Fünf Jahre nach Tsunami - Weitgehend vergessen

16.12.2009

Der Tsunami, der vor fünf Jahren an den Weihnachtsfeiertagen mit meterhohen Wellen über weite Teile Südostasiens hereinbrach und bis zu 250.000 Todesopfer forderte, ist heute weitgehend nicht mehr in den Köpfen der österreichischen Urlauber. Doch auch vor Ort wurde die Katastrophe längst verdrängt. "Vom Tsunami hört man hierzulande praktisch nichts mehr - er ist aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden", sagte der Handelsdelegierte der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) in Bangkok, Gustav Gressel.

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Das menschliche Leid bei der Flutwellenkatastrophe war unermesslich und riss auch die Tourismuswirtschaft nach unten. 86 Österreicher kamen ums Leben, 85 davon in Thailand und einer in Sri Lanka. Mittlerweile sind die Hotels wiederaufgebaut und es reisen mehr als doppelt so viele Österreicher dorthin wie noch vor 5 Jahren.

Die Strände präsentieren sich wieder idyllisch als wäre nichts geschehen. Lediglich die neu errichteten Tsunami-Fluchtpfade, die auf Anhöhen hinauf führen, und die angebrachten Wasserstandanzeigen, auf denen die Höhe der Flutwelle abzulesen ist, erinnern vielerorts an das Seebeben der Stärke 9,0, das am 26. Dezember 2004 ganze Landstriche dem Erdboden gleichmachte. 2004 kamen laut Angaben des Immigrationsbüros der thailändischen Polizei 35.479 Österreicher nach Thailand.

Kein Thema bei Buchung

"Im Hinblick auf das Reiseverhalten ist die Katastrophe nach 5 Jahren kein Thema mehr - der Tsunami wird von unseren Kunden nicht mehr angesprochen", berichtet der Sprecher des Reiseveranstalters TUI Österreich, Josef Peterleithner. Jetzt kämen eher Nachfragen nach der politischen Situation im Land. In Thailand, einem der wichtigsten Reiseländer Asiens, seien die Regionen fast vollständig wiederaufgebaut worden. Die Gebäude durften den geänderten Bestimmungen zufolge allerdings nicht mehr so nahe am Meer errichtet werden.

Thailand-Reisende denken jetzt an vergleichsweise weniger tragische Ereignisse als das damalige Seebeben der Stärke 9,0 - an die aktuelle politische Situation beziehungsweise an die Flughafenblockaden im Dezember vor einem Jahr. "Das Hotelgeschäft war im Vorjahr durch den 'politischen Tsunami' wahrscheinlich sogar noch mehr geschädigt - nach den Airport-Sperren war das Geschäft tot", so Gressel.

In einem thailändischen 700-Zimmer-Hotel, das in der Hauptreisezeit Dezember bis Februar normalerweise gut gebucht ist, seien zu Weihnachten 2008 beispielsweise nur sieben Zimmer belegt gewesen. Zur politischen Krise gesellte sich 2008 die internationale Finanzkrise. Die Touristen blieben schlagartig aus.

"Jetzt füllen sich die Hotels wieder und die Preise steigen", so der Handelsdelegierte. Von 2008 bis Mitte 2009 standen Preisnachlässe bis 50 % auf der Tagesordnung. Thailand gehe es heuer wieder "wesentlich besser als im Vorjahr", bestätigte auch Vorstandsdirektor Martin Bachlechner von der Verkehrsbüro Group. Die Ereignisse im Vorjahr hätten Österreichs größten Touristikkonzern "total getroffen".

Schwieriges Jahr für Thailand

Thailand hat laut Gressel "ein wahnsinnig schwieriges Jahr" hinter sich. Das BIP schrumpft heuer um 3-3,5 %. Die politische Instabilität behindert auch die Tourismus- und Freizeitwirtschaft, die etwa 16 % des BIP stellt.

