Sorge um Standort

Swarovski-Kündigungen: „Viele, die bleiben, verlieren ihre Schwerarbeiterpension“

08.11.2025

Werkschef will Wattens verschlankt weiterführen, Betriebsrat spricht von „Frechheit“ und die China-Krise kostet viele Jobs.  

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© APA/HELMUT FOHRINGER
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Wattens. Der Kristallkonzern Swarovski baut an seinem Hauptsitz Wattens in Tirol rund 400 Arbeitsplätze ab. Dies soll durch Kündigungen, freiwillige Abgänge sowie Pensionierungen bis Ende 2026 geschehen. Aktuell arbeiten rund 2.200 Arbeiter und Angestellte im Kernbereich Kristallsparte, im Verhältnis 1:1, wie Betriebsratschef Patrick Hamberger gegenüber oe24 sagt: „Das ist keine gesunde Struktur, auch das Management muss den Gürtel enger schnallen.“ Neben dem höchsten Swarovski-Boss Alexis Nasard, der gesamten Verwaltung und IT arbeiten auch „kleinere Abteilungsleiter“ in Wattens mit Sekretärin und Stellvertreter.

„Paket der Frechheit“ vs „Wattens bleibt“

Zusammen mit den Kristallwelten und anderen Firmenteilen gibt es aktuell 2.900 Mitarbeiter in Wattens. 2007 arbeiteten noch rund 6.700 Mitarbeiter vor Ort. Etwa 5.000 davon waren Arbeiter: „Man sieht, wen die Kündigungen vor allem treffen“, sagt Hamberger. Viele würden nach der Ankündigung des Managements von einem PDF, einem „Paket der Frechheit“, sprechen. Bis auf die Glashütte sollen alle Nachtschichten wegfallen.

Das bedeutet laut Arbeiter-Betriebsratschef, dass mehr als hundert Arbeiter keine Schwerarbeiterpension mehr bekommen würden. Es braucht in den letzten 20 Arbeitsjahren zehn Schwerarbeits-Jahre für die Pensionierung nach 45 Arbeitsjahren ohne große Abschläge. Ohne Nachtschicht falle diese Schwerarbeitsregelung für viele weg, selbst wenn sie bisher stets im Schichtdienst waren. Außerdem wird ab Jänner der Werksverkehr eingestellt: „Für alle ohne Auto ist das schlecht. Sie können dann nicht um 5 Uhr zur Frühschicht.“ Es sei diesmal ein Umbau, nicht nur ein Abbau, poltert Hamberger.

Sozialplan, Abfindung von bis zu sieben Monatsgehältern

Wie viele Kündigungen schlussendlich ausgesprochen werden, sei indes noch nicht klar, sagte Jerome Dandrieux, General Manager in Wattens. Dies hänge davon ab, wie viele Mitarbeitende freiwillig das Unternehmen verlassen würden. Dies soll bis Mitte Dezember klar sein. Anfang Jänner werden schließlich die Kündigungen erfolgen, Pensionierungen werden bei den insgesamt 400 Betroffenen ebenfalls berücksichtigt. Das Unternehmen habe mit dem Betriebsrat einen Sozialplan ausgearbeitet, der pro Betroffenem zwei bis sieben Monatsgehälter sowie jeweils 11.000 Euro für eine Arbeitsstiftung vorsehe.

Wattens in "paradoxer Situation"

Bei Swarovski herrsche aktuell eine "paradoxe Situation" vor, versuchte Dandrieux, der auch Chief HR Officer bei dem Unternehmen ist, zu erklären. Der Konzern weise dank des gut laufenden Schmuckgeschäfts zwar "robuste Zahlen" auf, aber in Wattens werde vorwiegend für Geschäftskunden produziert. Dabei sei man abhängig von äußeren Umständen: "Wir haben keine gute Perspektive in China und in der Luxusindustrie", sagte er. Auch die Autoindustrie, für die Swarovski zunehmend Aufträge erfülle, sei in einer schwierigen Situation.
Auch führte der Manager hierzulande geltende Rahmenbedingungen ins Treffen: "In Österreich zu produzieren ist schwierig." Hohe Lohn-, Energie- und Rohstoffkosten müssten vom Unternehmen getragen werden. Dazu kommen die globalen Umstände inklusive der "unvorhersehbaren Zollpolitik der USA".

Dandrieux: "Wir glauben an Wattens"

Jetzt sei die "Auslastung" in Wattens nach unten gegangen und "Anpassungen" seien daher nötig. Neben dem Stellenabbau wurde allen Mitarbeitenden eine Arbeitszeitreduktion von zehn Prozent vorgeschlagen, zudem wird der Drei-Schicht-Betrieb auf zwei Schichten reduziert. Die Nachtschicht, die laut Dandrieux "Millionen" kostet, falle weg. Gleichzeitig gab er jedoch ein Bekenntnis für den Standort ab: "Wir glauben an Wattens." Dennoch: "Wenn wir jetzt nichts machen, werden wir in einem Jahr schwierigere Entscheidungen treffen müssen."

Bis 2030 sind Investitionen in Höhe von 150 Mio. Euro geplant. Ob auch Liegenschaften am Firmengelände verkauft werden sollen, war indes noch nicht entschieden, wie der Manager sagte.

Währenddessen läuft die Produktion in der "verlängerten Werkbank" in Serbien für Swarovski. Nur noch die wichtigsten Arbeiten würden in Wattens ausgeführt, nämlich die Arbeit direkt am Kristall, das Schmelzen, Schleifen, Veredeln. Die Arbeit in der Glashütte, die weiterhin rund um die Uhr läuft. Klebearbeiten und anderes findet längst im Ausland statt. Auch in Thailand oder Indien wird produziert. 

Kündigungen in Wattens

Im Jahr 2020 waren 1.200 Beschäftigte von Kündigungen betroffen, 600 weitere Mitarbeiter wurden allein zwischen Jänner 2023 und Oktober 2025 gekündigt. Seit 2007 sind mehr als 4.000 Arbeitsplätze in Wattens weggefallen.

Doch nicht nur wegen des Stellenabbaus war der Kristallkonzern in die Schlagzeilen geraten. Auch die Konzernführung und die wirtschaftliche Situation - nicht zuletzt aufgrund der Coronakrise - waren im Fokus. Ein teils vor Gerichten und in den Medien ausgetragener Streit war indes im heurigen Sommer für beendet erklärt worden. Die Gesellschafter einigten sich einstimmig auf die Schaffung eines "integrierten Kristallkonzerns".

Die neue DSW Kristall AG & Co KG ist eine 100-Prozent-Tochter der Schweizer Swarovski International Holding (SIH). Der Wattener Betrieb und damit alle Mitarbeitenden wurden in den neuen Konzern eingebracht.

Heute beschäftigt Swarovski weltweit mehr als 18.000 Menschen. Betreibt über 2.500 Geschäfte in mehr als 150 Ländern. 

Die Unternehmenszahlen hatten sich wieder etwas verbessert: Der Umsatz im Geschäftsjahr 2024 stieg gegenüber dem Jahr davor von 1,8 auf 1,9 Mrd. Euro. Erstmals seit fünf Jahren ist der operative Gewinn wieder vollständig positiv gewesen.
  

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