Telekom-Affäre

Zerbricht jetzt die Koalition?

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Stillstand: SPÖ und ÖVP streiten über Wehrpflicht, Steuern und Schule.

VP-Granden glauben, dass die SP Neuwahlen will: Warum die Koalition platzen, Strache geschwächt werden und Rot-Grün kommen könnte.

Die Telekom-Affäre lässt nun nicht mehr nur Ex-Manager und mutmaßlich korrupte Ex-Politiker erzittern. Jetzt herrscht in schwarz-blauen Kreisen auch noch blanke Angst vor Neuwahlen. Die These: Die SPÖ könnte die ausufernde Telekom-Causa nutzen, um Neuwahlen auszurufen:

In den vergangenen Tagen eskalierte der Streit zwischen SPÖ und ÖVP auffallend. Hinter den verschlossenen Türen des Ministerrates wollte VP-Vizekanzler Michael Spindelegger am Dienstag denn auch von SPÖ-Kanzler Werner Faymann wissen:

Was genau bedeuten diese Provokationen von Häupl zu Wehrpflicht und Vermögenssteuer?“ Der Kanzler beruhigte. Die Skepsis in Teilen der ÖVP bleibt dennoch. Ein schwarzer Grande spricht die Angst vieler Parteifreunde aus:

Die SPÖ „hat ohne Not die Wehrpflichtdebatte neu angezündet“. Eine Volksbefragung wäre „ein Koalitionsbruch“.

Aber auch die von Wiens SP-Bürgermeister Michael Häupl angedachte Volksbefragung über neue Reichensteuern alarmiert die ÖVP: „Wir sollen damit in einen unsympathischen Klassenkampf-Wahlkampf getrieben werden.“

Last but not least befürchten VP-Granden eben, dass „die SPÖ die Telekom-Affäre gegen uns nützt“. Angebliches Kalkül: Die schwarz-blaue Regierungszeit versinke im Telekom-Sumpf und ziehe damit auch ÖVP und FPÖ in den Abgrund – rasche Neuwahlen, spätestens 2012, würden FP-Chef Strache schwächen.

Die SPÖ hätte mit der ­Telekom-Affäre ein tolles Wahlkampfargument gegen Schwarz-Blau – Motto: „Wollt Ihr das wirklich wieder haben?“

Plant SP-Häupl Neuwahlen für den Bund?
Die neueste Gallup-Umfrage (siehe unten) stützt diese These. Erstmals seit 2010 liegen zwischen SPÖ und der nächsten Partei 4 %.

Als „Hauptakteur“ des „Neuwahlplanes“ will ein VP-Grande jedenfalls Häupl ausgemacht haben. Dieser wolle – wie in Wien – auch Rot-Grün im Bund. Und glaube, dass die „Chance derzeit einzigartig“ sei.

Häupl, so ein VP-Mann, sei „die treibende Kraft in der SPÖ, die auch Faymann die Linie vorgibt“.

Im Büro von VP-Chef Spindelegger gibt man sich jedenfalls gelassen: „Wir glauben sicher nicht, dass die SPÖ Neuwahlen plant.“
 

ÖVP und FPÖ verlieren nach Telekom-Affäre

Laut aktueller ÖSTERREICH-Gallup-Umfrage profitiert die SPÖ von der Telekom-Affäre. Die Kanzlerpartei legt einen Prozentpunkt zu und liegt in der Sonntagsfrage mit 28 Prozent wieder deutlich auf Platz eins.

Die Telekom-Affäre – in der es um mutmaßliche Korruptionsfälle unter Schwarz-Blau geht – schadet hingegen ÖVP und FPÖ bereits:

Beide Parteien verlieren einen Prozentpunkt und matchen sich mit mageren 24 Prozent um den zweiten Platz.

Zerbricht jetzt die Koalition?
© TZ ÖSTERREICH/gallup

ÖVP und FPÖ mit je 24 Prozent auf Platz zwei – deutlich hinter SPÖ.

