Prozess in St. Pölten

Neun Monate unbedingt für "Staatsverweigerer"

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Der Mann hatte 63 Drohbriefe an Behördenmitarbeiter verschickt.

Ein 53-jähriger "Staatsverweigerer", der von Anfang 2016 bis Anfang 2017 insgesamt 63 Drohbriefe an Behördenmitarbeiter verschickt hatte, ist am Dienstag am Landesgericht St. Pölten nicht rechtskräftig zu neun Monaten unbedingter Haft verurteilt worden. Der Angeklagte hatte sich erst im Schlusswort zu den Vorwürfen geäußert und die Schreiben als "Fehler" bezeichnet.

"Mir war das nicht bewusst, dass ich mit diesen Schreiben jemanden bedrohe. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich es sicher nicht getan", meinte der Mann aus dem Bezirk St. Pölten-Land kurz vor der Urteilsverkündung. "Ich möchte die Forderungen zurücknehmen", erklärte er hinsichtlich der zahlreichen Schreiben, in denen er von Mitarbeitern von Bezirkshauptmannschaften, Gerichten und der Polizei Geld verlangt hatte. Die Schriftstücke waren u. a. als Rechnungen, Verzugserklärungen, Zahlungserinnerungen, Mahnungen und Pfandbriefe tituliert. Einigen Empfängern soll der 53-Jährige mit einer Eintragung ins US-amerikanische Schuldenregister UCC gedroht haben.

"Abschreckende Wirkung"

Der Angeklagte wurde wegen versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt, gefährlicher Drohung und Sachbeschädigung schuldig gesprochen. "Sie wollen sich offensichtlich an keine Regeln halten", meinte die Richterin zum 53-Jährigen. "Es kann nicht angehen, dass man den Staat derartig ablehnt, dass kein Respekt gezeigt wird." Sie erachte eine unbedingte Haftstrafe trotz der Unbescholtenheit des Beschuldigten aus spezial- und generalpräventiven Gründen als nötig, das Urteil solle eine "abschreckende Wirkung" zeigen. Die Untersuchungshaft seit 30. Jänner werde auf die Strafe angerechnet.

Die Richterin verwies darauf, dass der Angeklagte seit 2004 Notstandshilfe und auch Witwerpension bezieht - "von einem Staat, den er nicht anerkennt". Er sei aufgefallen, weil er regelmäßig ohne Führerschein unterwegs war. Eine von der Polizei montierte Radklammer am Auto habe er abgezwickt. Im Zuge von Verwaltungsverfahren gegen ihn hatte der Niederösterreicher mit Schreiben reagiert, in denen er Rechnungen stellte und mit der Eintragung ins UCC-Schuldenregister drohte.

"Es war beunruhigend"

Der Prozess musste am 6. April vertagt werden, weil der Beschuldigte nicht mit der Verlesung der Aussagen von drei nicht erschienenen Zeugen einverstanden war. Zu Beginn der Einzelrichterverhandlung am Dienstag meinte der Angeklagte: "Ich habe die gleichen Fragen wie letztes Mal: Ist das ein staatliches Gericht? Sind Sie eine staatliche Richterin? Ich fordere Sie auf, sich nach dem Kontrollamtsgesetz auszuweisen." Eine Mitarbeiterin der Landespolizeidirektion NÖ berichtete als Zeugin über an sie gerichtete Schreiben des Angeklagten mit Geldforderungen: "Ich habe es als Drohung empfunden." Ein Polizist erklärte im Zeugenstand, die Forderungen in Pfandbriefen waren teilweise in Silberlingen, teilweise in Euro angegeben. "Es war beunruhigend", meinte der Mann, Ähnliches berichtete eine Rechtspflegerin am Bezirksgericht St. Pölten.

"Der Angeklagte vermittelt nicht den Eindruck einer psychischen Erkrankung. Eine Fehlleitung liegt jedenfalls vor", aber nicht im Sinne einer Zurechnungsunfähigkeit, sagte der Staatsanwalt im Schlussvortrag. Der Verteidiger begann sein Schlussplädoyer mit den Worten: "Es ist für mich neu, jemanden zu vertreten, der seit geraumer Zeit den Kontakt und jeden Informationsaustausch mit mir ablehnt." In einem Gespräch vor der Haftverhandlung habe sein Mandant seine Fehlleitung eingesehen, später habe es keinen Kontakt mehr gegeben. "Ich habe den Eindruck, dass er einer 100-prozentigen Kopfwäsche und einer Drehung seiner Ansichten um 180 Grad unterzogen wurde", verwies er auf Besuche eines mutmaßlichen Gesinnungsgenossen des Angeklagten während der Untersuchungshaft.

"Täter, aber auch ganz massiv Opfer"

Der 53-Jährige sei "Täter, aber auch ganz massiv Opfer", meinte sein Rechtsbeistand. "Er ist das kleinste Rädchen einer Organisation, er hat sicher massiv fremdbeeinflusst agiert." Der Rechtsanwalt sprach von einer "ganz brutalen Indoktrination". Es seien Schreiben im Umlauf, die mehr oder weniger naive Zeitgenossen dankbar aufgreifen würden, um vermeintliches Recht durchzusetzen oder vermeintliche Ungerechtigkeit zu beenden.

Bei einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren nannte die Richterin als Milderungsgründe die Unbescholtenheit des Angeklagten, seinen bisher ordentlichen Lebenswandel und dass es beim Widerstand gegen die Staatsgewalt beim Versuch geblieben war. Erschwerend wirkte sich die hohe Zahl an Schreiben in einem langen Tatzeitraum aus sowie der Umstand, dass es sich um mehrere Vergehen handelte. Nach der Urteilsverkündung willigte der Niederösterreicher schließlich ein, sich mit seinem Verteidiger zu beraten. Der Angeklagte verzichtete daraufhin auf Rechtsmittel, die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab. Damit ist das Urteil nicht rechtskräftig.

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