Klassischer Ohrenschmaus

Cecilia Bartoli veröffentlicht "Mission"

20.09.2012


Neben ihrem neuen Album ist die Opern-Diva eine viel beschäftigte Business-Frau.

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© Decca/Universal/Photo Press Service (www.photopress.at)
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Über zu wenig Beschäftigung kann sich Cecilia Bartoli wahrlich nicht beklagen. Die italienische Mezzosopranistin (46) ist eine der gefragtesten Künstlerinnen ihrer Zunft, Garant für ausverkaufte Konzertsäle und seit diesem Jahr auch höchst erfolgreiche Festivalleiterin. Anlässlich ihrer neuen, am 21. September erscheinenden CD "Mission" (mit Stücken von Agostino Steffani sprach die APA mit der künstlerischen Leiterin der Salzburger Pfingstfestspiele über die Energie des Publikums, ihre Verbindung zur Literatur und die herausfordernde Aufgabe in der Mozartstadt.

Hier das Interview

APA: Sie sind erneut auf Entdeckungsreise gegangen und haben mit Steffani einen beinahe vergessenen Komponisten ausgegraben. Was ist das Besondere an ihm?
Cecilia Bartoli: In seinem Fall kann man fast von einer revolutionären Entdeckung sprechen. Als ich die Blätter aus den Bibliotheken in London und Wien bekam, dachte ich zunächst, dass ein Fehler gemacht wurde und sie mir den jungen Händel geschickt haben. (lacht) Aber es war natürlich Steffani. Durch ihn habe ich realisiert, woher Händel kam. Er ist quasi der Großvater von Händel. Seine Musik hat diese unbeschreibliche Kraft, er ist das Verbindungsglied zwischen Renaissance und Frühbarock. In dieser Periode entwickelte sich die Musik in eine neue Richtung. Als er das realisierte, nutzte er die Harmonien, die Strukturen, und ging dabei auch ein Risiko ein.

APA: Ist es nicht auch ein Risiko, so unbekannte Komponisten dem Publikum vorzustellen?
Bartoli: Nein, es ist eher meine Pflicht. Diese großartige Musik fordert meine Leidenschaft - und auch viel von meiner Geduld. (lacht) Aber gleichzeitig fühle ich diese Verpflichtung, dem Komponisten dieser emotionalen Musik mehr Aufmerksamkeit zuteilwerden zu lassen. So kann ich Steffani wieder zum Leben erwecken. Manchmal ist es ja beinahe beschämend: Auch Händel wurde Ende des 19. Jahrhunderts kaum gespielt und musste erst wieder entdeckt werden. Bei Steffani liegt die Sache insofern etwas anders, als er nicht nur Komponist, sondern auch Diplomat war. Er wusste viele Geheimnisse und musste deshalb wohl auch verschwinden.

APA: Die Geschichte von Steffanis Leben hat Donna Leon zu ihrem neuen Roman "Himmlische Juwelen" inspiriert. Den Anstoß dazu haben Sie gegeben.
Bartoli: Ich kenne sie ja seit vielen Jahren. Wo Händel aufgeführt wird, da ist auch Donna Leon. Und als ich Steffani entdeckte, rief ich sie sofort an: "Donna, dieser Komponist klingt wie der Großvater von Händel!" Worauf sie herzlich gelacht hat. Aber am Ende konnte ich sie überzeugen, auch von seinem mysteriösen Leben. Und so begannen wir uns seine Geschichte auszumalen und Spekulationen anzustellen. Je mehr wir das untersuchten, umso mysteriöser wurde es. Und das hat sie inspiriert. Wenn man so die Welt der Musik mit jener der Literatur verbinden kann - warum nicht? Es ist etwas Neues. Wenn jene, denen die Musik gefällt, dann Donna Leons Buch kaufen, dann ist das doch großartig. Genauso wie umgekehrt. (lacht)

APA: Ihre ersten Pfingstfestspiele in Salzburg waren ein großer Publikumserfolg. Wie sieht Ihre Bilanz aus?
Bartoli: Ich kann es immer noch nicht glauben. Diese Position hatten ja Leute wie Karajan und Muti inne! Als ich 20 war, hatte ich sogar die Gelegenheit, Karajan kennenzulernen und einige Proben mit ihm zu machen. Und nun sein Juwel zu haben, in dieser Position zu sein, noch dazu als Frau - das ist ein großer Schritt. Ich wollte etwas Neues machen und dem Festival ein Motto geben. Dafür braucht man gute Ideen, aber vor allem gute Interpreten. Genau das tat auch Karajan: Er lud fantastische Künstler ein und stellte somit ein sehr exklusives Programm zusammen. Das müssen wir fortführen, es muss exklusiv sein. Auch mit außergewöhnlichen Kollaborationen, die man nur in Salzburg erlebt und die nicht zwei Monate später durch die Welt touren. Darum geht es mir: Exklusiv, aber offen für alle.

APA: Ist der Druck in Salzburg größer als bei anderen Festivals?
Bartoli: Es ist nicht leicht, aber ich hatte ein sehr positives, anregendes Gefühl. Pfingsten war wirklich ein Fest der Stadt, nicht nur musikalisch. Vielleicht spürte das in meinem Enthusiasmus aber auch nur ich. (lacht) Dennoch hatte ich den Eindruck, dass es den Menschen in der Stadt ähnlich ging. Es kamen viele junge Leute, was großartig ist. Wir brauchen das junge Publikum und leider ist das in Salzburg nicht immer der Fall. Der Druck gehört dazu, er gehört zu meinem Leben. Damit muss man umgehen können.

APA: Zu Ihrer langen Liste an Auszeichnungen gesellt sich im November der Herbert von Karajan-Preis. Welche Ehrung war bisher die Schönste?
Bartoli: Das ist eine schwierige Frage. Aber letzten Endes geht es um die Dankbarkeit des Publikums. Die Tatsache, dass mir die Leute die Möglichkeit geben, das weiterzuführen, was ich tue. Ich teile meine Leidenschaft mit ihnen und bekomme sie auch wieder zurück. Den Karajan-Preis zu erhalten - Mamma mia, das ist fantastisch. (lacht) Aber ich würde gerne junge Musiker mit älteren zusammenbringen. Sie könnten so viel von ihnen lernen. Das ist wohl eines meiner künftigen Ziele, die Verbindung zwischen Jung und Alt zu fördern.

 (Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)


 
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