Sanktionen möglich

Überwachung für Ratingagenturen in EU

02.06.2010

Die EU-Kommission schlägt eine zentrale Überwachung der Ratingagenturen in der Europäischen Union vor, der auch amerikanische Tochtergesellschaften mit Sitz in Europa wie Moody's oder Standard&Poor's unterworfen sein sollen.

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Die Brüsseler Behörde verlangt dabei auch eine Registrierung der Ratingagenturen bei der neuen europäischen Überwachungsstelle ESMA (European Securities and Markets Authority). Bei Verstößen sind Sanktionen vorgesehen, die bis zu 20 Prozent des Jahresumsatzes einer Ratingagentur-Tochter betragen können.

Letzter Anstoß für Reform

EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso erklärte dazu am Mittwoch in Brüssel, es sei der letzte Anstoß für die Reform der Finanzdienstleister gegeben worden. Dies sei Teil der umfassenden Agenda für eine Stabilisierung, Konsolidierung und Wiedererrichtung eines nachhaltigen Wachstums der europäischen Wirtschaft. Binnenmarkt-Kommissar Michel Barnier betonte, die Regelungen für Ratingagenturen würden eine bessere Überwachung und eine verstärkte Transparenz in diesem wichtigen Sektor bedeuten. Es handle sich aber nur um einen ersten Schritt. Was die Vorschläge zur besseren Unternehmensführung (Corporate Governance) betrifft, sagte Barnier, wenn wir künftige Krisen vermeiden wollen, müssen sich die Finanzinstitute selber ändern.

Die EU-Kommission will auch die Unternehmensführung bei Banken reformieren. Die Mandate von Aufsichtsräten soll dabei auf drei begrenzt werden. Wer im Aufsichtsrat zu vieler Banken sitze, habe nicht die notwendige Zeit, Risiken zu erkennen.

Zu den Ratingagenturen erklärt die Kommission, im Fall von besonders schweren Verstößen sei auch eine Aberkennung der Lizenz möglich. Es gebe im Verordnungsvorschlag der Kommission eine ganze Liste von möglichen Verstößen - beispielsweise wenn Ratingagenturen gewisse Daten nicht offenlegen oder keine interne Kontrollstelle eingerichtet wurde, oder wenn Konsultationsdienste für geprüfte Unternehmen angeboten werden. Eine Streichung der Lizenz hieße im Fall von Moody's etwa, dass bei einem Verstoß in Madrid nur in Spanien der US-Tochter die Genehmigung entzogen würde, nicht aber in anderen Staaten.

Verbesserte Transparenz

Wichtig ist es der Kommission auch, dass mit einer zentralen Überwachung auf europäischer Ebene und einer verbesserten Transparenz auch der Wettbewerb unter den Ratingagenturen gefördert wird und alle Agenturen denselben Zugang zu Informationen haben. Dies führe auch zu einem verbesserten Investorenschutz. Derzeit gibt es nach Schätzungen rund 45 Ratingagenturen in der EU. Eine Registrierung von Ratingagenturen oder eine Überwachung auf nationaler Ebene sei heute nicht vorgesehen. Aufgrund des herrschenden Systems würde eine Anmeldung ein halbes Jahr dauern, mit dem neuen System sei dies in weniger als der Hälfte der Zeit möglich.

Mit der einheitlichen Anwendung der Vorschriften in Europa und den kürzeren Umsetzungsfristen sei auch ein erheblicher Effizienzgewinn verbunden, wird von der Kommission betont. Was die nationalen Zuständigkeiten betrifft, gebe es die Möglichkeit der dortigen Aufsichtsbehörden, zu prüfen, ob die Ratings der Finanzinstitute auch der Verordnung entsprechen. Außerdem könnten die nationalen Behörden die ESMA auffordern, im Verdachtsfall zu prüfen und spezielle Maßnahmen zu ergreifen. Die ESMA könne ferner eine Zusammenarbeit der nationalen Aufsichtsbehörden verlangen.

Nachhaltiger Weg wird eingeschlagen

Beim Kommissionsvorschlag zur Corporate Governance in Finanzinstituten geht es darum, dass künftig ein nachhaltigerer Weg eingeschlagen wird, um das Insolvenzrisiko deutlich zu reduzieren. Dabei setzt die Kommission auf eine öffentliche Konsultation für ein "Grünbuch", das bis 1. September 2010 läuft. Zu den empfohlenen Maßnahmen zählt die Einrichtung eines Risikoausschusses. Derzeit gebe es zwar schon einen Prüfungsausschuss, doch beziehe sich der eher auf die Vergangenheit, während ein Risikoausschuss in die Zukunft blicken soll.

Die Kommission stellt auch zur Debatte, ob die rechtliche Haftung für Führungskräfte von Banken ausgedehnt werden soll. Als heikles Thema wird der Bereich der Aktionäre eingestuft, da Investoren dazu neigen, mit kurzfristigen Konzepten raschen Profit zu machen. Hier sollte ausgelotet werden, wie Investoren ermuntert werden können, mehr Interesse für das Unternehmen, an dem sie beteiligt sind, aufzubringen. Die Kommission betont, sie wolle den Banken jedenfalls nicht vorgeben, wie man ein Finanzinstitut zu leiten habe. Aber es müsse einen sicheren Regelungsrahmen geben, damit es nicht wieder zu Exzessen komme.

Moody's fühlt sich zu Unrecht an den Pranger gestellt

Moody's sieht die Ratingagenturen wegen ihrer Rolle in der Finanzkrise zu Unrecht an den Pranger gestellt. Die Gewalt der Geschehnisse sei für die meisten unvorstellbar gewesen, verteidigte sich Firmenchef Raymond McDaniel am Mittwoch in einem vorbereiteten Statement. Er tritt am Mittwoch in New York vor den Untersuchungsausschuss des US-Kongresses zur Finanzkrise. Auch Moody's-Großaktionär und Investorenlegende Warren Buffett stellt sich den Fragen der Abgeordneten.

Die drei großen Ratingagenturen Moody's, Standard & Poor's sowie Fitch hatten Hypothekenpapiere reihenweise mit Bestnoten bewertet. Beim Zusammenbruch des US-Häusermarktes wurden die Wertpapiere dann quasi über Nacht nahezu wertlos. Anleger verloren viel Geld, das Vertrauen der Finanzfirmen untereinander schwand, der Grundstein für die Wirtschaftskrise war gelegt. "Warum hat Moody's so falsch gelegen?" fragte der Ausschussvorsitzende Phil Angelides zu Beginn der Anhörung.

McDaniel räumte zwar Fehler ein, spielte aber gleichzeitig die Bedeutung der Ratingagenturen herunter. Märkte funktionierten auch ohne sie, sagte er. Oft sei das Rating auch nicht der entscheidende Faktor für eine Investitionsentscheidung. "Kreditratings sind keine Empfehlung für eine Investition", unterstrich McDaniel. Die Bewertungen seien nur Hilfsmittel. Eine eigenständige Analyse sei für eine Geldanlage unersetzlich.

Der sorglose Umgang mit den Bestnoten hatte den Ratingagenturen viel Kritik eingebracht, manche Politiker stellen sogar das komplette Geschäftsmodell infrage. Denn momentan zahlt der Herausgeber eines Wertpapiers für das Rating. Das öffne der Einflussnahme Tür und Tor, sagen Kritiker. McDaniel sieht aber keine Alternative. "Investoren können genauso motiviert sein, Ratings zu beeinflussen."

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