Vorwürfe gegen Kurz, Sobotka, Schelling & Co.

Die Akte Thomas Schmid: Sein Aussage-Protokoll

22.10.2022

Die brisanten Schmid-Aussagen über Kurz, Sobotka, Schelling, Wöginger & Co. – das Einvernahme-Protokoll des Ex-ÖBAG-Chefs, der Kronzeuge werden will.

Zur Vollversion des Artikels
© APA/PUNZ
Zur Vollversion des Artikels

ÖSTERREICH liegen die Aussagen von Thomas Schmid vor. Die wichtigsten Anschuldigungen im Überblick.
 

© TZOe MFellner

»Kurz wusste von Anfang an Bescheid«

Vorwürfe. Im Einvernahme-Protokoll packt der einstige Kurz-Intimus Thomas Schmid gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz aus. Gegenüber der WKStA belastet er den Türkisen schwer.

Misstrauen: »Kurz fragte, ob ich verwanzt bin«

Abhören. Insgesamt zeigt seine Aussage ein äußerst düsteres Sittenbild der Volkspartei: Man misstraute einander in der ­Führungsriege extrem. Skurril: Vor dem Treffen mit Kurz, bei dem er die Chats forderte, erkundigte sich Schmid bei Gernot Blümel, ob Kurz nicht möglicherweise „verwanzt“ sein könnte. „Blümel teilte mir mit, dass auch Kurz ihn angerufen habe und gefragt habe, ob ich verwanzt sei. Blümel hat gemeint, wenn wir schon so weit sind, dass es dann ohnehin schwierig wird“, erklärte Schmid.

 

Letztes Treffen: »Er wollte mein Geständnis«

Geheimtreffen. Nach den Hausdurchsuchungen im Oktober 2021 trafen sich Schmid und Kurz schließlich. Dem Vernehmen nach beide ohne „Wanzen“. „Kurz hat mir zunächst gesagt, er sei mir nicht böse“, so Schmid. Dann war es mit den Nettigkeiten aber auch schon vorbei. „Es gab zwei Schlüsselsätze, nach denen ich mir gedacht habe, der spinnt“. Einerseits forderte Kurz die Herausgabe ­aller Chats: „Er hat zu mir gesagt, ich solle ihm das ‚Kastl‘ herausgeben“. Aber auch die Verknüpfung der Chats mit dem politischen Fortkommen von Kurz sah Schmid kritisch: „Er meinte, er müsse sich um diese Chats jetzt selber kümmern, weil sonst die ÖVP und das ganze Land den Bach hinunter gehen“, erklärte Schmid. Er beteuert, die Chats nicht übergeben zu haben, auch einem Schuldeingeständnis, wie es Kurz forderte, willigte er nicht ein.

BMF-Gelder: »Es war ihm klar, woher Geld kommt«

Förderung. Brisant ist auch das Geständnis von Schmid, was die Nutzung von Finanzministeriumsgeldern für die ÖVP angeht: „Ich habe die ÖVP und Kurz aus dem BMF heraus gefördert“, gesteht Schmid gegenüber den Ermittlern. Er schildert, wie er „manchmal auch am Minister vorbei“ Gelder des Finanzressorts für parteipolitische Zwecke genutzt habe. Dass Sebastian Kurz über diese „Finanzierung“ Bescheid wusste, daran hat Schmid keinen Zweifel.

 

Mitwisser. „Ja, das war ihm klar“, bestätigte er. Die Steuergelder wurden im großen Stil für die Türkisen verwendet, so Schmid. „Dies umfasst Personal im Kabinett, Personalbesetzungen, Wordings, Berechnungen, Vorbereitungen für Verhandlungen einer neuen Regierung und Personalbesetzungen“, zählt Schmid auf.

