Parlament sagt "Ja"

Island für EU-Beitrittsgesuch

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EU-Beitritt könnte bereits Ende 2010 erfolgen.

Das Parlament in Reykjavik (Althingi) hat am Mittwoch grünes Licht für den EU-Beitrittsantrag Islands gegeben. Die Abstimmung fiel mit 33 zu 28 Stimmen deutlicher als zuletzt befürchtet aus. Ein Antrag der Mitte-Rechts-Opposition auf die Abhaltung einer doppelten Volksabstimmung erhielt dagegen keine Mehrheit.

Für den umstrittenen Vorschlag der sozialdemokratischen Ministerpräsidentin Johanna Sigurdardottir stimmten nach einer Marathondebatte seit vorigen Freitag 33 der 63 Abgeordneten. Zwei Mandatare enthielten sich der Stimme. Die konservative Opposition scheiterte damit mit ihrem Versuch, die Entscheidung über ein Beitrittsgesuch von einer gesonderten Volksabstimmung abhängig zu machen.

Beitritt bereits 2010?
Möglicherweise schon Ende 2010, könnte die Insel der Geysire und Trolle im Nordatlantik zum 28. Mitglied der EU werden. Damit würde das Land an anderen Staaten - vor allem Kroatien - vorbeiziehen, die zum Teil seit Jahren darauf hoffen, der Union beitreten zu dürfen.

"Island hat bereits drei Viertel des Weges in die europäische Integration zurückgelegt", sagte der schwedische Außenminister Carl Bildt schon vor dem Beschluss des Parlaments in Reykjavik. Bildt ist in dieser Frage wichtig, weil er bis Ende des Jahres die EU-Ratspräsidentschaft führt. Und die kann das Tempo des Beitrittsprozesses beschleunigen oder verlangsamen. Bildt lässt keinen Zweifel aufkommen, dass er aufs Tempo drückt. Nicht nur, weil Island eine tausend Jahre alte Demokratie sei. Sondern vor allem, weil es Teil des Europäischen Wirtschaftsraums (EU, EFTA, Schweiz) ist, in dem ein großer Teil der Gesetzgebung identisch ist.   

Barroso: "Zeichen für die Vitalität"
Das grüne Licht des isländischen Parlaments für einen EU-Beitrittsantrag des Landes ist nach Worten von EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso "ein Zeichen für die Vitalität des europäischen Projekts und bringt auch die Hoffnung zum Ausdruck, für die Europa steht". Barroso und EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn betonten am Donnerstag in Brüssel die lange demokratische Tradition des Inselstaats im Nordatlantik.

"Island ist ein europäisches Land mit langen und tiefen demokratischen Wurzeln", erklärte Barroso. Er verwies darauf, dass Island "sehr enge Beziehungen mit der EU" habe nach gut 40 Jahren Mitgliedschaft in der Europäischen Freihandelszone (EFTA) und 15 Jahren im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). "Es liegt nun an der isländischen Regierung, diese Entscheidung durch einen offiziellen Antrag bei der EU-Präsidentschaft weiterzuverfolgen", unterstrich Barroso.

Rehn zeigte sich "erfreut" darüber, "dass sich die EU-Erweiterungsagenda bald auch auf den nordwestlichen Winkel Europas erstrecken kann, mit Island, einem Land mit tiefer demokratischer Tradition, zusätzlich zu unserer weiteren Verpflichtung gegenüber Südosteuropa". 

Alles hängt am Fisch
Zwar wird üblicherweise in der EU von bestenfalls mindestens zweijährigen Beitrittsverhandlungen ausgegangen. Doch kann das auch schneller gehen, wie Norwegen mit elf Monaten Beitrittsverhandlungen gezeigt hat - auch wenn der Beitritt dann per Referendum gestoppt wurde. "Wie lange es dauert, wird vor allem vom Fisch abhängen", sagt eine EU-Diplomatin. In der Tat: Kaum etwas ist in der Europäischen Union so umstritten wie die Fischereipolitik.    

Die Isländer verfügen im Atlantik über eine 200-Seemeilen tiefe nationale Fischereizone mit einer Größe von 760.000 Quadratkilometern: Das ist siebenmal so groß wie die Insel selbst und gut doppelt so groß wie Deutschland. Hier befinden sich einige der größten Fischbestände des Ozeans. Und nach EU-Recht müssten diese zu EU-Gewässern werden. Die letzten EU-Mitglieder, die nicht nur über wichtige Fischereizonen, sondern auch über riesige Fischereiflotten verfügten, waren Spanier und Portugiesen. Bevor diese 1986 der EU beitraten, drohte der Streit um Fischereirechte mehrfach die Beitrittsverhandlungen zu blockieren. Üblicherweise löst die EU solche Probleme durch Übergangsfristen und Fangbeschränkungen.

Ein weiteres Problem ist der Walfang - geächtet in der EU, aber von Island seit 2006 auch kommerziell wieder betrieben. Das Thema ist zwar wirtschaftlich nicht besonders wichtig, aber von solcher politischen Symbolik, dass es einige Anstrengungen erfordern könnte. Reykjavik muss noch ein weiteres Problem aus der Welt schaffen: Vor allem Großbritannien und die Niederlande erwarten, dass sich Island auch für die finanziellen Folgen der isländischen Bankenkrise in ihren Ländern verantwortlich fühlt. Im Blick auf diese Frage mahnte der finnische Außenminister Alexander Stubb erst im Juni in Reykjavik die Isländer: "Ich möchte gerne, dass Island so schnell wie möglich beitritt, aber Sie sollten auch nicht zu große Hoffnungen haben."

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© Reuters

Walfang wird in Island kommerziell betrieben. (c) Reuters

Bis eine Entscheidung über Zeitpunkt und Konditionen des isländischen Beitritt fällt, wird klar sein, ob der "Lissabon-Vertrag" als neue Rechtsgrundlage der Europäischen Union in Kraft tritt. Das würde die Sache erleichtern. Denn Frankreich und Deutschland haben sich vor zwei Jahren festgelegt: Nur mit dem "Lissabon-Vertrag" seien künftige Erweiterungen möglich. Freilich war dies vor allem in Richtung der Westbalkan-Staaten und der Türkei gesprochen: Von Island war damals noch keine Rede.

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