Bofinger zur Eurokrise

Wirtschaftsweiser rechnet mit Merkel ab

07.05.2012


Regierungsberater zerpflückt die bisherige Strategie als "kontraproduktiv".

Zur Vollversion des Artikels
© AP
Zur Vollversion des Artikels

Der "Wirtschaftsweise" Peter Bofinger hat den Kurs der deutschen Regierung in der Euro-Schuldenkrise scharf kritisiert. "Insgesamt hat die Strategie der Bundesregierung, die Krise über einen maximalen Marktdruck und dadurch forcierte prozyklisch wirkende Sparprogramme zu lösen, völligen Schiffbruch erlitten", erklärte Bofinger in einer Stellungnahme für eine Anhörung des Bundestagshaushaltsausschusses am Montag in Berlin.

"Große Gefahr für politische Stabilität"
"Nicht zuletzt die dadurch entstandenen teilweise extrem hohen Arbeitslosenraten von jungen Menschen stellen eine große Gefahr für die politische Stabilität und zugleich für die Zustimmung der Bürger zur Europäischen Union dar", erklärte der Wirtschaftsprofessor bei einer Expertenbefragung zum Rettungsschirm ESM und zum Fiskalpakt. Aus Sicht Bofingers hat auch die Europäische Zentralbank versagt.

Über Fiskalpakt und dauerhaften ESM stimmt der Bundestag am 25. Mai ab. Beim Fiskalpakt ist Schwarz-Gelb auf die Opposition angewiesen, da in Bundestag und Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit nötig ist. Unter anderem die Linkspartei hat Verfassungsklage angekündigt, die Grünen plädieren für eine spätere Abstimmung.

Krisen-Therapie "kontraproduktiv"
Bofinger sagte, die Entwicklung in den vergangenen zwei Jahren lege es nahe, dass "die von der Bundesregierung präferierte Therapie nicht nur unzureichend, sondern vielmehr kontraproduktiv gewesen ist". Die Krise lasse nicht nur und nicht vorrangig auf fiskalisches Fehlverhalten der Problemländer zurückführen. Auch die deutsche Wirtschaftspolitik habe maßgeblich zu Ungleichgewichten beigetragen. Bofinger verwies auch auf Maßnahmen zur Senkung des Lohnniveaus.

Der Regierungsberater äußerte zugleich Kritik am ESM: Dieser sei weder vom Volumen noch von den Konditionen her in der Lage, eine umfassende Antwort auf die gravierenden Risiken zu bieten. Eine deutlich bessere Lösung biete ein Schuldentilgungspakt.

Der Chef des befristeten Hilfsfonds EFSF, Klaus Regling, nannte dagegen die "rigorose Umsetzung" der Reformen und Haushaltssanierung ein zentrales Element, um die Schuldenkrise zu überwinden: "Ich bin überzeugt, dass die Europäische Währungsunion mit diesem Maßnahmenbündel aus der Krise gestärkt hervorgehen und in Zukunft besser funktionieren wird", heißt es in Reglings Stellungnahme.

Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, warnte, die Auswirkungen des Fiskalvertrages für Deutschland seien völlig unklar. Wesentliche Auslegungsentscheidungen der EU-Kommission lägen noch nicht vor. Die Grünen hatten nach Koalitionsangaben die Absetzung der Anhörung zum Fiskalpakt beantragt, was Union und FDP gegen die Stimmen der Opposition aber abgelehnt hätten. Auch aus Sicht Schneiders macht eine Anhörung von Sachverständigen derzeit wenig Sinn. Eine abschließende Entscheidung im Haushaltsausschuss oder im Plenum wäre daher unverantwortlich.

Unions-Haushaltsexperte Norbert Barthle (CDU) nannte den Fiskalvertrag mit seiner Schuldenbremse nach deutschem Vorbild einen wichtigen Baustein für die neue Stabilitätsarchitektur in Europa. Eine Absetzung der Anhörung wäre ein fatales Signal. Barthle betonte: "Eine Aufweichung des Vertrages wird es mit der Union nicht geben."


 
Zur Vollversion des Artikels
Weitere Artikel