Polizei wehrt sich

80 Promis warnen vor Rechtsextremismus: "Mehr Delikte denn je"

08.10.2025

Ein offener Brief von vielen Promis übt Kritik an Polizei und Justiz. Auch Jelinek und Attersee unter Unterzeichnern. Das Innenministerium wehrt sich gegen "falsche Vorwürfe".

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© EPA/ROLAND SCHLAGER
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In einem offenen Brief des Mauthausen Komitees Österreich (MKÖ) und des OÖ. Netzwerks gegen Rassismus und Rechtsextremismus haben Prominente vor allem aus Kunst und Kultur die Regierung aufgefordert, schärfer gegen Rechtsextremismus vorzugehen. Die 76 Unterzeichner - unter ihnen etwa Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek und Maler Christian Ludwig Attersee - fordern mehr Tempo beim Nationalen Aktionsplan und Sensibilisierung für das Verbotsgesetz innerhalb der Justiz.

2024 habe es mit 1.486 rechtsextremen Straftaten ein "Allzeithoch" gegeben. Vereinzelt durchgeführte Aktionen wie Razzien in der rechtsextremen Szene seien zwar zu begrüßen, könnten aber "keinesfalls einen Nationalen Aktionsplan ersetzen, dessen Ausarbeitung seit Jahren hinausgeschoben wird!", kritisierte MKÖ-Vorsitzender Willi Mernyi am Mittwoch in einer Aussendung. Ein Gesamtkonzept für eine wirksame Bekämpfung des Rechtsextremismus würde fehlen.

Innenministerium wehrt sich: "Vorwurf ist falsch"

Aus dem Innenministerium heißt es zur Kritik, die vom ÖGB-Bundesgeschäftsführer und Vorsitzenden des Mauthausen Komitee Österreich Mernyi  in einem vom Mauthausen Komitee Österreich veröffentlichten offenen Brief geäußert wurde, folgendes: 

  • Der Vorwurf, dass die Polizei Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund ignorieren würde, ist willkürlich und falsch.
  • Falsch ist die von Herrn Mernyi im Ö1 Morgenjournal aufgestellte Behauptung, die Polizei hätte „Heil Hitler“ Beschmierungen als „Graffiti“ und somit bloß als Sachbeschädigung abgetan. Fakt ist, dass es bei dem angesprochenen Vorfall am 6. November 2024 sowie am 4. April 2025 in Aspach zu zahlreichen Beschmierungen beim ehemaligen Kneippkurhaus gekommen ist, darunter einer mit rechtsextremistischem Hintergrund. Die einschreitenden Polizisten und Ermittler haben vorbildlich gehandelt, alle Schmierereien akribisch dokumentiert, in einer Presseaussendung sogar um Hinweise aus der Bevölkerung gebeten und neben nicht nur die Sachbeschädigungen, sondern auch die Begehung nach dem Verbotsgesetz zur Anzeige gebracht.
  • Herr Mernyi sollte die Tatsache, dass auch nach dem Verbotsgesetz ermittelt wird, bestens bekannt sein. Seine Anfrage vom 22. April 2025 wurde wenige Tage danach beantwortet und der Sachverhalt ausführlich erklärt. Die Vorwürfe entsprechen nicht den Tatsachen. Das Bundesministerium für Inneres widerspricht der Behauptung, in diesem Fall oder ganz generell würden rechtsextremistische Straftaten ignoriert. Zudem wurde Herr Mernyi unmittelbar nach den im Ö1-Morgenjournal geäußerten Vorwürfen neuerlich telefonisch kontaktiert, konnte aber zu seinen Behauptungen keine Aussagen treffen.

"Die Polizei geht auf allen Ebenen – beginnend bei der Grundausbildung und diversen Fortbildungen in den Bildungszentren, über der Anzeigelegung auf den Polizeiinspektionen und die Aktbearbeitung in den Landesämtern für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE), bis hin zur Direktion Staatsschutz Nachrichtendienst (DSN), mit aller Konsequenz gegen jede Form von Extremismus vor", heißt es aus dem Innenministerium.

