Künstlerin im Talk
Brigitta Nemeth: "Meine größte Inspiration ist die Natur"
08.11.2025Nach einer Karriere als Designerin hat Brigitta Nemeth einen Neustart als Künstlerin gewagt: das Interview.
Als Designerin hatte Brigitta Nemeth eine Karriere, von der viele nur träumen können: Nach dem Studium an der Universität für angewandte Kunst in Wien arbeitete die gebürtige Ungarin als Head of Design des österreichischen Familienunternehmens Blaha Büromöbel. Sie wurde für ihre Entwürfe mit Preisen wie dem Red Dot Award und iF Design Award ausgezeichnet. Doch alle Erfolge konnten eine Sehnsucht nicht stillen – sie wollte malen.
Neustart als Künstlerin
Brigitta Nemeth hängte ihren Job an den Nagel und wagte, nach einer Reise auf die Azoren, die den Wendepunkt in ihrem Leben einläutete, den Sprung in die Selbstständigkeit. Als Mutter von zwei kleinen Kindern war das ein mutiger Schritt, den sie aber keine Sekunde bereut – sie konnte gar nicht anders. Heute vereint sie zwei Welten: die präzise Klarheit des Designs und die intuitive Tiefe der Kunst. Im Interview mit LIVE&STYLE spricht die Künstlerin, deren Werke man über ihre Homepage erwerben kann, über den Bruch in ihrer Karriere, ihre Bilder und ihre größte Inspiration – die Natur.
Sie haben Industriedesign studiert und anschließend Büromöbel entworfen. Warum haben Sie sich dafür entschieden?
Brigitta Nemeth: Ich habe realisiert, wie viel Zeit wir mit dem Beruf verbringen und habe mich immer schon mit der Potenzialentfaltung beschäftigt. Es gibt so viel Potenzial, das wir aus uns herausholen möchten. Die Umgebung kann einen Beitrag dazu leisten, herauszuholen, was in uns steckt. Das mit meiner Arbeit zu schaffen, war meine größte Motivation.
Sie haben in Ihrem Atelier einen runden Tisch stehen? Warum?
Nemeth: Ich wollte einen Tisch, der weich ist, der dynamisch ist. In allem, was ich mache, ist diese weibliche Energie. Sowohl bei den Möbeln als auch bei den Bildern ist alles sehr dynamisch und weiblich. Das wollte ich widerspiegeln.
Sie haben nach der Uni in einem Traumjob als Head of Design bei Blaha Office gestartet. Es gab dann einen Bruch – was hat den ausgelöst?
Nemeth: Einerseits habe ich gespürt, dass ich malen möchte. Dass es in mir ist und ich es herausbringen möchte. Ich bin auf die Azoren gereist und so ist diese Kollektion mit zehn großen Werken entstanden. Ich habe mich noch nie so frei gefühlt wie dort. Ich habe die Kraft, die Kunst gespürt und was das mit uns und mit mir macht. Ich habe gesehen, was es mit einer Person macht, wenn sie diese Bilder betrachtet. Das hat mich unglaublich fasziniert. Dann wurde ich auch Mama. Diese beiden Sachen kamen hintereinander. Mein Leben hat sich durch die Mutterschaft komplett verändert – mit aller Schönheit, allen Tiefen und allen Herausforderungen. Man spürt es, wenn etwas zu Ende geht und etwas Neues beginnt. Das ist passiert.
Was bedeutet die Kunst für Sie?
Nemeth: Wir achten auf unseren Körper. Wir ernähren uns, wir machen Sport, wir schauen, dass er gesund bleibt. Aber wir schauen so wenig auf unsere Seele. Die Kunst in allen Sinnen, nicht nur die gestalterische, sondern auch die darstellende Kunst hat die Kraft, unsere Seele zu nähren.
Wo finden Sie Inspiration für Ihre Arbeit?
Nemeth: Meine größte Inspiration ist die Natur. Wir kommen von der Natur und ich nehme diese Formen, diese Blätter. Sie sind Symbole für meine Erlebnisse, für das, was in mir passiert. Sie sind Darstellungen meiner inneren Transformation. Das Leben ist die größte Inspiration. Die Herausforderungen, die Lösungen, wie ich da hineingehe. Wenn ich etwas rieche, wenn ich etwas schmecke, all das inspiriert mich und ich nehme das auf. Ich versuche es, wie ein Schwamm aufzusaugen und auf der Leinwand wieder hinauszutragen.
Gerade arbeiten Sie mit der Sellerie. Was interessiert Sie an dieser Knolle?
Nemeth: Sie ist ein sehr unterschätztes Gemüse. Sie ist sehr vielseitig, ein unglaublicher Gegensatz. Diesen Gegensatz finde ich spannend. Sie ist so leicht im Geschmack und der Farbgebung, aber auch so tief und erdig. Ich habe in einem Michelin-Restaurant eine Selleriesuppe gegessen. Diese Suppe hat meine Sinne so angeregt, dass ich das Gefühl hatte, ich muss ins Atelier und diesen Impuls heraustragen, ihn mit der Welt teilen.
Was können Sie über diese neue Kollektion sagen?
Nemeth: Sie spricht sehr stark über den Gegensatz, den wir oft haben. Wir lieben und hassen etwas, es ist leicht und schwer zugleich. Auch die Farbwelt ist hell und leicht, aber von der Intensität her tief und dynamisch.
Sie haben als Mutter von zwei Kindern die Sicherheit einer Anstellung aufgegeben. War das ein schwerer Schritt?
Nemeth: Es war unglaublich schwer. Ich habe eine Verantwortung für meine Familie und der will ich gerecht werden. Früher dachte ich, ich kann nicht sein, wer ich bin. Ich dachte, das hält mich zurück. Aber jetzt habe ich begriffen, dass alles, was mich am Anfang zurückgehalten hat, meine größte Inspiration ist. Ich möchte, dass meine Kinder eines Tages auch diese Kraft haben, sich für ihre Träume und Visionen einzusetzen. Ich will ein Vorbild sein. Wenn sie mich sehen, sollen sie sehen, dass sie das auch können. Aber es war nicht einfach. Ich habe Zeit gebraucht und musste viel erleben, um an den Punkt zu kommen, an dem ich den Mut in mir finde, diesen Schritt zu wagen.
Sie verkaufen nicht nur Originale, sondern auch Reproduktionen und machen Ihre Kunst so für alle zugänglich. Warum?
Nemeth: Mir ist wichtig, dass viele von dieser Energie und Kraft schöpfen können, die meine Bilder geben. Ein Original hat eine gewisse Wertigkeit, aber auch einen hohen Preis. Das ist eine Investition und der Wert wird sich steigern. Mir war sehr wichtig, dass die Reproduktionen mit handgefertigten Holzrahmen und einer speziellen Drucktechnik die Qualität und Tiefe haben, die sie auch zeigen. Ich wollte sie aber trotzdem vielen Menschen zugänglich machen. Der Gedanke, dass nur eine einzige Person dieses Bild haben kann, ist einfach nicht in meiner Wertewelt. Ich möchte meine Kunst mit vielen Menschen teilen.
Wie geht es Ihnen, wenn Sie in einen Raum ohne Bilder kommen?
Nemeth: Ich frage mich, wieso. Was ist der Hintergrund? Ein Raum ohne Bilder hat für mich keine Seele. Ihm fehlt der Charakter. Wir möchten uns zeigen, wir möchten unsere Identität zeigen und wenn ein Raum ohne Bilder ist, ist er blank, er hat keine Identität.