Heiß, heißer, Systemüberlastung

Die sozio-ökonomischen Auswirkungen extremer Hitzeperioden

13.09.2022

In den kommenden Jahren werden verstärkt extremere Wetter- und Klimaereignisse erwartet. Darunter auch mehr Hitze- und lang anhaltenden Dürreperioden, wie wir sie etwa diesen Sommer im Süden Europas und generell in weiten Teilen der Welt erlebt haben.

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Das geht mit Belastungen für Mensch und Tier und Krisensituationen wie beispielsweise verheerenden Waldbränden, Nahrungsmittel- und Wasserknappheit einher. Doch die extremen Temperaturen können auch vielfältige und bisher zum Teil unterschätze Auswirkungen auf verschiedenste Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft zeitigen - bis hin zur Schädigung ganzer sozio-ökonomischer Systeme. Das geht aus einer rezenten, im Fachjournal "PLOS Climate" veröffentlichten, Studie hervor. Die Autor*innen mahnen zu vernetzterem Denken bei der Risikobewertung.

Zur Studie

Im Rahmen der besagten Studie haben Hauptautorin Laura Niggli von der Universität Zürich und ihre vier Mitautor*innen acht gut dokumentierte Extremereignisse der vergangenen zwei Jahrzehnte in Europa, Afrika und Australien auf Auswirkungen in unterschiedlichen sozio-ökonomischen Sektoren untersucht. Analysiert wurde etwa die extreme Hitzewelle, die im Jahr 2003 in Europa rund 80.000 Tote forderte, sowie ein ähnliches Ereignis in Russland, infolgedessen 2010 über 55.000 Hitzetote verzeichnet wurden.

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Ebenso studiert wurden die lang anhaltende Dürreperiode in Kapstadt 2016 bis 2018, die drastische Auswirkungen auf die Wasserversorgung und folglich auch die Nahrungsmittelproduktion durch Land- und Viehwirtschaft hatte sowie die großen Buschbrände 2019/20 in Australien, die die vernichtendsten in der Geschichte des Landes markieren. Die ökonomischen und ökologischen Folgen der Naturereignisse erwiesen sich in der Studie als durchaus vielseitig: Neben Energie- und Wasserversorgung war auch der Gesundheitsbereich fast immer stark betroffen.

Je höher die Temperatur, desto höher der Strombedarf zur Kühlung

Ein Problem stellt neben den direkten Folgen der hohen Temperaturen die Lücke zwischen Nachfrage und Angebot dar, die durch erhöhten Strombedarf während extremer Hitzeperioden entstehen kann. Hinzu kommt, dass der Energiesektor bereits stark von Hitze- und Dürreextremen beeinträchtigt wird, Effizienzverluste und Einbußen bei der Erzeugung sowie bei der Verteilung von Strom erleidet. Laura Niggli erklärt dazu: "Entscheidend ist, wo die Elektrizität herkommt und wie sie produziert wird. AKW sind aufgrund ihres Bedarfes an Kühlwasser anfällig, der schnell in Konflikt mit der Erhaltung der Flussökologie sowie der Nachfrage in der Landwirtschaft gerät. Wasserkraft, sei es in Form von Laufkraft- oder Speicherkraftwerken, ist anfällig gegenüber lang anhaltender Trockenheit. Hier muss bereits frühzeitig das Management angepasst werden und nicht erst mitten in einer Dürresituation. Es werden hier zunehmend Konflikte ums Wasser offensichtlich, auch in den Alpenregionen unserer Länder", so die Wissenschaftlerin.

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Stromproduktion gerät so in Interessenskonflikte mit etwa der Bewässerung für die Landwirtschaft, der Beschneiung im Winter und mit ökologischen Überlegungen. Wichtig ist bei der Stromerzeugung daher auch die Diversifizierung der Produktion sowie eine sektorübergreifende Planung mit Möglichkeiten flexibler Anpassungen, um Ressourcen intelligent und möglichst wenig verschwenderisch zu nutzen.

Behinderung des Transportwesens droht

Im Transportwesen könnte es infolge der Hitzeereignisse etwa zu Behinderungen kommen. In der Flussschifffahrt aufgrund von Niedrigwasser wie derzeit etwa an der Elbe oder bei Bahn- und Straßentransporten durch Verformungen von Schienen und Schmelzen des Asphalts. Darüber hinaus könnten ebenso Schulschließungen oder Veranstaltungsverbote - wie etwa in Australien - sowie Preissteigerungen in bestimmten Marktsegmenten resultieren. Einzig im Bereich Kommunikation und Internet konnten keine Auswirkungen konstatiert werden.

Die Lage in Österreich

Österreich wird in der Studie nur am Rande explizit thematisiert - etwa was etwaige Engpässe bei Grünfutter, die verminderte Beladbarkeit von Donaufrachtern bei Niedrigwasser oder den vermehrten Befall von durch Trockenheit geschädigte Bäume durch den Borkenkäfer betrifft. Doch verschont wird niemand bleiben, sind sich die Autor*innen sicher. Sie gehen davon aus, dass extreme Hitze- und Dürreereignisse sich in Zukunft mit größerem Tempo und in steigender Intensität auf die betroffenen Sektoren und Güter auswirken werden. Es sei daher unerlässlich auch bisher noch nicht in Betracht gezogene Sektoren, Vermögenswerte und potenzielle Zusammenhänge zu berücksichtigen.

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Integratives Krisenmanagement als Strategie

Niggli erläutert, dass die Resilienz des 'Systems' insgesamt gestärkt werden müsse. Heutiges Krisenmanagement begrenzt sich meist auf einzelne betroffene Bereiche (wie z.B. Hitze, Wassermangel oder Strommangel) und entbehrt dabei eine gesamtheitliche Perspektive durch kombinierte Krisenstäbe aus verschiedenen, miteinander in Wechselwirkung befindlichen, Bereichen. Durch ein integratives Lagebild, das alle Bereiche mitbedenkt und miteinbezieht, können entsprechende Folgerungen abgeleitet werden.

"Krisenmanagement sollte sich vermehrt mit den Interaktionen zwischen den einzelnen wirtschaftlichen Sektoren beschäftigen und analysieren, wo es kritische und verwundbare Punkte gibt, die gegebenenfalls schwerwiegende Konsequenzen auch für andere Sektoren und Systeme haben. Wichtige Fragen sind, wo und wie die Schäden beispielsweise exponentiell steigen können und wie man den 'Überlastfall' verhindern kann. Insgesamt muss das Krisenmanagement breiter und umfassender gedacht werden, weg von der Fragmentierung, Sektoralisierung und Silo-Haltung.", so Niggli.
  

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