Neuer Wurf

Clemens überSetzt sich selber

19.10.2025

Das Buch zum Film ist ein besonderer Text von Büchner-Preisträger Setz.

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© Max Zerrahn
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Der vielfach ausgezeichnete Autor Clemens J. Setz  (u. a. bekam er den Kleist-Preis 2020, den Büchner-Preis 2021 und den Österreichischen Buchpreis 2023 zugesprochen) hat ein neues Buch geschrieben. 

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Skizzen seines Lebens veröffentlicht

Beschreibungen. "Das Buch zum Film", heißt es, und dreht sich um Clemens J. Setz  höchstselbst. Oder vielmehr bildet es eine frühere Version des Autors schriftlich ab, die laut Erklärung erzählt, wie er der wurde, der er jetzt ist.


Der Text ist also kein Roman, gar nicht vergleichbar mit seinen Werken wie Monde vor der Landung oder dem viel beachteten früheren Wurf Die Frequenzen. Es sind Notizen, tagebuchartige Aufzeichnungen aus den Jahren 2000 bis 2010. Der Einstieg ist ein heftiger: Wir erleben Setz als Zivildiener bei der kaum vorstellbaren Versorgung schwer beeinträchtigter Kinder.

Themen

Auch eine schwierige Beziehung zu einer Frau und zu seinem zu Gewalt neigenden Vater sind Themen, die sich durch das Buch ziehen. Dann beschreibt Setz erste Erfolge als Autor, sehr zaghaftes Voranschreiten in seine Lebensrichtung. Dazwischen immer wieder besondere Skizzen, komische Beobachtungen des Lebens, spürbare Metaphern.

Der Autor hatte beim Aufarbeiten seiner Einträge, wie er im oe24-Gespräch erzählt, Entdeckerfreude und musste genau auswählen, was ins Buch kommt. So blieb nur ein Bruchteil seiner ursprünglichen Aufzeichnungen übrig, aber ein exemplarischer. Uns Leser:innen hat er ein großes Geschenk gemacht. Er lässt uns einen Blick auf eine Version seines Selbst werfen, den andere wahrscheinlich verbergen würden. 

Setz: „Alles begrenzt, eitel & empfindlich“ 

oe24: Lieber Herr Setz, „Das Buch zum Film“ ist kein Roman, es handelt sich um intime Aufzeichnungen, die sich über einen Zeitraum von rund zehn Jahren erstrecken. Was erwartet Leser:innen?
Setz: Ich habe aus meinen sehr umfangreichen Aufzeichnungen nur einige wenige Sätze und Absätze ausgewählt, also meist wirklich bloß einen Satz aus einer eng beschriebenen Heftseite. Wann immer ich den Eindruck hatte, ah, der Satz drückt die damalige Situation irgendwie ehrlich aus, dann hab ich ihn herauskopiert. Sozusagen „Erasure Art“, ein dickes Heft nehmen und 95 % des Textes durchstreichen, sodass nur noch so kleine leuchtende Einzelstellen übrig bleiben.


oe24: Was hat das mit Ihnen gemacht, Ihre Notizen wieder und so genau, weil Sie vermutlich selektiert haben, zu lesen? Hat Unbehagen oder Entdeckerfreude überwogen?
Setz: Schon eindeutig mehr Entdeckerfreude, sonst hätte ich in dem Projekt gar keinen Sinn gesehen.


oe24: Ihr Text ist sehr persönlich, wenn es zum Beispiel um Ihre von Gewaltausbrüchen überschattete Beziehung zum Vater geht oder um Ihre Beziehung zu einer Frau mit Angststörungen. Warum teilen Sie das?
Setz : Ich sah keinen Grund, nicht von meiner eigenen Erfahrung zu erzählen. Es ist aber alles meine Perspektive, extrem begrenzt, extrem eitel und empfindlich, und nicht selten unfair und projizierend. Manche meiner damaligen Ansichten sind wahrscheinlich sogar ziemlich monströs, aber für die Erzählung (oder die Komödie) genau dieser Monstrosität ist ja das Tagebuch die ideale Form.


oe24: Sie erwähnen in der Einleitung, dass Sie das Projekt kurz vor der Geburt Ihrer Tochter begonnen haben. Wie beeinflusst/verändert das Vatersein Ihre Arbeit?
Setz : Ich nehme an, ich wollte mir damals wohl irgendwie signalisieren, dass hier ein intakter Mensch auf die baldige Ankunft seines Kindes wartet, dass ich meine Vergangenheit in gewisser Weise als Ganzes vor mir sehe, in abgeschlossener, bewältigt-verarbeiteter Form, oder so etwas in der Art. 

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