Krise im Kaukasus

Medwedew hat keine Angst vor neuem Kalten Krieg

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Der Konflikt um die abtrünnigen Provinzen Georgiens eskaliert: Russlands Präsident erkennt die Autonomie an - trotz Warnung aus dem Westen.

Russland hat ungeachtet aller Warnungen des Westens die Unabhängigkeit der von Georgien abtrünnigen Gebiete Südossetien und Abchasien anerkannt. "Das ist die einzige Möglichkeit, das Leben der Menschen dort zu schützen", sagte Präsident Dmitri Medwedew. Südossetien und Abchasien müssten vor weiteren möglichen Aggressionen aus Georgien geschützt werden.

Keine Angst vor Kaltem Krieg
Medwedew will auch bei steigendem westlichen Druck standhaft bleiben: "Wir haben vor nichts Angst, auch nicht vor der Aussicht auf einen Kalten Krieg [...] Natürlich wollen wir das nicht. Alles hängt von der Haltung unserer Partner, der Weltgemeinschaft und unserer Partner im Westen ab." Der Kremlchef rief andere Länder auf, sich Russland anzuschließen.

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© oe24

Russen bleiben vorerst
Russland hat vor einem Abzug ein internationales Sicherheitssystem für die Krisen-Region gefordert. Man sei bereit, über ein solches Überwachungsabkommen zur Friedenssicherung zu verhandeln. Bis dahin wolle man die Soldaten aber in den Pufferzonen auf georgischem Gebiet belassen, um Abchasien und Südossetien zu schützen.

Menschenrechtsgerichtshof aktiv
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte prüft derzeit eine Staatenklage Georgiens gegen Russland. Die Regierung in Tiflis reichte die Klage als Reaktion auf den russischen Militäreinsatz Anfang August ein. Georgien wirft Moskau schwere Menschenrechtsverletzungen vor.

Georgien sieht Annexion
Tiflis sprach von einer "offenen Annexion georgischen Territoriums" durch Russland. Die Anerkennung Südossetiens und Abchasiens durch Moskau hat aber nach Einschätzung der georgischen Regierung keine rechtlichen Konsequenzen. Allerdings werde sie "harte politische Konsequenzen" nach sich ziehen, sagte Sicherheitsrats-Chef Alexander Lomaja.

Präsidenten der Provinzen hocherfreut
Die Präsidenten Südossetiens und Abchasiens, Eduard Kokojty und Sergej Bagapsch, dankten hingegen "Russland und dem russischen Volk" für die Anerkennung. "Das ist ein historischer Tag für unser Volk", sagte Bagapsch der Agentur Interfax. Seit Monaten hatten beide Gebiete immer wieder betont, sie forderten für sich das gleiche Recht auf Unabhängigkeit ein wie die ehemals serbische Provinz Kosovo. Die Menschen in Südossetien und Abchasien feierten mit Freudengeschrei, knallenden Sektkorken und Schüssen in die Luft.

Warnung aus dem Westen ignoriert
Die USA und zahlreiche europäische Länder hatten Russland zuvor eindringlich vor einer Anerkennung der Provinzen gewarnt. Am Montag hatten beide russische Parlamentskammern den Präsidenten in einem einstimmig verabschiedeten Appell zur Anerkennung der Provinzen aufgefordert. US-Präsident George W. Bush wies den Beschluss mit Blick auf die territoriale Einheit Georgiens als völkerrechtswidrig zurück.

Kritik aus Paris
Frankreich als amtierende EU-Ratspräsidentschaft bedauerte die russische Ankündigung, die Unabhängigkeit der abtrünnigen georgischen Provinzen anzuerkennen. Paris halte weiter an der "territorialen Integrität Georgiens" fest, sagte ein Sprecher des französischen Außenministeriums. Die britische Regierung erklärte, sie lehne die russische Entscheidung kategorisch ab und bekräftige die "Souveränität und territoriale Integrität Georgiens". Russlands Entscheidung widerspreche den Verpflichtungen, die das Land mehrfach in UNO-Resolutionen übernommen habe.

"Ich bedauere die Entscheidung des russischen Präsidenten, Südossetien und Abchasien anzuerkennen", sagte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier der "Süddeutschen Zeitung". Dieser Schritt betriffe die territoriale Unversehrtheit eines souveränen Nachbarstaates. "Das ist für uns nicht akzeptabel." Steinmeier wies darauf hin, dass eine Lösung der Konflikte in Abchasien und Südossetien durch den Schritt Russlands noch schwieriger werde.

"Absolut nicht akzeptabel", sagte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einem Besuch in Estland. Sie forderte als Bedingung für die weitere Kooperation der EU mit Russland die Einhaltung gemeinsamer Werte. Es gehe um die Achtung der Menschenrechte, demokratische Prinzipien und die Achtung internationalen Rechts. Sie wolle den Dialog im Rahmen der NATO mit Russland nicht abbrechen. Die Zusammenarbeit hänge aber davon ab, inwieweit diese Grundprinzipien anerkannt würden. Sie bekräftigte zugleich: "Georgien und die Ukraine werden Mitglieder der NATO sein". Niemand solle daran Zweifel haben, dass als nächster Schritt der Aktionsplan zur Mitgliedschaft stehe.

Moskau kündigt NATO-Zusammenarbeit auf
Moskau kündigte zudem an, seine Zusammenarbeit mit der NATO in verschiedenen Bereichen auszusetzen. Als Beispiel nannte der russische NATO-Botschafter Dmitri Rogosin den für Mitte Oktober geplanten Besuch von NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer. "Diese Angelegenheit wird auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, bis wir uns über unsere neue Beziehung zur NATO im Klaren sind", sagte Rogosin. Zugleich betonte er, Moskau plane keine Sperrung der durch sein Territorium führenden Nachschubroute für die NATO-Truppe ISAF in Afghanistan.

Südossetien und Abchasien hatten sich nach dem Zerfall der Sowjetunion in Bürgerkriegen Anfang der 90er Jahre von Georgien abgespalten und für unabhängig erklärt. Das jüngste Blutvergießen im Kaukasus war ausgelöst worden, als Georgien Anfang August Südossetien angriff. Daraufhin waren russische Einheiten ins Nachbarland einmarschiert und hatten vorübergehend Teile des georgischen Kerngebietes besetzt. Russland kontrolliert weiter eine Pufferzone um die abtrünnigen Gebiete. Georgien sieht dies als Besetzung an.

Foto: (c) AP

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