Cineasten-Highlight
63. Viennale - "Chronology of Water": Erinnerung einer Gebeutelten
17.10.2025Kristen Stewarts Regiedebüt fällt ästhetisch und inhaltlich radikal aus - Selbstfindung der Schriftstellerin Lidia Yuknavitch verfilmt - Am Samstag und 28. Oktober bei der Viennale
Kristen Stewart ist unter die Regisseurinnen gegangen. Für ihr Spielfilmdebüt bringt die längst von "Twilight" emanzipierte US-Amerikanerin die Memoiren "The Chronology of Water" der Schriftstellerin Lidia Yuknavitch auf die große Leinwand. Darin navigiert Lidia (Imogen Poots) durch eine Jugend voller Missbrauch, Alkoholkonsum und Sport, um zur Schriftstellerei zu finden. Stewart ging für ihr Herzensprojekt keine Kompromisse ein. Am Samstag und 28. Oktober bei der Viennale.
Es sind nur für Sekundenbruchteile aufflackernde Bilder, die wie Erinnerungsfetzen in die ersten schwarzen Sekunden des Films brechen. Von diesen zwischengeschnittenen Blitzlichtern folgen im Laufe der knapp über zwei Stunden Dauer noch etliche weitere. Stewart, die auch das Drehbuch mitverantwortete, legt "The Chronology of Water" mehr als losen Erinnerungsstrom einer Gebeutelten denn als kohärente Erzählung an. Aus dem Off flüstert, säuselt und wispert die Erzählerin, während auf körnigem Material bei unruhiger Kameraführung und etlichen Großaufnahmen zu sehen ist, wie sie sich an ihre frühe Kindheit erinnert.
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Unausstehlicher Vater, passive Mutter
Dort taucht ein unausstehlicher, dominanter Vater auf, der später nicht nur sie, sondern Jahre davor bereits ihre ältere Schwester sexuell missbraucht. Die Mutter ist anwesend, lässt die Vergewaltigungen des Vaters jedoch geschehen. Die Schwester haut früh ab. Lidia ist auf sich gestellt und sucht Ablenkung im Schwimmsport, wo sie Höchstleistungen erbringt, ja mit ihrem Team gar Rekorde bricht.
Später taucht sie am College nicht mehr so häufig in den Pool, dafür umso öfter in Alkohol, Drogen und (harten) Sex ab. Ihre Gewohnheit, Gedanken in Notizbüchern festzuhalten, behält sie jedoch bei - auch als sie erste (Liebes-)Beziehungen eingeht, die von Schmerz, Chaos und ihrer traumatischen Vergangenheit geprägt sind.
Vielversprechend, aber etwas bemüht
Für etwas Aufheiterung in dem beklemmenden, sprachlich und sexuell expliziten Erinnerungsgestrüpp einer Autorin sorgt Jim Belushi, der den Schriftsteller Ken Kesey ("Einer flog über das Kuckucksnest") bravourös mimt. Ihm steht Poots mit rohem, intensivem Spiel allerdings in nichts nach. Sie hat nicht unerheblichen Anteil daran, dass Stewart mit "The Chronology of Water" ein vielversprechendes Regiedebüt gelungen ist, das ästhetisch abseits ausgetretener Pfade wandeln will, dabei aber mitunter bemüht wirkt.
"The Chronology of Water" von Kristen Stewart im Rahmen der 63. Viennale am 18. Oktober um 23 Uhr im Stadtkino und am 28. Oktober um 13.30 Uhr in der Urania zu sehen.