Historischer Roman

Baumgartner: Mythos Schwiegermonster

21.09.2025

Autorin Michaela Baumgartner widmet sich einer besonderen Figur.

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© Kremaier Fotografie
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Wohlfühl-Historie könnte das Genre betitelt werden, dass Autorin Michaela Baumgartner mit ihrem neuen Wurf: "Sophie - Die Kaisermacherin" bedient. Vielleicht ist das auch eine kleine Verunglimpfung, die Autorin ist schließlich promovierte Historikerin und schreibt schon seit vielen Jahren Romane mit geschichtlichem Bezug.

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Sophie deconstructed

In diesem Roman ist Baumgartner etwas gelungen: Die Figur der Sophie kennen wir als gestrenge Mutter von Franz Joseph, als bissgurrige, arrogante und sehr ehrgeizige Person, die nur Macht im Kopf hatte und Gefühle nicht zuließ. Einbetoniert wurde diese Ansicht durch die legendäre, unterkühlte Darstellung von Schauspiel-Legende Vilma Degischer in der Sissi-Trilogie von Ernst Marischka. 

 

Doch das ist, wenn überhaupt, nur ein kleiner Teil dieser Frau gewesen, wie die Autorin eindrücklich zeigt. Michaela Baumgartner stieß während ihrer Recherche zum Buch auf eine Frau, die vielschichtig und anders war, als das vorherrschende Bild von ihr. Von ihrer Geburt, über die Annäherung an ihren späteren Gemahl bis hin zu reiferen Tagen lernen wir eine Frau kennen, die mit dem „Zerrbild der bösen Schwiegermutter“, wie Baumgartner es im Interview nennt (siehe Kasten rechts) wenig zu tun hat. Denn, Spoiler: Frauen sind keine Stereotypen, die sich so einfach in Hexe, Zicke und böse Schwiegermutter einteilen lassen. Das genaue Hinsehen, oder hier: Erlesen, zahlt sich aus, denn insgesamt ist dieser Roman eine anspruchsvolle Wohlfühllektüre.

 

Michaela Baumgartner im oe24-Buchtalk

ÖSTERREICH: Liebe Frau Baumgartner, Sie haben sich mit Erzherzogin Sophie einer historischen Figur angenommen, die immer wieder (fiktional) auch in ein bestimmtes Eck gedrängt wurde. Stichwort böse Schwiegermutter, fast wie aus einem Märchen. Was war der Reiz für Sie, etwas über diese Frau zu schreiben?

BAUMGARTNER: Wenn über jemanden ausschließlich Positives oder ausschließlich Negatives gesprochen wird, werde ich immer skeptisch – und neugierig. So war es auch mit Sophie. Ich bin ja sozusagen mit Ernst Marischkas Sissi-Trilogie groß geworden. Vilma Degischer hat darin die Rolle der Erzherzogin so überzeugend verkörpert, dass sie für Generationen zum Zerrbild der bösen Schwiegermutter wurde. Da ich mich in meinen ersten drei Romanen intensiv mit dem 19. Jahrhundert beschäftigt habe und immer wieder über Sophie gestolpert bin, hab ich genauer hingeschaut. Und war über das, was ich erfahren habe, so überrascht, dass ein Roman daraus geworden ist.

ÖSTERREICH: Schon zu Beginn Ihres Buches wird anhand einer sehr amüsanten Szene deutlich, wie schwer es Frauen hatten, die nicht der Norm entsprachen, z. B. resoluter auftraten als andere. Hat sich das bis heute überhaupt geändert?

BAUMGARTNER: Leider nicht wirklich. Zumindest in vielen Bereichen. Allerdings sehe ich in der Generation meiner Tochter, dass sich immer mehr Cluster bilden, Inseln, die sich verbinden, in denen Frauen wertgeschätzt werden, so wie sie sind. Das stimmt mich sehr hoffnungsvoll. Und dankbar. Weil jede Generation der nächsten ein Stück weit den Weg bereitet.

ÖSTERREICH: Müssen wir heutzutage einen anderen Blick auf Frauenfiguren werfen, die viele Jahre lang in Klischees gepresst und immer gleich erzählt wurden?

BAUMGARTNER: Unbedingt. Hartnäckig tradierte Erzählungen müssen immer hinterfragt werden. Cui bono – wem nützen sie? Viele Geschichten müssen neu erzählt werden, damit wir ausbrechen können aus den Klischees, die uns vormachen, dass, was immer so war, immer so sein wird. Eine Frau wie Erzherzogin Sophie in ihrer Vielschichtigkeit darzustellen, ein neues, differenzierteres Bild von ihr zu zeichnen, ist mir im Lauf der Arbeit an dieser Romanbiografie zum Herzensanliegen geworden. 

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