Priklopil-Alibi

Hat Prokop im Fall Kampusch die Unwahrheit gesagt?

Teilen

Laut Kripo-Akten hatte Entführer Priklopil kein Alibi, laut der ÖVP-Innenministerin schon.

Rund um die möglichen Ermittlungspannen im Entführungsfall Natascha Kampusch zeigen sich Widersprüche zwischen den Akten und den offiziellen Aussagen. Als die Kripo den Verdächtigen in seinem Haus fünf Wochen nach dem Verschwinden des Mädchens zu dem Fall befragten, gab er an, kein Alibi zu haben. Nach dem Auftauchen des Mädchens im August 2006 behaupteten der Chef der SOKO-Kampusch und die damalige ÖVP-Innenministerin Liese Prokop das Gegenteil.

Kripo: kein Alibi
Bei der Suche nach dem weißen Kastenwagen, in dem die damals Zehnjährige verschleppt worden war, stießen die Ermittler schnell auf den Namen Priklopil. Zwei Beamte des Sicherheitsbüros suchten ihn laut Akt vom 6. April in seinem Haus in Strasshof auf. Laut Polizeiakt gab er an, "am 2.3.1998 den ganzen Tag zu Hause gewesen zu sein. Er war alleine und kann er daher kein bestätigtes Alibi anbieten".

Prokop: doch Alibi
Anders lautete die offizielle Darstellung nach dem Auftauchen des Mädchens im Jahr 2006. Am 25. August des Jahres wiesen Innenministerin Prokop und SOKO-Chef Nikolaus Koch allfällige Ermittlungspannen in einer Pressekonferenz zurück. Ganz im Gegenteil: Der Tatverdächtige habe ein Alibi vorweisen können, sagte der Generalmajor.

Haidinger wies auf Amtshaftung hin
Der Mailverkehr zwischen Ex-BKA-Chef Herwig Haidinger und dem Kabinettsmitglied Berhard Treibenreif aus dem Jahr 2006 zeigt, dass Haidinger mehrfach auf Amtshaftungsansprüche hingewiesen hat. Würde die mögliche Polizeischlamperei nicht aufgeklärt, würde Kampusch um ihre Ansprüche gebracht, schrieb der Spitzenkriminalist ans Ressort.

Der Anwalt der über acht Jahre lang Entführten prüft schon eine Amtshaftungsklage.

Staatsanwalt hört Haidinger
Noch diese Woche will der zuständige Staatsanwalt Peter Gildemeister Haidinger zu seinen Vorwürfen befragen. Bei den Erhebungen vorigen Sommer hatte sich der Verdacht auf Amtsmissbrauch nicht erhärten lassen. Nach Haidingers Einvernahme könnten weitere Personen angehört werden, wie Bernhard Treibenreif, Prokops Ex-Kabinettschef Philipp Ita und Andreas Pilsl, der ebenfalls von Haidinger beschuldigte, oberösterreichische Landespolizeikommandant.

"ÖVP wollte SPÖ kriminalisieren"
Innerhalb der SPÖ mehrt sich der Unmut. Bundesgeschäftsführer Josef Kalina wirft der ÖVP eine versuchte Kriminalisierung des politischen Gegners vor. Immer mehr erhärte sich der Verdacht, dass es eine systematische Verfolgung des politischen Mitbewerbs gegeben habe, so Kalina Donnerstagmittag auf Ö1. "Das ist das Bild der Kriminalisierung des politischen Gegners und die versuchte Vertuschung im Fall Kampusch."

Sollte eine politische Kraft versucht haben, den Mitbewerber zu schädigen und sogar zu kriminalisieren, unter Zuhilfenahme der Polizei und der Finanz, dann müssten Maßnahmen dringend überlegt werden.

BAWAG-Schlaglicht auf SPÖ
Laut Haidinger sollten die Ermittler auf Geheiß des Innenministeriums vor allem BAWAG-Vorwürfe gegen die SPÖ liefern und die Akten für den Banken-U-Ausschuss zuerst an den Klub der ÖVP und erst dann an den Ausschuss senden.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.