Gallup-Studie
Die stille Krise am Arbeitsplatz
01.10.2025Gallup-Studie zeigt: Weltweites Mitarbeiter-Engagement sinkt – Europa besonders betroffen. Von außen wirken die Büros der Welt wie gewohnt – drinnen aber schwindet die Motivation.
Laut dem neuen Gallup-Report „State of the Global Workplace 2025“ sind die Beschäftigten so wenig engagiert wie seit Jahren nicht mehr. Die Folgen: Milliardenverluste und ein wachsender Druck auf Führungskräfte. Unternehmen verlieren weltweit 438 Mrd. Dollar durch sinkende Produktivität ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Engagement befindet sich weltweit im freien Fall
Erstmals seit über einem Jahrzehnt verzeichnet Gallup wieder einen deutlichen Rückgang beim Mitarbeiter-Engagement. Weltweit sind nur noch 21 Prozent der Beschäftigten motiviert bei der Arbeit – nach 23 Prozent im Jahr zuvor. Besonders alarmierend: Das Engagement der Manager selbst fiel von 30 auf 27 Prozent. Ausgerechnet jene, die ihre Teams inspirieren und führen sollen, verlieren zunehmend die Verbindung zu ihrem Job. Würde das Potenzial ausgeschöpft, ließe sich laut Gallup das globale Bruttoinlandsprodukt um rund neun Prozent steigern. Stattdessen bleibt ein riesiger „Engagement-Gap“, der Unternehmen teuer zu stehen kommt. Besonders dramatisch zeigt sich die Lage in Europa – und in Österreich: Nur neun Prozent der Beschäftigten bezeichnen sich hierzulande als engagiert. Fehlendes Commitment, innere Kündigung und ausgebrannte Führungskräfte sind längst zur Realität geworden.
Wenn die Führungsebene selbst ausbrennt
Europa bildet mit einer Engagement-Quote von nur 13 Prozent das Schlusslicht im weltweiten Vergleich. Zum Vergleich: In Nordamerika liegt der Wert bei 31 Prozent, in Lateinamerika auf ähnlichem Niveau. Der Kontinent steckt damit tief im Motivationskeller. Eine zentrale Erkenntnis des Reports: Rund 70 Prozent der Unterschiede im Teamengagement hängen direkt von der Qualität der Führung ab. Doch gerade Führungskräfte selbst kämpfen mit sinkender Motivation. Besonders junge Managerinnen und Manager sowie weibliche Führungskräfte berichten von deutlichen Einbußen. Die Folge ist ein gefährlicher Teufelskreis: Brennt die Leitungsebene aus, reißt sie auch ihre Teams mit. „Ausgebrannte Führungskräfte sind meist ein Resultat davon, dass sie nicht Führen, Feedback geben oder Konsequenzen setzen können; es fehlt ihnen an Soft- und Hardskills – das schadet ihnen und dem Team. Dabei wären diese Fähigkeiten in Führungskräftecoachings erlernbar“, erklärt Elisabeth Proksch, Unternehmensberaterin und Führungskräfte-Coachin.
Zwischen Nettigkeit und Konsequenz
Gleichzeitig ist "Positive Leadership" in aller Munde – und wird auch zu Recht gefordert. Doch was, wenn Sinnstiftung und Beziehungsarbeit allein nicht mehr ausreichen? Elisabeth Proksch beobachtet diese Probleme seit Langem und denkt einen Schritt weiter: Mit ihrem „Excalibur-Prinzip“ begleitet sie seit 20 Jahren Führungskräfte und hat damit ein bewährtes System entwickelt, das auf eine facettenreichere Version von Positive Leadership setzt. „Positive Leadership ist wertvoll und steht in meinem Programm ganz oben – wer aber immer nur ‚nett‘ ist, scheitert. Eine gute Beziehung erfordert auch, klare Grenzen setzen, Menschen zu ihren Bestleistungen zu bringen und Verantwortung übergeben zu können“, erklärt sie. Es braucht eine Balance zwischen Beziehung und Konsequenz.
Die Botschaft der Gallup-Studie ist eindeutig: Unternehmen müssen ihre Kultur und Führungspraxis neu denken. Emotionale Bindung, Sinnstiftung und ein echtes Zugehörigkeitsgefühl sind keine weichen Faktoren mehr, sondern harte Wirtschaftstreiber.
Interview: Elisabeth Proksch über das Thema Unternehmenskultur. Mit dem INSIDER spricht sie wie Führungskräfte nötigen Skills aufbauen können.
INSIDER: Gesellschaftliche Veränderung: Warum Mitarbeitende sich nicht mehr so einfach binden wie noch vor 20 Jahren?
Elisabeth Proksch: Das Internet und die sozialen Medien bieten Mitarbeitenden einen schnellen Zugang zum Arbeitsmarkt. Darüber hinaus legen Menschen heute großen Wert auf Work-Life-Balance und echte Flexibilität. Sind diese nicht gegeben, sind sie eher bereit, den Job zu wechseln. Ebenso spielen Faktoren wie Führungskultur, gelebte Unternehmenswerte oder fehlende Entwicklungsmöglichkeiten eine Rolle bei der Entscheidung, im Unternehmen zu bleiben.
INSIDER: Beziehungsaufbau: Warum „Kaffee trinken“ allein keine Beziehung ersetzt und welche Methoden wirklich binden?
Proksch: Aktiver Austausch in Form von Anerkennung oder konstruktiver Kritik im Arbeitsalltag fördert gesunde Beziehungen – gerne auch mal bei einer Tasse Kaffee. Er stärkt das Miteinander und verbessert die Leistung. Ebenso tragen Teamtage und gemeinsame Aktivitäten zur Vertiefung der Kontakte bei. Außerdem sollte man sich auf echte Begegnungen mit den Mitarbeitenden einlassen. Diese sollten physisch stattfinden, denn Online-Meetings allein reichen nicht aus.
INSIDER: Schwächen und Potenziale als Hebel: Wie sich Engagement, Loyalität und Leistung optimal entfalten lassen?
Proksch: Engagement, Loyalität und Leistung entfalten sich optimal, wenn Mitarbeitende eine klare Zugehörigkeit zum Team und Unternehmen empfinden. Hilfreich ist es zudem Aufgaben zu vergeben, die sie fordern und an denen sie wachsen. Monotonie oder Überforderung wirken sich dagegen negativ aus. Führungskräfte sollten tragfähige Be-ziehungen aufbauen, Stärken fördern und mit Geschick Potenziale entwickeln. So entsteht Begeisterung und damit auch optimale Leistung und Loyalität.
Buchtipp: Elisabeth Proksch zeigt in ihrem Buch „Das Excalibur-Prinzip“, wie Pferdeherden Vorbilder für moderne Führung und Wellbeing sind. Preis:36 Euro. www.prokschconsult.at
Das Buch ist über die Website erhältlich.