Strukturen. Das Finanzministerium diente also quasi als türkises Finanzierungs-Fundament, um das Fortkommen der Partei und von Sebastian Kurz selbst zu „fördern“. „Kurz war noch nicht Parteiobmann und hatte keine finanziellen Mittel. Es ging darum, dass ich das aus meiner Funktion aus dem BMF heraus organisiere“, schildert er die Hintergründe des Plans.

 

ÖBAG: »Die Planung ging von Kurz aus«

Schmid „tunkt“ sein früheres Idol auch in der ÖBAG-Causa ordentlich ein.

Traumjob. Schmid wurde zu den Vorgängen in der Staatsholding ÖBAG befragt, deren Chef er 2019 wurde. Sebastian Kurz hatte im U-Ausschuss ausgesagt, in die Postenbesetzungen nur am Rande involviert gewesen  zu sein – seitdem ermittelt die WKStA wegen des Verdachts der Falschaussage.

 

ÖBAG-Chefjob: Schmid dementiert den Ex-Chef

Nein. Auf die Frage, ob Schmids Job in der ÖBAG „nicht von Kurz ausgegangen“ sei, wie der behauptete, antwortet Schmid: „Nein, das ist nicht richtig. Wie ich zuletzt schon ausgesagt habe und durch den mir zuvor vorgehaltenen Nachrichtenverlauf weiter belegt wurde, ist die Planung sehr wohl von Sebastian Kurz ausgegangen.“ Und zu anderen Postenbesetzungen: „Aus meiner Sicht war Sebastian Kurz hier viel stärker involviert und wir haben uns regelmäßig über diese Themen ausgetauscht und dabei den Akt der Vorstandsbestellung häufig sogar schon in Gesprächen zugrunde gelegt“.

ÖBAG-Posten für Ex-Magna-Chef Wolf geplant

Sigi. Schmid erzählt auch, dass – trotz fehlender Coo­ling-off-Phase – Ex-Magna-Chef Wolf auf Kurz’ Wunsch einen Aufsichtsratsposten in der OMV bekommen sollte: „Ich weiß, dass Sebastian Kurz Hartwig Löger gebeten hat, eine Lösung für Siegfried Wolf in der neuen ÖBAG zu finden. Ich gehe davon aus, dass Sebastian Kurz das Siegfried Wolf zugesagt hat.“

 

© APA/ROLAND SCHLAGER

»Auch Sobotka hat bei mir interveniert«

Steuerprüfung. Auch der jetzige ÖVP-Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka kommt in der Aussage von Schmid nicht gut weg. Er soll sich in einer Steuer-Causa an Schmid gewandt haben.

Steuer-Prüfung: »Das kann nicht sein«

Daschlogn. „Mag. Sobotka intervenierte bei mir – meiner Erinnerung nach in der Zeit, als Spindelegger noch Minister war oder Schelling in der Anfangsphase“, erklärt Schmid. Dabei sei es um bevorstehende Steuerprüfungen beim Alois-Mock-Institut und der Erwin-Pröll-­Stiftung gegangen. „Er teilte mir mit, dass es betreffend das Alois-Mock-Institut oder die Alois-Mock-Stiftung (das weiß ich nicht mehr genau) sowie die Erwin-Pröll-Stiftung  Steuerprüfungen gäbe und dass das nicht sein könne. Es sei zu erledigen“, schildert er den Ermittlern.

 

Info-Weitergabe: »Es ist dann erledigt worden«

Erledigung. So geschah es dann auch, Prüfungen habe es daraufhin nicht mehr gegeben. „Ich habe diese Information im BMF  entweder an Kabinettsmitarbeiter oder Sektionschefs weitergegeben. Es ist dann im Sinne von Mag. Sobotka erledigt worden“, gesteht Schmid die Sobotka-Interventionen bei den Steuerprüfungen. Schließlich kam es, wie es kommen musste: Die Untersuchungen der Finanz blieben aus.

Intervention. Es ist nicht das erste Mal, dass Sobotka wegen angeblicher Interventionen für Aufregung sorgt: Schon im U-Ausschuss war während seiner Zeit als Innenminister von einer „Interventions-Liste“ die Rede, welche sein Kabinett für ihn geführt haben soll.

