hat", sagte Schuhmann.
Prekär wäre die Situation dann geworden, wenn nach Unfällen aufgrund
eklatanter Missachtung des Arbeitsschutzes die Staatsanwaltschaft habe
eingeschaltet werden müssen.
Russische Soldaten als "Aushilfen"
Auch russische
Soldaten seien mitunter um Unterstützung gebeten und mit Musikinstrumenten
oder anderen Naturalien bezahlt worden. Ebenso sei es zu Kooperationen mit
Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften gekommen: Im Sommer hätten
die Stahlwerker auf dem Land ausgeholfen, im Winter hätten die Landwirte bei
der Stahlverpackung mitgearbeitet. "Der hohe Stellenwert der Netzwerke ist
unübersehbar", fasste die Historikerin zusammen. "Sie waren entscheidende
Scharniere und schafften der Planwirtschaft die nötige Elastizität.
Allerdings unterhöhlten sie die Ideologie."