Nach Razzia

Bundesbeschaffungsgesellschaft stoppt Bestellung bei Hygiene Austria

03.03.2021

Wie auf der Website bereits zu sehen ist, wird die weitere Masken-Lieferung durch die Hygiene Austria derzeit geprüft

Zur Vollversion des Artikels
© Hygiene Austria
Zur Vollversion des Artikels
Nach den Durchsuchungen beim Schutzmasken-Hersteller Hygiene Austria wegen des Verdachts, dass in China produzierte Masken falsch etikettiert und als österreichische Produkte verkauft wurden, gehen die Abnehmer der Masken nun der Frage nach, ob auch sie betroffen sein könnten und ein Rückruf notwendig ist. Eine politische Dimension hat die Causa durch die Tatsache, dass der Geschäftsführer der Firma ein Verwandter der Büroleiterin von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist.
 
Ein Sprecher der Hygiene Austria - das Unternehmen ist ein Joint Venture des oberösterreichischen Faserherstellers Lenzing mit dem Textilkonzern Palmers - hatte die Razzien an zwei Standorten am Dienstag bestätigt. Laut Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) geht es um den Verdacht der organisierten Schwarzarbeit sowie schweren gewerbsmäßigen Betrugs.
 
Hygiene Austria weist die erhobenen Vorwürfe als "haltlos" auf das Schärfste zurück und kooperiert eigenen Angaben zufolge eng mit den Behörden, um zur Aufklärung beizutragen. Es sei bedauerlich hier "in tagespolitische Auseinandersetzungen hineingezogen zu werden", so das Management. 
 
Vertreter von SPÖ und FPÖ haben heute darauf hingewiesen, dass die im Ausland produzierten und mutmaßlich umetikettierten Produkte auch vom Parlament zur Verfügung gestellt werden.
 

BBG legt Vertrag mit Hygiene Austria auf Eis

Für wen und in welcher Stückzahl die Bundesbeschaffungsagentur BBG außerdem noch Masken der Hygiene Austria gekauft hat, lässt sich zunächst nicht vollständig klären - die BBG hat nach eigenen Angaben gestern aus den Medien von den Hausdurchsuchungen erfahren, wie es heute auf Anfrage der APA hieß.

 
Mittlerweile hat die BBG auf die Hausdurchsuchungen bei Hygiene Austria reagiert und das Unternehmen als Auftragnehmer "inaktiv" gestellt - das bedeutet, dass bis auf Weiteres keine Bestellungen bzw. Abrufe von Schutzmasken bei der Hygiene Austria über die BBG möglich sind. Hygiene Austria sei nur einer von mehr als 30 Auftragnehmern im Bereich FFP2-Schutzmasken.
 
 
 
Die BBG hatte die Hygiene Austria LP GmbH eigenen Angaben zufolge bereits Dienstagabend zu einer Stellungnahme aufgefordert. Darüber hinaus habe man auch bereits am 2. März schriftlich bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) um nähere Informationen zur vergaberechtlichen Bewertung der Sachlage angefragt.
 
Wie viele Masken die BBG bei dem Unternehmen in Auftrag gegeben hat und für welche Behörden oder staatsnahe Betriebe sie bestimmt waren, wollte die BBG auf Anfrage nicht verraten. Laut EU-weiter Ausschreibung (https://opentender.eu/at/search/tender) hat es für den 420 Mio. Euro schweren Auftrag 50 Bieter gegeben.
 
Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) haben von der Hygiene Austria 576.000 FFP2-Masken mit CE-Zertifikat über die Bundesbeschaffungsagentur aus einem Rahmenvertrag abgerufen, wie ein ÖBB-Sprecher am Mittwoch zur APA sagte. Nun wolle man die Ermittlungen der WKStA abwarten.
 

Masken von Hygiene Austria im Einzelhandel

In besonders hohen Stückzahlen wurden Schutzmasken vom Einzelhandel in Umlauf gebracht. "Wir haben die Berichte mit Sorge zur Kenntnis genommen, weil wir viele dieser Masken bewusst eingekauft haben", erklärte Spar-Sprecherin Nicole Berkmann auf Anfrage der APA. Man habe dazu bereits Gespräche "auf hoher Ebene" geführt. Die von Spar an seine Kunden abgegebenen Masken seien sicher, betonte die Sprecherin. "Wir haben die 100-prozentige Rückverfolgbarkeit, dass die von uns gekauften Masken auf jeden Fall in Österreich am Standort in Wiener Neudorf hergestellt worden sind." Auch die Rohware stamme aus Österreich, "und es liegen uns auch für unsere Masken Prüfgutachten vor, dass es sich wirklich um FFP2-Masken-Qualität handelt". Daher werde man die Masken wie bisher an Mitarbeiter und Kunden abgeben.

 
Auch der Rewe-Konzern (Billa, Merkur, Bipa, Penny) hat mehrere Millionen Masken von Hygiene Austria bezogen. "Wir prüfen das derzeit intern und sind in Kontakt mit Hygiene Austria", sagte Rewe-Sprecher Paul Pöttschacher. Momentan seien die Masken weiter im Verkauf, man prüfe die Qualität aber intern via Qualitätsmanagement. Rewe hat Masken auch vom steirischen Produzenten Aventrium, aber auch aus China bezogen.
 
Der Diskonter Hofer hat ebenfalls Masken von Hygiene Austria bezogen. "Diese mit österreichischer Herkunft deklarierten FFP2-Masken werden seit 26.01.2021 in unseren Filialen verkauft. Da es sich bei der gegenständlichen Untersuchung um einen Verdachtsfall handelt, werden wir die weiteren Entwicklungen beobachten", erklärte eine Sprecherin auf Anfrage der APA. Der Mitbewerber Lidl Österreich hat nach eigenen Angaben keine Masken von Hygiene Austria bezogen.
 
In der Causa um die vermutete Umetikettierung von FFP2-Masken führt laut Tageszeitung "Kurier" auch eine Spur nach Liechtenstein. Wie das Blatt am Mittwochnachmittag unter Berufung auf einen "Vermittler für Schutzmasken" berichtete, soll die Rechnung für eine Lieferung von 20 Millionen chinesische Masken an eine Stiftung in Liechtenstein gegangen sein. Die Masken selbst seien an Palmers nach Wiener Neudorf geliefert worden, schilderte die Person der Zeitung zufolge. Es sei ein "merkwürdiges Geschäft" gewesen. Schlussendlich habe die Ware in die Ukraine gehen sollen, aber nicht direkt dorthin geliefert werden - das alles sei mehr als unüblich gewesen, berichtete der Vermittler der Tageszeitung.
 
   Er selbst soll am Mittwochnachmittag von der Kriminalabteilung Niederösterreich befragt worden sein. Die Masken, die er geliefert hatte, sollen zudem eine Besonderheit aufgewiesen haben: Der chinesische Beipackzettel sei nicht gemeinsam mit den Masken verschweißt gewesen, sondern sei lose im Karton gelegen, so der Mann.
 
Zur Vollversion des Artikels
Weitere Artikel