 

© TZOe Gruber

»Schelling rief wegen Hilfe für Sigi Wolf an«

Schmid erzählt auch peinliche Sachen über Ex-Finanzminister Hans Jörg Schelling.

Steuerfälle. Thomas Schmid belastet auch seinen Ex-Chef, den ehemaligen Finanzminister Hans Jörg Schelling: „Dazu kann ich nur sagen, dass Dr. Schelling mich da kontaktiert hat und so ca. sinngemäß gesagt hat, ich solle mich für (Sigi) Wolf und die von ihm gewünschte Nachsicht einsetzen und versuchen, ihm zu helfen.“ Es ging immerhin um Steuernachzahlungen von 11 Mio. Euro. „Ich weiß nicht mehr genau, wie oft mich Dr. Schelling diesbezüglich kontaktiert und angesprochen hat, es war aber einige Male der Fall.“

Zudem scheint der Ex-Minister Job und Privates nicht immer getrennt zu haben. „Ich bin (...) offenbar von Dr. Schelling angesprochen worden, ob ich bei Komarek und Mag. Neumann (Novomatic, Anm.) nachfragen kann, ob sie mit ihren Firmen Wein (1.000 Flaschen) bei ihm kaufen wollen.“ Schelling habe „sehr oft über seinen Wein und sein Weingut gesprochen. Er hat auch immer wieder versucht, über das Thema Wein mit Leuten ins Gespräch zu kommen.“

 

© TZOe Gruber

»Es war der Wunsch von Wöginger«

Wunsch. Rund um die Neubestellung der Leitung des Finanzamtes Braunau meldete sich laut Schmid ÖVP-Klubchef August Wöginger mit „Wünschen“.

OÖ-Intervention: »Ein wichtiges Anliegen«

Gespräch. „Wöginger erzählte mir, dass bei ihm selbst parteipolitisch aus Oberösterreich interveniert wurde“, so Schmid. „Er brachte klar zum Ausdruck, dass die Personalie L. ein wichtiges Anliegen sei“. Also setzte sich Schmid dafür ein, dass der Bürgermeister kompetenteren Kandidaten vorgezogen wird: „Mir war wichtig, dem Wunsch von Wöginger zu entsprechen. Mir war bewusst, dass das ein parteipolitisch Wunsch ist. Ich habe diese Ergebnisse oder Auswirkungen meines Handelns in Kauf genommen“, gesteht er den VP-Postenschacher.

 

Anruf am Hearing-Tag: »Es wird klappen«

Besetzung. Bei mehreren Treffen im Parlament habe er Wöginger informiert, „dass es für L. und seinen Personalwunsch sehr gut ausschaue“. Auch am Tag des Hearings selbst meldete er sich bei Wöginger: „Ich teilte ihm mit, dass es klappen werde.“

 

© gettyimages

Massiver Druck auf die Kirche

Schmid berichtet von Einschüchterungs-Besuch bei der Kirche.

Schubhaft. Weil die katholische Kirche gegen die ÖVP-Pläne mobil machte, Asylwerber automatisch in Schubhaft zu nehmen, musste Schmid ran: „Kurz bat mich, an die Kirche heranzutreten, um diese noch einmal darauf aufmerksam zu machen, dass sie Steuerprivilegien habe wie kaum eine andere Religionsgemeinschaft. Das sollte hinterfragt werden.“ Und weiter: „Kurz wollte von mir, dass ich persönlich zu Vertretern der Kirche (...) gehe und der Kirche Angst mache und drohe, Privilegien zu hinterfragen.“ Der „Gesamtkontext“ sei gewesen, „dass die Kirche mediale Kritik an Sebastian Kurz und dem Vorhaben im Zusammenhang mit der Sicherungshaft unterlassen sollte“.

Zur Vollversion des Artikels