Interview

Angela Merkel über ihr Leben nach dem Amt: „Ich vermisse nichts!“

31.05.2025

Über 600.000 verkaufte Exemplare allein im deutschsprachigen Raum: Mit ihren Memoiren „Freiheit“
 landete die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Weltbestseller. Jetzt spricht sie über ihre persönliche neue Freiheit.  

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Wir wollten nicht nur politische Ereignisse runterrattern, sondern es sollten echte Erinnerungen sein, von der Kindheit bis zum Ende des aktiven politischen Lebens“, erklärt Angela Merkel. Sechs Monate nach Erscheinen ihrer Memoiren gab die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin (2005-2021) dem Magazin „Bunte“ eines ihrer seltenen Interviews. Denn abgesehen von der PR-Arbeit für ihr Werk „Freiheit: Erinnerungen 1954-2021“, von dem allein in der ersten Verkaufswoche über 200.000 Exemplare über die Ladentische gingen, hat sich die inzwischen 70-Jährige völlig aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. 

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"Die Taktung ist heute vollkommen anders..." 

Zusammen mit ihrem Ehemann Joachim Sauer (76), der in 27 Ehejahren wohl viel zurückstecken musste, genießt die Vollblutpolitikerin heute ihr Privatleben, wie sie auch im „Bunte“-Interview erzählt: „Die Taktung ist vollkommen anders, mein Leben ist ruhiger, entspannter geworden, damit auch zum Teil tiefgründiger.“ Während ihrer Zeit als Bundeskanzlerin sei freilich kaum Zeit für private Treffen gewesen – erst jetzt könne sie endlich Verabredungen einhalten.

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„Man musste immer damit rechnen, dass etwas passiert“, berichtet Merkel über Freundschaften, die unter ihrem Job zu leiden hatten. „Weil ich auch nicht dauernd alle enttäuschen wollte, habe ich auch angefangen, mich weniger zu verabreden.“ Das sei nun deutlich besser geworden – und darüber sei sie „sehr glücklich“.  

Das Buch als Schlusspunkt ihrer Karriere

Keine Träne scheint die CDU-Polit-Ikone ihrem Amt nachzuweinen: „Wenn ich ehrlich bin, vermisse ich nichts.“ Was freilich auch der Tatsache geschuldet sei, dass sie 16 Jahre lang an der Spitze Deutschlands und schon zuvor viele Jahre in der Politik aktiv gewesen sei. Es scheint, als hätte die einst mächtigste Frau der Welt mit dem Niederschreiben ihrer Memoiren einen Schlusspunkt unter ihre Karriere gesetzt. 

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Viel Freizeit & ein kleines Privatbüro

Kein einfaches Unterfangen wie sie im „Bunte“-Gespräch gesteht: „Das war oft eine richtige Fleißarbeit, die einem ganz schön viel Disziplin abverlangte“, erzählt Merkel über die Arbeit an dem 736 Seiten-Buch, an dem sie mit ihrer langjährigen Büroleiterin und Co-Autorin Beate Baumann zwei Jahre lang werkte. „Wir haben die Fakten gesammelt, die Gliederung vorgenommen, Kapitel konzipiert, dann beide jeweils geschrieben, die Texte ausgetauscht, sie überarbeitet und uns dann hier getroffen und lange über jede Zeile diskutiert.“ 

 Ein kleines Privatbüro in einer Berliner Seitengasse in der Nähe des offiziellen Altkanzlerinnen-Office hat sich Angela Merkel dafür eingerichtet, wo sie auch Journalisten empfängt, so sie sich für ein Interview entscheidet. Das öffentliche Interesse jedenfalls ist immer noch groß an der bis dato einzigen Frau an Deutschlands Spitze – und natürlich daran, was sie über die heute weltpolitische Lage denkt.

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Auf die Frage, ob sie – wie so viele Menschen – Angst vor der Zukunft habe, antwortet Merkel deutlich: „Als Kanzlerin habe ich immer gesagt, Angst ist kein guter Ratgeber. Aber wir müssen uns immer bewusst sein, dass die Demokratie kein Selbstläufer ist.“ Man müsse auch erkennen, dass Europa nicht mehr der Nabel der Welt sei. Motivierender Nachsatz, der auch in eine politische Rede passen würde: „Seien wir neugierig auf diese Welt und lasst uns da, wo unsere Werte infrage gestellt werden, tapfer für sie kämpfen.“ 

"Angst ist kein guter Ratgeber"

Aufhorchen ließ Merkel dann Anfang dieser Woche im Rahmen einer weiteren Lesung ihrer Memoiren, wo sie sich überraschend zur Migrationspolitik der neuen deutschen Regierung äußerte. „Ich glaube nicht, dass wir die illegale Migration an der deutsch-österreichischen oder deutsch-polnischen Grenze abschließend bekämpfen können“, so die Kanzlerin a.D. „Ich habe mich immer für europäische Lösungen eingesetzt.“ Alleingänge einzelner Staaten halte sie für gefährlich. „Weil wir sonst erleben könnten, dass uns Europa kaputt gemacht wird.“ Ein Europa, das Angela Merkel maßgeblich prägte. Aber das ist nun Geschichte.  

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