Ermittlungen, Hausdurchsuchungen und Festnahmen 

Die Direktion Staatsschutz Nachrichtendienst (DSN) hat seit ihrer Einrichtung im Dezember 2021 zahlreiche Ermittlungen, Hausdurchsuchungen und Festnahmen im Zusammenhang mit Extremismus durchgeführt:

  • Islamistischer Extremismus (190 Hausdurchsuchungen, 67 Festnahmen)
  • Rechtsextremismus (670 Hausdurchsuchungen, 162 Festnahmen)
  • Staatsverweigererszene – heterodoxer Extremismus (16 Hausdurchsuchungen, 33 Festnahmen)
  • Linksextremismus (2 Hausdurchsuchungen, 13 Festnahmen)

Es wurde der jährliche Rechtsextremismusbericht wiedereingeführt und über das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands in Auftrag gegeben. Der Bericht soll einen umfassenden systematischen und wissenschaftlichen Überblick über rechtsextreme Aktivitäten und Verknüpfungen in Österreich und Europa geben sowie Organisationen, Gruppierungen und Veranstaltungen abbilden. Darüber hinaus wird der jährliche Verfassungsschutzbericht veröffentlicht, der umfassend auf verfassungsschutzrelevante Phänomenbereiche, unter anderem auf 15 Seiten auch auf Rechtsextremismus eingeht.

Kritik im Brief

Geplant ist die Erarbeitung eines Nationalen Aktionsplans jedenfalls, er findet sich im Regierungsprogramm der schwarz-rot-pinken Koalition. Ausgearbeitet werde er aber immer noch nicht, wird im Brief kritisiert.

Forderungen an Karner und Sporrer

Konkret richtet sich der Brief an Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) und Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ), wird darin doch angeprangert, dass der antifaschistische Auftrag Österreichs durch Sicherheitsbehörden und die Justiz immer weniger erfüllt werde. Teilen der Polizei und des Verfassungsschutzes werfen die Organisationen ein "sehr rechtslastiges Vorgehen" vor, das Karner nicht tolerieren dürfe. So etwa beim Einsatz in der Südkärntner Gedenkstätte Peršmanhof.

Der Vorwurf gegen die Justiz lautet, dass immer öfter Verfahren wegen rechtsextremer Straftaten eingestellt werden. 2024 sei die Zahl der Verurteilungen nach dem Verbotsgesetz im Vergleich zum Jahr davor von 211 auf 177 zurückgegangen, die Zahl der Einstellungen habe von 1.529 auf 2.022 um ein Drittel zugenommen. Es handle sich um eine "Entwicklung zur Straflosigkeit", die auf falschen Entscheidungen der Justiz beruhe. Hier brauche es breit angelegte Weiterbildungsmaßnahmen, um Bewusstsein für die Bedeutung des Verbotsgesetzes zu schaffen.

Grüne unterstützen Forderung

Unterzeichnet wurde der Brief von zahlreichen Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur wie den Schauspielerinnen und Schauspielern Maria Hofstätter, Birgit Minichmayr oder Michael Ostrowski, aber auch von Juristen und Juristinnen wie Heinz Mayer und Maria Windhager. Zudem unterschrieben Repräsentantinnen und Repräsentanten u. a. der Katholischen Aktion Österreich, des NS-Dokumentationszentrums München und der IG Autorinnen Autoren.

Unterstützung kam auch von den Grünen. "Statt einem konsequenten Vorgehen gegen Rechtsextreme sehen wir immer öfter Repressalien gegen Antifaschist:innen", kritisierte Rechtsextremismus-Sprecher Lukas Hammer in einer Aussendung. Die Grünen würden daher in der nächsten Nationalratssitzung einen Antrag für die Erstellung eines Nationalen Aktionsplans gegen Rechtsextremismus einbringen.

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