Jazz Fest Wien

Rufus Wainright und große Stimmen

07.07.2012

 Musiker bezirzte sein Publikum in der Staatsoper mit sympathischer Nonchalance.

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© Jazz Fest Wien, Harald Hoffmann
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Wo soll man anfangen zu erzählen bei einem so vielseitigen Künstler wie Rufus Wainwright: Der Spross einer US-kanadischen Musikerdynastie gefällt sich als bunter Paradiesvogel des Pop, einen Fuß fest in der großen Geste verankert, um gleichzeitig Legenden des Showbiz zu zitieren. Dass er 2009 seine erste Oper "Prima Donna" vorlegte, ist nur ein Grund dafür, dass sein gestriger Auftritt in der Staatsoper beim Jazz Fest Wien keineswegs deplatziert wirkte. Zwei Stunden lang gab es einfühlsame Stücke, sympathische Nonchalance und vor allem große Stimmen zu erleben.

Wobei der 38-Jährige, der live von einer siebenköpfigen Band unterstützt wurde, den Beginn sehr melancholisch gestaltete. Nur von einem guten Dutzend Kerzen erhellt, erklang im abgedunkelten Saal "Candles", jenes Stück seiner aktuellen Platte "Out Of The Game", mit dem er sich vor seiner 2010 verstobenen Mutter, der Folksängerin Kate McGarrigle, verneigte. Und auch im Folgenden sollten die Familienbande, egal ob im direkten oder erweiterten Kreis, noch öfters eine Rolle spielen. Dem Vater Loudon Wainwright III begegnete man ebenso ("One Man Guy") wie Judy Garland ("The Man That Got Away"), der Wainright 2006 mittels zweier Konzerte in der Carnegie Hall nachspürte.

Dazwischen lag der Fokus auf den neuen Stücken, die von einer enormen Leichtigkeit geprägt waren - egal, ob bei "Barbara" mit irrlichternden Keyboards versehen, bei "Jericho" dem Geist von Schubert nachspürend (nachdem ihm vor einigen Jahren in Wien der Geist von Mozart erschienen ist, wie Wainwright schmunzelte) oder dem Albumhighlight "Montauk", das live auf Übergröße anwuchs. Für sein österreichisches Publikum hatte er mit "Perfect Man" auch einen Song, "mit dem ihr Spass haben werdet", meinte er augenzwinkernd angesichts der Sisi-Referenz im Stück. Anbiederung war allerdings nicht notwendig, die gut gefüllte Staatsoper war auch so hin und weg vom verspielten Musiker im extravaganten Outfit.

"Ich habe schon öfters Opern hier gesehen, aber ganz auf die Bühne geschafft habe ich es auch heute nicht", witzelte Wainwright schließlich angesichts des Podiums über dem Orchestergraben. Dafür testete er gegen Ende die Akustik des Saals, ließ die Mikrofone abdrehen und gab das Gainsbourg Stück "Je suis venu te dire que je m'en vais" zum Besten, wobei die Textunsicherheit mit einem lässigen Schulterzucken überspielt wurde. Die Stimmen standen auch bei "I Don't Know" und "Saratoga Summer Song" im Zentrum, packend von Backgroundsängerin Krystle Warren sowie Gitarrist Teddy Thompson intoniert, beides Stücke von McGarrigle.

Kleine Fehler verzieh man Wainwright indes gerne, vielmehr trauerte man jedem doch nicht in der Setlist platzfindendem Stück nach, das nicht das Licht des Abends erblicken sollte. Spätestens nach dem energischen, das reguläre Set beschließenden "Bitter Tears" gab es aber kein Halten mehr, sollten mit Leonard Cohens "Hallelujah" und dem wunderschönen "Cigarettes and Chocolate Milk" noch zwei Höhepunkte folgen, bevor ein demütiger Sänger mit dem erneut A-Kapella vorgetragenen "The Little Irish Girl" sich für die Standing Ovations bedankte. Ein Konzert, geprägt von mitreißenden Stimmen, der Liebe zur Familie und dem Gespür für große Harmonien. Und die Frage, ob Pop in einer Oper bei einem Jazzfestival funktioniert, muss man sich künftig nicht mehr stellen.

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