Tschetschenen-Mord

V-Mann in Fall Israilov involviert

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In KFZ-Werkstätte des Asylwerbers schmiedeten Täter das Mordkomplott.

Entgegen erster Dementi aus dem Innenministerium scheint mittlerweile gesichert, dass ein ehemaliger Informant des Wiener Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) sehr wohl in den Fall Israilov verwickelt war. Das ergibt sich aus einer Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien, die im Zusammenhang mit der Ermordung Umar Israilovs vor kurzem gegen drei Personen Anklage wegen Beteiligung am Mord, Bildung einer kriminellen Vereinigung und versuchter Überlieferung an eine ausländische Macht erhoben hat.

Asyl bekommen
In dieser noch nicht rechtskräftigen Anklage wird Kosum Y. (38) als Zeuge zum Faktenkomplex "Planung/Vorbereitung/Nachtatverhalten" geführt". Der Tschetschene hatte im Dezember 2003 in Österreich um Asyl angesucht, das ihm im November 2007 auch gewährt wurde. Er betrieb in der Nähe von Wiener Neustadt eine KFZ-Werkstätte und geriet im Zug der Ermittlungen im Mordfall Israilov - der 27-jährige tschetschenische Flüchtling war am 13. Jänner 2009 nach einer Verfolgungsjagd von zwei Männern in Wien-Floridsdorf auf offener Straße erschossen worden, nachdem er mehrmals vergeblich um Personenschutz angesucht hatte - ins Visier der Ermittler.

Zweiter Mann war sein Bruder
Turpal Y. (31). der jüngere Bruder von Kosum Y., soll nämlich einer der beiden Männer gewesen sein, die Umar Israilov auf der Leopoldauer Straße ansprachen, um ihn - so zumindest die Überzeugung der Staatsanwaltschaft - zu entführen. Tupal Y. habe sogar seinen eigenen Pkw zur Verfügung gestellt und in unmittelbarer Nähe geparkt, mit dem Israilov außer Landes gebracht werden sollte.

Todesschütze ins Ausland geflohen
Da Israilov jedoch offenbar das Vorhaben der Männer durchschaute, lief er davon, worauf ihn die beiden laut Anklage mit gezogener Pistole verfolgten, stellten und nach einem weiteren missglückten Fluchtversuch erschossen. Der Anklageschrift zufolge gab nicht Turpal Y. die Schüsse ab, weshalb er sich demnächst lediglich wegen Beitragstäterschaft zum Mord vor einem Wiener Schwurgericht verantworten muss. Der Schütze Letscha B. hatte sich nach der Tat ins Ausland abgesetzt.

Kontakte zu "Entführer" Otto

Der Plan, Israilov zu überwältigen und nach Tschetschenien zu bringen, wurde laut Anklage unter anderem auf dem Autoabstellplatz von Kosum Y. besprochen. Dieser hätte "der Tätergruppe mehrfach als Treffpunkt gedient", heißt es auf Seite 20 der Anklageschrift. Kosum Y. habe darüber hinaus "an den der Tat vorangehenden Tagen intensive persönliche Kontakte" zu Otto K. (42) und damit jenem Mann gehabt, der als Drahtzieher für die beabsichtigte Entführung Israilovs gilt und der sich ebenfalls schon bald vor Geschworenen zu verantworten haben wird.

V-Mann (noch) nicht angeklagt
"Wenngleich eine Beteiligung zumindest im Stadium der Tatvorbereitung wahrscheinlich ist, konnte die Verdachtslage bislang nicht ausreichend erhärtet werden, um auch gegen ihn Anklage zu erheben", heißt es zur Rolle des 38-Jährigen in der Anklageschrift.

Der Staatsanwalt betont aber, dass Kosum Y. noch drei Monate vor dem Mord an Israilov für die Polizei als Spitzel tätig war: "Zuvor war Kosum Y. als Informant für das LVT Wien tätig gewesen und hatte Informationen über den Besuch des Shakya T. (ein ehemaliger Widerstandskämpfer im Tschetschenien-Krieg, der in seiner Heimat als Held verehrt wird und ein enger Vertrauter des tschetschenischen Präsidenten Ramzan Kadyrow sein soll) bei Otto K. im Oktober 2008 geliefert."

