BAWAG-Prozess

Nowotny wusste zu Amtsantritt nichts über Verluste

06.09.2007

Zunächst hat niemand den neuen BAWAG-Chef informiert. "Wie hätten ihm das später eh gesagt", habe ihn Aufsichtsratspräsident Weninger dann getröstet.

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© APA/Robert Jaeger
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Nach zweiwöchiger Verhandlungspause ist Donnerstagfrüh der größte Wirtschaftsprozess Österreichs am Wiener Landesgericht fortgesetzt worden. Mit dem 21. Verhandlungstag begannen die ersten Zeugenaussagen. Insgesamt sollen bis Ende Oktober über 50 Zeugen gehört worden. Bisher haben sich nur die neun Angeklagten zu den Spekulationsverlusten von 1,4 Milliarden Euro bis 2000 geäußert. Die Beschuldigten standen - im Gegensatz zu den Zeugen - nicht unter Wahrheitspflicht.

BAWAG-Chef Nowotny als Erster
Den Anfang machte BAWAG-Generaldirektor Ewald Nowotny. Im Beisein aller Angeklagten gab er an, bei seiner Berufung auf den Chefsessel im November 2005 nichts über die Verluste erfahren zu haben. In ersten Gesprächen mit dem damaligen BAWAG-Boss Johann Zwettler und Ex-Generalsekretär, Selcuk Sari, sei er mit keinem Wort darauf hingewiesen worden. Sari habe ihm später gesagt, er habe eine ausdrückliche Weisung Zwettlers zum Stillschweigen erhalten.

Prüfbericht im Nebenzimmer angeschaut
Erst nach einem Interview mit der Journalistin Liselotte Palme vom "profil", die ihn immer wieder gefragt habe, ob er auch alles über die Bank wisse, sei er misstrauisch geworden, schilderte Nowotny. Daher habe er sich den Prüfbericht der Nationalbank 2004 anschauen wollen, ihn aber in der BAWAG nicht bekommen. Schließlich habe er ihn in der Finanzmarktaufsicht "in einem Nebenzimmer" angeschaut.

Nur Koren informierte ihn
BAWAG-Vorstand Stephan Koren habe ihm im Dezember 2005 erste konkrete Hinweise gegeben und informiert, dass die Karibik-Geschäfte wieder aufgenommen worden waren und mit Totalverlusten endeten. "Das war für mich natürlich völlig neu", so Nowotny. Damals habe er sogar überlegt, unter dieser Voraussetzung den Job gar nicht anzutreten.

ÖGB "hätte ihm das später eh gesagt"
Mit dem damaligen ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch und Ex-Aufsichtsratspräsident Günter Weninger habe er daraufhin gesprochen, zumal er mittlerweile von der Haftung von Seiten der Gewerkschaft erfahren hatte. "Ihr habt's mir die Bankführung übertragen, ohne mich zu informieren", habe er den ÖGB-Granden vorgeworfen, so Nowotny. Weninger habe geantwortet, "Wir hätten dir das später ohnehin gesagt". Verzetnitsch habe gemeint, er hätte angenommen, dass Nowotny informiert gewesen sei.

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Schwere Geschütze gegen Ex-Vorstand
Auf die Frage, welche Befugnisse der frühere BAWAG-Vorstand möglicherweise missbraucht hätten, führte Nowotny mehrere Punkte an: die Großveranlagungsgrenzen seien überschritten worden, die Informationspflichten gegenüber dem Aufsichtsrat seien verletzt worden, das Vier-Augen-Prinzip sei bei den Sondergeschäften nicht eingehalten worden, das Risikomanagement sei mangelhaft gewesen.

Grundsätzlich waren die Verträge der Bank mit dem Investmentbanker Wolfgang Flöttl aus Sicht Nowotnys "problematisch", weil die Chancen und Risiken aus den Geschäften ungleich verteilt waren.

"Nicht vertretbar"
Auch die Prämie für Ex-General Helmut Elsner und Ex-Vorstand Zwettler für die Fusion der BAWAG mit der P.S.K. war laut Nowotny "nicht vertretbar" wegen der negativen Entwicklungen in der Bank. Angesprochen auf die Pension Elsners, die er sich vorzeitig abfinden ließ, sagte Nowotny: "Ich hätte sicherlich alles versucht", damit Elsner die Ansprüche verliert.