"Der 'alte Tsunami', der vor 5 Jahren war, ist kein Thema mehr - der Thailänder ist viel mehr mit der politischen Situation beschäftigt", erklärte Gressel. Es gebe immer wieder einmal politische Demonstrationen, doch für Touristen sei das Land ruhig. Seit Jänner ist die Regierung mit Demokraten und Koalitionspartnern an der Macht. Die Flughafensperre vor einem Jahr wurde aufgehoben, nachdem der OGH die alte Regierung abgesetzt hatte.

Die Zahl der Ankünfte aus Österreich in Thailand sank 2008 den Angaben des dortigen Tourismusministeriums zufolge um 1,02 % auf 80.561 Reisende. Heuer zwischen Jänner und Oktober habe sich die Zahl gegenüber der Vorjahresperiode um 1,1 % auf 65.284 erholt.

Tsunami bald vergessen

"Nach 1,5 Jahren war der Tsunami vergessen. SARS und die politischen Unruhen 2008 haben sich viel negativer auf unser Geschäft ausgewirkt", sagte Christian Bruckmüller, Geschäftsführer von Jumbo Touristik, dem größten Südostasien-Anbieter Österreichs. Jumbo Touristik bringt jedes Jahr bis zu 10.000 Österreicher nach Thailand, 800 davon allein zu Weihnachten.

2008 sei eines der schwächsten der vergangenen Jahre gewesen, heuer laufe es aber wieder "sehr gut". Seit der Flutkatastrophe 2004 seien die Buchungen nach Thailand kontinuierlich gestiegen, was Bruckmüller auf "das gute Preis-Leistungs-Verhältnis, die wunderschöne Landschaft und einen hohen Anteil an Stammkunden" zurückführt.

Mit dem Jumbo-Mitbewerber Tai Pan Touristik fliegen jedes Jahr 5.000 österreichische Touristen nach Thailand. 2008 hat der Asien-Spezialist krisenbedingt 15 % beim Umsatz und bei den Passagiere verloren. Heuer gehe es wieder aufwärts, sagte Tai-Pan-Chef Günter Krause.

Der Tsunami hat sich auch bei diesem Anbieter nicht nachhaltig negativ ausgewirkt - im Gegenteil: Thailand-Reisen nehmen ständig zu, so Krause. In den ersten 3 Monaten nach dem Tsunami vom 26. Dezember 2004 sei der Markt kurzfristig zusammengebrochen, dann sei es aber schnell wieder bergauf gegangen. "Bis auf Khao Lak waren alle betroffenen Destinationen innerhalb eines Jahres wieder aufgebaut", sagte Krause.

"Heute redet niemand mehr davon", meinte auch der Obmann des Fachverbands der Reisebüros in der WKÖ, Edward Gordon. In Thailand selbst erinnere abgesehen von Gedenkstätten in Khao Lak und Phuket nichts mehr an die Katastrophe. Das südostasiatische Land zähle zu den beliebtesten Fernreisedestinationen der Österreicher, daran habe der Tsunami nichts geändert. "Die Menschen denken nicht daran, im Urlaub von einem weiteren Tsunami heimgesucht zu werden. Das ist auch sehr unwahrscheinlich."

Keine touristische Langzeitwirkung in anderen Ländern

Auch in den anderen betroffenen Gebieten hat die Flutwelle keinen touristischen Schaden hinterlassen. Die Malediven hätten sich in kürzester Zeit wieder gefangen, Sumatra Nord sei sowieso kein Touristengebiet gewesen, auch Burma sei schnell wieder aufgebaut geworden. Einige Buchten der thailändischen Ferieninsel Phuket waren überhaupt nicht betroffen. Einzig in Sri Lanka liegt der Tourismus brach. "Sri Lanka war vor dem Tsunami ein Problemgebiet und ist es jetzt auch noch", sagte Krause.

Grund hierfür sind die ständigen Unruhen, terroristischen Anschläge und Bürgerkriege im Land. Das österreichische Außenministerium hat für Sri Lanka sogar eine partielle Reisewarnung ausgesprochen und warnt ausdrücklich vor Reisen in die nördlichen und östlichen Provinzen. Für den Rest des Landes besteht hohes Sicherheitsrisiko, heißt es auf dem Homepage des Außenministeriums.

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