Nur 89 wollen bleiben

15.000 auf der Flucht durch Österreich

06.09.2015

Zwei dramatische Tage: Tausende Flüchtlinge reisten durch Österreich. Das Land zeigte Herz.

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Es war kalt, nass, windig und trotzdem retteten sie sich mit letzter Kraft ins sichere Österreich: Bis Samstagmitternacht schafften es 15.000 Flüchtlinge in den Grenzort Nickelsdorf (Burgenland).

Eine gigantische Zahl, eine Völkerwanderung. Am Ende ihrer wochenlangen Flucht mussten sie auch noch einen Zehn-Kilometer-Fußmarsch überstehen. Die Ungarn hatten sie in Hegyeshalom aus Bussen und Zügen geworfen.

Die letzte Flüchtlingswelle kam Samstagabend: „2.800 haben am Abend Nickelsdorf erreicht“, sagt Polizeisprecher Gerald Pangl zu ÖSTERREICH. Danach riss der Strom vorerst ab. Sonntagmittag war das Sammellager in Nickelsdorf sogar leer – kein einziger Flüchtling mehr.

15.000 Flüchtlinge kamen nach Österreich
Dramatik an der Grenze: Österreich hat an diesem Wochenende Großartiges geleistet: Laut erster Bilanz kamen seit Samstag innerhalb von 36 Stunden 15.000 Flüchtlinge aus Ungarn nach Österreich.

Alleine am Samstag erreichten 9.800 Nickelsdorf – mit Zügen, Bussen oder zu Fuß. Alle 9.800 wurden direkt nach Deutschland weitertransportiert – eine logistische Meisterleistung.

3.200 Hilfesuchende mussten kurzfristig in Notquartieren untergebracht werden: In Nickelsdorf unter freiem Himmel, auf Bahnhöfen in Wien, Linz, Graz, Salzburg, in geheizten ÖBB-Zügen oder anderen Gebäuden. Sonntag konnten sie in Zügen abreisen. 12.000 hatten bis Mittag ihr Ziel erreicht: Deutschland.

Keiner wollte bleiben
Nickelsdorf: Erste Anträge. Auffallend: Der Großteil der Flüchtlinge, die aus Ungarn kamen, plant seine Zukunft nicht in Österreich. Praktisch alle wollten direkt zu Verwandten oder Freunden in andere Länder, meist nach Deutschland oder Skandinavien.

Von 15.000 Flüchtlingen stellten nur 89 einen Asylantrag bei uns. 65 davon in Nickelsdorf, 20 in Wien, drei in Salzburg und einer in Linz.

Wiener Westbahnhof als Zentrum der Hilfe

  • Willkommen in Wien: Österreich erlebte an diesem historischen Tag eine Welle der Hilfsbereitschaft. In Wien wurden 8.500 Menschen betreut. Alle Flüchtlinge wurden von unzähligen Freiwilligen verpflegt, herzlich in Empfang genommen. 7.500 reisten gleich nach Deutschland weiter, die anderen übernachteten am West- und Hauptbahnhof. In beiden Bahnhöfen waren die Spendenlager voll, die Herzlichkeit groß. Am späten Sonntagvormittag befanden sich am Westbahnhof nur noch etwa 800 Menschen.
  • Salzburg: 600 über Nacht. Der Hauptbahnhof in der Mozartstadt war „Durchzugsbahnhof“. 600 Flüchtlinge, die keine Anschlusszüge erreichten, übernachteten von Samstag auf Sonntag in der Bahnhofshalle. Auch hier waren die Spenden gigantisch. Alle Lager sind voll.
  • Konvoi bis nach Budapest. Sonntagmittag versammelten sich schließlich 100 private Personen, die vom Praterstern losfuhren, um Flüchtlinge auf eigene Faust nach Wien zu holen. Aber: An der A4 gab es keine Flüchtlinge mehr. So fuhren die Helfer nach Györ, Hegyeshalom und Budapest weiter. Doch die gut gemeinte Hilfe kam einen Tag zu spät.
  • Wie viele kommen noch? Laut Rot-Kreuz-Kommandat Gery Foitik könnten in den nächsten 24 Stunden wieder bis zu 7.000 Flüchtlinge die serbisch-ungarische Grenze passieren. J. Prüller, K. Wendl

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