Unternehmer sagt
"Die Produktivität im Land ist einfach ein Desaster"
12.07.2025Unternehmer Stephan Zöchling über die wahren Ausmaße des Budgetlochs, die KTM-Rettung und die Arbeitsmoral im Land.
Der Industrielle Stephan Zöchling will „Missstände klar aufzeigen“. Im Fellner! Live-Interview mit oe24-Chefredakteur Niki Fellner spricht er über KTM, die österreichische Wirtschaft und warum er glaubt, dass das wahre Ausmaß des Budgetdesasters erst im Herbst sichtbar wird.
oe24.TV: Die Wirtschaftsforschern gehen jetzt von einem minimalen Wachstum von 0,1 Prozentpunkten aus im heurigen Jahr. Ihre Meinung?
Stephan Zöchling: Bei 0,1 Prozent Wachstum von einer Nichtrezession zu sprechen, ist eigentlich eine kühne Aussage.
Ich glaube auch, dass wir in Sachen Budget und Budgetlage der Republik Österreich keinen reinen Wein eingeschenkt bekommen, weil die Annahmen, die als Basis des Budgets dienen, schlicht und ergreifend nicht eintreten oder nicht eintreten werden. Das heißt, ich glaube, das Budgetdesaster wird erst offenkundig werden gegen Ende drittes Quartal, Anfang viertes. Und die Gesamtlage in Österreich ist natürlich mehr als prekär. Auch darum, weil wir uns nicht auf die Dinge konzentrieren, die wir machen müssten. Es gibt viele Bereiche, wo es großen Widerstand gibt von bestimmten Gruppen, dass wir als Wirtschaft nur schwarz sehen können. Und das tun viele auch.
oe24.TV: Wenn wir nach Deutschland blicken oder nach Osteuropa – warum hinkt Österreich zumindest, was die Wirtschaftsleistung betrifft, so hinterher?
Zöchling: Naja, es ist relativ einfach. Wir haben in den letzten drei Jahren 28% Lohnerhöhungen gehabt.
Ein Vergleich: Wir haben in Italien zwei große Standorte, in Süditalien, da sind die Lohnkosten 30% unter dem österreichischen Niveau, also wirklich in der Eurozone und im EU-Raum, wo man nicht sagen kann, na gut, ist halt Osteuropa. UND: Wir haben die höchste Anzahl an Feiertagen und sind Spitzenreiter bei den Krankenständen und Urlaubstagen. Die Produktivität im Land ist einfach ein Desaster.
oe24.TV: Sie wären für eine Nulllohnrunde heuer?
Zöchling: Eine Nulllohnrunde nicht nur für heuer, sondern für die nächsten zwei Jahre. Einhergehend mit einer massiven Steuersenkung für Lohnnebenkosten.
oe24.TV: Der Wirtschaftsminister hat zuletzt die Leistungsbereitschaft der Österreicher kritisiert. Zurecht?
Zöchling: Ja, absolut. Es ist mit Corona und der Gießkanne und tausend Bonuszahlungen für verschiedenste absurde Dinge das Mindset nicht mehr da, dass sich Leistung auszahlt. Es ist eine Generation am Werk, wo man sagen muss, es stimmt einen nachdenklich. Ich habe jetzt gerade im Büro mitbekommen, dass ein Mitarbeiter sich entschuldigt hat, dass er im Homeoffice bleibt, weil es regnet...
oe24.TV: Welche Maßnahmen bräuchte es konkret, um den Unternehmen wieder unter die Arme zu greifen?
Zöchling: Es sind die Energiekosten, es sind die Lohnkosten, nicht nur die Lohnnebenkosten, sondern tatsächlich die Gehaltsniveaus. Da hat der unselige Ex-Vizekanzler Kogler mit dem Beamtenplus letztes Jahr noch allen Gehaltsverhandlern in der Wirtschaft ein grobes Foul erteilt. Weil es danach schwierig war, in der freien Wirtschaft zu argumentieren, wenn die Beamten 8% oder 8,5% bekommen, dass das woanders nicht so sein soll.
oe24.TV: Sollte das Pensions-Alter auf 70 Jahre ansteigen?
Zöchling: Es wäre schon einmal viel erreicht, wenn die Leute tatsächlich mit 65 in Pension gingen oder nach ihren 45 Jahren. Und wenn einer mit 30 sein Studium beendet, dann kann er in Wahrheit erst mit 75 gehen. Wenn er früher geht, halt mit massiven Abschlägen. Und wenn einer mit 15 Jahren am Straßenbau gegangen ist, ohne dort eine Lehre zu machen und wirklich gearbeitet hat, kann er mit 60 gehen. Aber ein Wissenschaftler oder ein Lehrer, der mit 25 in den Beruf eintritt, hat 45 Jahre einzuzahlen.
oe24.TV: Sie waren KTM-Aufsichtsratsvorsitzender, haben sich jetzt aber zurückgezogen. Was ist denn der aktuelle Status bei KTM? Ist das Unternehmen Ihrer Meinung nach gerettet?
Zöchling: Das Unternehmen ist einmal vordergründig dahingehend gerettet, dass der indische Mehrheitsaktionär Bajaj 800 Millionen Euro auf den Tisch gelegt hat, um die Ausgleichsquote der 30 % an alle Lieferanten und Banken bedienen zu können. Das Unternehmen hat vor, am 28. Juli seine Produktion wieder aufzunehmen. Die nachhaltige Sanierung des Unternehmens beginnt erst. Es sind alle behördlichen Genehmigungen noch offen, ob Kartellrecht, Übernahmekommission oder Auslandsinvestitionsgenehmigungen. Ende September sollte es zum Closing der Transaktion kommen. Dann können die Inder formal und tatsächlich in das Geschehen eingreifen. Sie werden ihre Erfahrung, ihren Spirit und ihre Kompetenz in Mattighofen einzubringen wissen.