"Das Papier ist vergiftet"
Der damalige BAWAG-Vorstand Peter Nakowitz habe ihm im Jänner 2006 ein Papier zur Unterschrift vorgelegt, so Nowotny. Misstrauisch zeigte er das Papier aber einem Rechtsexperten. "Nicht unterschreiben, das Papier ist vergiftet", habe der ihn gewarnt. Nakowitz hatte dem frischgebackenen Bank-Chef Forderungsverzichte gegen der BAWAG nahestehende Gesellschaften vorgelegt. Der Verzicht hätte bedeuten können, dass Nowotny gegenüber der Bank Untreue begeht. Heute fühlt er sich hintergangen.

Verluste in Bilanz kompensiert
Die Darstellung bei der Pressekonferenz, er übernehme eine "saubere Bank", sei formal richtig gewesen, unterstrich Nowotny. Die entstandenen Verluste seien in der Bilanz durch Maßnahmen wie Abschreibungen, Wertberichtigungen oder Aufwertungen kompensiert worden. Die Spareinlagen der Kunden waren nicht gefährdet. "Die Bank war als Systembank einfach zu groß um umzufallen", daher war die Bank gesichert.

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Mit dem heutigen Bundeskanzler und damaligen Oppositionsführer Alfred Gusenbauer (S) habe er vor der Erklärung der Bundeshaftung Anfang Mai 2006 mehrfach Kontakt gehabt, dabei sei aber nicht über diese Materie gesprochen worden. "Ohne die Bundesgarantie hätten wir ein Problem gehabt, die Bank in dieser Form zu halten", so Nowotny. Als Konsequenzen hätten sich in dieser Situation ein rascher Verkauf oder eine Verschmelzung angeboten. Die Bundesgarantie habe es ermöglicht, einen geordneten Verkaufsprozess einzuleiten.

Schwerer Verstoß gegen Sorgfaltspflicht
Die Praxis, Vorstandprotokolle nachträglich zu "optimieren", ist für Nowotny ein "schwerer Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht einer Bankleitung". Aus Gesprächen mit den Mitarbeitern habe er den Eindruck gewonnen, dass die BAWAG vor seiner Zeit "ein extrem autoritär geführtes Unternehmen war, speziell in der Ära Elsner".

Elsner als Bauernopfer?
Der frühere BAWAG-Generaldirektor Helmut Elsner sollte vor den Medien als "Bauernopfer" für die hohen Spekulationsverluste der früheren Gewerkschaftsbank dargestellt werden, stellte Elsners Anwalt Wolfgang Schubert bei der Verhandlung in den Raum. Bevor im März 2006 das wahre Ausmaß des BAWAG-Debakels bekannt wurde, habe der Kommunikationsexperte Dietmar Ecker in einem Briefing sinngemäß gemeint: "So eine Geschichte kann man in der Öffentlichkeit nicht erklären, das ist schwarz-weiß, da muss es einen Schuldigen geben." Nowotny kann sich an diese Aussagen nicht erinnern, hält es aber für "unwahrscheinlich", dass Elsner als "schwarzes Schaf" bzw. als Sündenbock dargestellt werden sollte.

Die Liste der wichtigsten Zeugen:

Zeit

Name

Funktion

9.9., 9.15 Uhr

Ewald Nowotny

BAWAG-Chef

11.9., 9.15 Uhr

Kurt Faltlhauser

Bayrischer Finanzminister

18.9., 9.15 Uhr

Sandra Rogatsch

Ex-Elsner-Sekretärin

19.9., 9.15 Uhr

Rudolf Hundstorfer

ÖGB-Präsident

19.9., 10.30 Uhr

Fritz Verzetnitsch

Ex-ÖGB-Präsident

20.9., 9.15 Uhr

Anne Eisenhower

Flöttls Ehefrau

1.10., 9.15 Uhr

Franz Vranitzky

Ex-Bundeskanzler

1.10., 11 Uhr

MariaTumpel-Gugerell

Ex-OENB-Vize-Gouverneurin

2.10.,9.15 Uhr

Karl Heinz Grasser

Ex-Finanzminister

3.10., 9.15 Uhr

Herbert Tumpel

Arbeiterkammerchef

3.10., 10.15 Uhr

Erich Foglar

Ex-BAWAG-Aufsichtsrat

4.10., 9.15 Uhr

Hans Sallmutter

Ex-BAWAG-Aufsichtsrat

4.10., 14 Uhr

Ingrid Streibl-Zarfl

Betriebsratschefin der BAWAG

8.10., 10.30 Uhr

Rudolf Nürnberger

ÖGB-Vizepräsident

11.10., 9.15 Uhr

Martin Schlaff

Unternehmer und Investor

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