Flüchtlingsansturm

600 neue Asylanträge in Traiskirchen

11.01.2008

„Aktion scharf“ in Traiskirchen: Die Polizei greift nach Wunsch des wahlkämpfenden Landeshauptmannes bei ­„Dublin-Fällen“ hart durch.

Zur Vollversion des Artikels
© APA
Zur Vollversion des Artikels

Seit der Öffnung der Schengen-Grenzen sind laut Sicherheitsdirektion Niederösterreich 585 Asylwerber im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen angekommen, davon 378 Tschetschenen. Die Politik geht jetzt hart gegen die Flüchtlinge vor: Insgesamt wurden bisher 60 Asylwerber wieder abgeschoben. Allein in der Nacht auf Freitag nahm die Polizei 27 Tschetschenen, zum Teil Familienväter, in Schubhaft. Dabei kam es im Flüchtlingslager zu tumultartigen Szenen.

Panik-Reaktion
Frauen brachen in Panik aus, weil sie fürchteten, dass ihre Ehemänner nach Russland gebracht werden. „Wir haben versucht zu deeskalieren. Einige Tschetscheninnen mussten in die Psychiatrie nach Baden gebracht werden“, so Klaus Neumann vom Verein Menschen.Leben, der das Frauenhaus in Traiskirchen betreut.

Die Aktion war möglicherweise erst der Beginn von weiteren Massen-Abschiebungen. Denn die menschlichen Schicksale spielen im aktuellen niederösterreichischen Wahlkampf eine gewichtige Rolle. Landeshauptmann Erwin Pröll, der für die ÖVP wieder eine absolute Mehrheit anstrebt, hatte seinen Parteifreund Innenminister Günther Platter nachdrücklich aufgefordert, schnell abzuschieben. „Asylwerber, die bereits in einem anderen Land, also etwa Polen und der Slowakei mit Fingerabdruck erfasst wurden, müssen sofort in das Erstaufnahmeland zurückgeschickt werden“, so der Landeshauptmann.

Dublin-Fälle
Pröll beruft sich dabei auf das „Dublin-Abkommen“, wonach Asylwerber, die über ein anderes EU-Land nach Österreich einreisen oder dort bereits einen Asylantrag gestellt haben, in eben jenes zurück­geführt werden müssen. Tschetschenen erhoffen sich, in Österreich eher als Flüchtlinge anerkannt zu werden als in anderen EU-Ländern. Die Quote liegt hierzulande bei 80 Prozent, während in Polen nur 20 Prozent der Tschetschenen einen Flüchtlingsstatus erhalten.

Schubhaft
Kritik an der Aktion in Traiskirchen kam vom UN-Flüchtlingskommissariat UNHCR: „Zu unserem Bedauern wird das härteste Mittel angewendet, nämlich die Schubhaft. Und das, obwohl man weiß, dass das Verfahren Wochen dauern wird und die Überstellung noch nicht endgültig fix ist“, sagt Sprecher Roland Schönbauer.

Zur Vollversion des Artikels
Weitere Artikel