Österreichisches Filmjahr

Seidl und Haneke Sieger des Jahres

30.12.2012

Ulrich Seidl und Michael Haneke setzten mit ihren Filmen starke Signale.

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© APA/Roland Schlager/Photo Press Service/www.photopress.at
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Die Rückblicke auf das vergangene Filmjahr lesen sich euphorisch: "Österreichs Filme im Paradies" titelte etwa die Austrian Film Commission (AFC), deren Geschäftsführer Martin Schweighofer die Erfolgsserie als fast schon "unheimlich" bezeichnete. Und auch der Direktor des Österreichischen Filminstituts (ÖFI), Roland Teichmann, spricht gegenüber der APA von einem "besonders guten Jahr". Tatsächlich lesen sich die 547 Festivalteilnahmen von 68 heimischen Produktionen und die Preise für Michael Haneke, Ulrich Seidl und Co. eindrucksvoll. Verbesserungsbedarf auf struktureller Ebene gibt es dennoch.

Große Erhrungen zum Jahresende

Zum Jahresende darf man durchaus die Liebe genießen, die dem österreichischen Filmschaffen international entgegen schlägt. Der britische „Guardian“ reiht etwa gleich zwei österreichische Produktionen unter die bemerkenswertesten des Jahres, in den weltweiten Bestenlisten rangieren die Filme von Haneke ("Amour"), Seidl ("Paradies"-Trilogie), Karl Markovics („Atmen“) und Markus Schleinzer ("Michael") stets im Vorderfeld. Selbst im eigenen Land, mitunter das schwierigste Terrain, verweisen Bundeskanzler Werner Faymann und Kulturministerin Claudia Schmied (beide SPÖ) mittlerweile gerne auf die Festivalerfolge.

Preisregen für österreichische Produktionen

Diese können sich auch sehen lassen - vom Max Ophüls Preis für die Pädophilieanalyse „Michael“ über den Spezialpreis der Jury in Venedig für den zweiten Trilogie-Teil „Paradies: Glaube“ bis hin zu Goldener Palme und vier Europäischen Filmpreisen für das zärtliche Sterbedrama „Amour“ (Liebe). Kürzlich auch für einen Golden Globe nominiert und von der Filmakademie in Hollywood auf die Shortlist der besten Auslandsfilme gereiht, spekuliere man für Letzteren „schon mit dem einen oder anderen Oscar“, wie Teichmann unumwunden zugab.

Voller Erwartungen ins neue Jahr
Es wäre die vierte Oscar-Nominierung für einen österreichischen Regisseur in sechs Jahren und die Chance auf den zweiten Auslands-Oscar nach Stefan Ruzowitzkys „Die Fälscher“. Auf eine solche Quote können die wenigsten europäischen Länder verweisen. Das trifft, von der anderen Seite des Spektrums aus betrachtet, allerdings auch auf den nationalen Marktanteil zu. Da liegt Österreich hinter Portugal und Rumänien auf dem dritten Rang – von unten. Die Österreicher gehen zwar sehr gerne ins Kino, wie die Daten der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle zeigen, aber nicht unbedingt in die eigenen Filme.

Österreichischer Output kann sich sehen lassen

„In den letzten fünf Jahren hatten wir mehr als 11 Millionen Besucher weltweit“, relativiert Teichmann. Der österreichische Kinomarkt gebe nun einmal neben den US-Produktionen nicht allzu viel her. „Gemessen am europäischen Film liegen wir bei über 20 Prozent, das ist in Relation zu unserem Output schon sehr gut.“ Dennoch gelte es natürlich, das internationale Wohlwollen für die heimischen Produktionen auch auf das nationale Publikum zu übertragen. „Natürlich wollen wir immer so viele Besucher wie möglich.“

Der heimische Film im Kino
2012 kam kein österreichischer Film an den heimischen Kinokassen über die kritische Marke von 80.000 Besuchern, die erfolgreichsten Filme waren deutsch-österreichische oder internationale Koproduktionen - wie etwa der Kinderfilm „Yoko“ von Franziska Buch, die Literaturverfilmung „Die Wand“ von Julian Pölsler mit Martina Gedeck, die Bestselleradaption „Die Vermessung der Welt“ von Detlev Buck und Hanekes "Amour". Die Filme erreichten jeweils zwischen 60.000 und 80.000 Besucher, den Seniorenliebesfilm „Anfang 80“ sahen immerhin knapp 50.000 Leute.

Im Vergleich zu Blockbustern eher mager unterwegs
Im Vergleich zu den großen Blockbustern wirken die Verhältnisse aber weiterhin „voll verschoben“: „Ice Age 4" erreichte nur knapp nicht die Millionenschwelle, der Bond-Film „Skyfall“ und der französische Hit „Ziemlich beste Freunde“ kamen auf mehr als 700.000 Besucher, und die US-Komödie „Ted“ sowie das kunterbunte Animationsabenteuer „Madagascar III“ erreichten ebenfalls mehr als 600.000 bzw. knapp 500.000 Zuschauer. Von solchen Zahlen können selbst die österreichischen Aushängeschilder vorerst nur träumen.

Jahres-Resumee aber trotzdem positiv

Nichtsdestotrotz erreichen auch die meisten US-Filme nicht die Zahlen der auffallenden Publikumslieblinge. Bei knapp 400 Kinostarts im Jahr ist der Konkurrenzkampf um die Aufmerksamkeit ein mindestens ebenso erbittert geführter wie jener der vielen größeren und kleineren Produktionsfirmen um die limitierten Herstellungsgelder. Die von Ministerin Schmied angekündigte Aufstockung des Filminstitut-Budgets um 3,5 Millionen auf 20 Millionen Euro ab 2013 soll aber zumindest in diesem Bereich für ein wenig Entspannung sorgen.

Kein negativer Ausblick
„Es gibt keinen Grund für einen negativen Ausblick“, ist sich auch Teichmann sicher. Ein Abreißen des Erfolgslaufs ist nicht in Sicht, mit Filmen in den kommenden Wettbewerben von Sundance und Rotterdam ("Soldate Jeannette" von Daniel Hoesl) und Berlin (Seidls "Paradies: Hoffnung") sowie den bevorstehenden Globe- und Oscar-Galen in Los Angeles winken bereits die nächsten Preise, mit jungen Genrefilmen und Komödien im Talon beweist sich einmal mehr die Vielfalt der Szene, die deutschsprachigen Koproduktionen boomen und die nationalen Rahmenbedingungen wurden - nicht zuletzt durch die Fortführung des FISA-Programms im Wirtschaftsministerium - deutlich verbessert.

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