Die Grünen legen hingegen einen Prozentpunkt zu und kämen danach auf 14 Prozent.
Der anerkannte Politikberater Thomas Hofer analysiert die Neuwahlchancen der SPÖ dennoch skeptisch: „Die SPÖ hat derzeit sicher die bessere Ausgangslage, aber es könnte ihr passieren, dass sie nach einer Wahl ohne Koalitionspartner dasteht.“

Denn, so Hofer: „Rot-Grün ist derzeit sicher nicht in Sicht. Und Neuwahlen würden der FPÖ und Strache wieder in die Hände spielen.“ Für Hofer wäre dann eher Schwarz-Blau wahrscheinlich. Ein spannender Herbst.
 

Die Bruchstellen der Koalition

Im Juni hatte die rot-schwarze Koalition noch 90 Arbeitspunkte präsentiert. Mittlerweile scheinen sich SPÖ und ÖVP allerdings wieder hauptsächlich zu blockieren. Von der neuen Vermögenssteuer bis zur Bildung geht nichts mehr:

Krach: Die SPÖ will bekanntlich die allgemeine Wehrpflicht abschaffen. Ursprünglich hatte man sich in der Koalition darauf geeinigt, das Thema auf 2013 – das offizielle Wahljahr – zu verschieben. Nun will SP-Kanzler Faymann jetzt schon Gas geben. Und möglichst „schnell“ eine Volksbefragung durchziehen.

Klassenkampf: Kanzler Faymann möchte bereits in dieser Legislaturperiode eine Steuerreform beschließen und neue Reichensteuern einführen. Die ÖVP möchte eine Steuervereinfachung. VP-Vizekanzler Michael Spindelegger lehnt neue Vermögensteuern ebenso ab wie eine neue Gruppenbesteuerung.

Teile der SPÖ überlegen nun, auch noch eine Volksbefragung über neue Reichensteuern durchzuziehen. Die ÖVP reagiert erbost darauf.

Terrorgesetz: Eigentlich glaubten die VP-Ministerinnen Beatrix Karl und Johanna Mikl-Leitner, dass sie in Sachen Anti-Terror-Paket mit der SP einig wären. Die SP blockiert es jetzt.

Blockade: Noch vor dem Sommer war SPÖ-Bildungsministe­rin Claudia Schmied zuversichtlich, noch in diesem Jahr ein neues Lehrerdienstrecht beschließen zu können. Die VP-nahe Lehrergewerkschaft blockiert dies nun. Wohl auch eine Retourkutsche für die SP-Heeres-Kampagne.

VP-Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle erarbeitet gerade neue Modelle für allfällige Studiengebühren. Auch VP-Chef Spindelegger favorisiert neue Studienbeiträge um rund 400 Euro. Die SPÖ-Spitze lehnt dies allerdings klar ab. Nun versuchen Rot und Schwarz hinter den Kulissen, einen Abtausch in der Bildungspolitik durchzupeitschen – die ÖVP solle demnach bei der gemeinsamen Schule und dem Lehrerdienstrecht einlenken, die SPÖ dafür bei Studienbeiträgen und Zugangsbeschränkungen.

Beides wirkt derzeit allerdings nicht sehr realistisch. Zurzeit heißt es in der Regierung eher: Nichts geht mehr …

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Reichensteuer: Das sagen die Reichen

"Bei der aktuellen Diskussion um die Reichensteuer helfe ich sicher nicht mit."

"Wenn man die Hälfte vom Verdienst als Steuer abgibt, ist das schon großzügig genug."

"An dieser Diskussion beteilige ich mich nicht, weil sie fiskalisch nichts bringt."

"Das betrifft nicht mich, weil ich Reichere kenne als mich. Aber wenn es dem Staat dient, ist es o. k."

"Politiker sollten lieber effiziente Strukturen schaffen, als die Reichen noch mehr zu besteuern."

"Wer unverschämt gut verdient, der soll auch unverschämt hohe Steuern zahlen."

"Es gibt Superreiche, die eine Reichensteuer begrüßen. Ich wäre aber nicht glücklich damit."