Vorübergehend geflohen
Am 23. Jänner - also zehn Tage nach Israilovs Ermordung - setzte sich Kosum Y. nach Tschetschenien bzw. Aserbaidschan ab, nachdem er den Behörden bekanntgegeben hatte, nach Belgien reisen zu wollen. "Während seiner Flucht hielt er mehrfach Kontakt mit den ermittelnden Beamten und kehrte schließlich am 16. November 2009 nach Österreich zurück, um sich dem Verfahren zu stellen", wie in der Anklage abschließend ausgeführt wird.

Mittlerweile soll die Anklagebehörde den Mann nicht mehr als Zeugen betrachten. Gegen ihn hat sich angeblich die Beweislage derart verdichtet, dass gegen ihn ein Verfahren als Beschuldigter geführt wird. Eine offizielle Bestätigung dafür lag Montagmittag noch nicht vor.

Bis zuletzt Kontakt zu Tätern
Kosum Y.  hatte wenige Stunden vor der Ermordung von Umar Israilov telefonischen und auch noch persönlichen Kontakt zu Otto K., den die Staatsanwaltschaft als Drahtzieher des Komplotts sieht. Auch das geht aus der Anklageschrift hervor, in der Otto K. und Turpal Y. unter anderem Beteiligung am Mord vorgeworfen wird. Demnach kam es am 12. Juni zu mehreren Telefonaten zwischen Y. und K. Nach 17.00 Uhr trafen sich die beiden in der Nähe der St. Pöltner Wohnung von K., wobei diese Begegnung längstens bis 18.30 Uhr dauerte.

Noch am selben Abend, knapp vor Mitternacht, trafen dann Otto K. und weitere Tschetschenen auf dem Autoabstellplatz des ehemaligen Polizei-Spitzels in der Nähe von Wiener Neustadt ein, wobei es in der Anklageschrift wörtlich heißt, es wäre als "gewichtiges Indiz dafür zu werten, dass der Aufenthalt bei Kosum Y. einen für die weitere Tatausführung bedeutsamen Zweck hatte".

Als Spitzel aufgeflogen?

Die Vermutung liegt nahe, dass die für den kommenden Tag geplante Entführung Israilovs vor den Augen des  LVT-Informanten besprochen wurde. Welche Rolle Kosum Y. dabei spielte, war dem Staatsanwalt zum Zeitpunkt des Verfassens der Anklageschrift offenbar noch unklar: "Geht man davon aus, dass Kosum Y. in die Tatvorbereitung nicht eingebunden war, ist lebensnah anzunehmen, dass die Tätergruppe in Erfahrung zu bringen  versuchte, ob er etwa von ihren Plänen Kenntnis erlangt hatte und bestrebt war, dafür Sorge zu tragen, dass er nichts davon an die Polizeibehörden verraten würde." Zumindest Letscha B . - jener Mann, der Israilov laut Anklage am 13. Jänner zu Tode brachte -, dürfte befürchtet haben, Kosum Y. könnte ein Polizei-Spitzel sein.

Laut Staatsanwaltschaft wurde in dieser Nacht in der Werkstätte des ehemaligen LVT-Informanten jedenfalls noch dessen jüngerer Bruder für die beabsichtigte Israilov-Entführung angeworben, obwohl Turpal Y. infolge seiner Drogensucht und schwachen körperlichen Konstitution dafür nur bedingt geeignet schien. Der Drahtzieher Otto K. habe sich von der Mitwirkung des 31-Jährigen eine "Rückversicherung" gegenüber Kosum Y. erhofft, vermutet die Anklagebehörde.

Kosum wollte Sache abblasen
Am Vormittag des 13. Jänner wollte Kosum Y., der offensichtlich wusste, dass eine "Aktion" unmittelbar bevorstand, noch eine direkte Beteiligung seines Bruders verhindern. Er rief zunächst bei Otto K. und dann bei Turpal an und forderte diesen der Anklageschrift zufolge eindringlich auf, die Sache "abzublasen".

Israilov wurde von Letscha B. und Turpal Y. knapp nach 12.00 Uhr auf offener Straße angesprochen. Der Versuch, diesen zu überwältigen und zu entführen, scheiterte mehrfach, so dass der tschetschenische Flüchtling schließlich erschossen wurde, wobei die Staatsanwaltschaft davon ausgeht, dass die tödlichen Schüsse Letscha B. abgab.

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