Wende in SPÖ

Erster SPÖ-Landeshauptmann will Menschenrechtskonvention ändern

03.06.2025

"Die Frage, ob und in welcher Weise die bestehenden Regelungen der EMRK auch in diesen neuen Realitäten effektiv greifen, ist legitim", sagt der Kärntner Landeshauptmann und stärkt damit Bundeskanzler Stocker (ÖVP) den Rücken.

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© APA/GERD EGGENBERGER
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Kärntens SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser sorgt mit einer Migrations-Ansage für Aufsehen. Er will eine Änderung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), wie er in einem Blog-Beitrag auf "kaiser-peter.at" schreibt. "Die Frage, ob und in welcher Weise die bestehenden Regelungen der EMRK auch in diesen neuen Realitäten effektiv greifen, ist legitim. Sie muss gestellt werden dürfen, ohne dass sofort reflexhafte Vorwürfe gegen jene erhoben werden, die sich für eine sachliche Überprüfung aussprechen", schreibt der Landeschef darin. 

Kaiser erklärt weiter, dass es nicht um das Aufkündigen der EMRK gehe. Vielmehr gehe es darum, "offen zu prüfen, ob ihre Formulierungen – damals aus der Perspektive der Nachkriegszeit getroffen – auch heute noch die notwendige rechtliche Grundlage bieten, um Freiheit und Sicherheit im Gleichgewicht zu halten. Das ist kein Widerspruch, sondern demokratische Verantwortung", so der SPÖ-Landeshauptmann.

Gesetze und völkerrechtliche Vereinbarungen würden regelmäßig überarbeitet und angepasst. Dass passiere nicht um ihre Grundprinzipien aufzugeben, sondern um sie den gesellschaftlichen, technologischen und sicherheitspolitischen Entwicklungen anzupassen, schreibt Kaiser. 

Kaiser ruft zu offener Diskussion auf

Kaiser ruft zu einer offenen, unideologischen Diskussion auf: "Lassen wir nicht zu, dass extreme Positionen von rechts wie links diese wichtige Debatte kapern. Lassen wir stattdessen Raum für Besonnenheit, für Expertise, für vorausschauende Verantwortung", sagt der SPÖ-Politiker.

Die Diskussion solle "aus dem ernsten Willen heraus, den Geist der EMRK auch unter veränderten globalen Bedingungen weiterzuentwickeln" geführt werden.  

Mit seiner Ansage ist Peter Kaiser der erste SPÖ-Landeshauptmann, der sich für eine Änderung der Menschenrechtskonvention ausspricht. Er stärkt mit seinen Aussagen ÖVP-Bundeskanzler Christian Stocker den Rücken.

Hintergrund: Streit um Abschiebungen – das ist bisher passiert

Neun EU-Staaten haben in einem gemeinsamen Brief dazu aufgerufen, die Auslegung der EMRK zu ändern, damit ausländische Straftäter leichter ausgewiesen werden können. Der von Dänemark und Italien gestarteten Initiative hat sich auch Bundeskanzler Stocker angeschlossen. "Wir sollten auf nationaler Ebene mehr Spielraum haben, um zu entscheiden, wann wir kriminelle Ausländer ausweisen", so Stocker. 

Für seinen Vorstoß für eine Veränderung der Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Migrationsbereich hat Kanzler Christian Stocker (ÖVP) zunächst Kritik seiner Koalitionspartner geerntet.

"Ich finde den Vorstoß sehr problematisch, weil er in letzter Konsequenz die Glaubwürdigkeit von Höchstgerichten unterminiert", betonte die Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im Nationalrat, Petra Bayr (SPÖ) Ende Mai. "Natürlich soll man mit Gerichten über ihre Rechtsprechung diskutieren können, aber im besten Fall nicht öffentlich. An der Unabhängigkeit der Rechtsprechung ist für mich nicht zu rütteln", betonte Bayr.

NEOS kritisieren Stocker-Alleingang

NEOS-Kollegin Stephanie Krisper betonte ebenfalls, dass der EGMR auf Basis der Europäischen Menschenrechtskonvention urteile, "zu deren Wahrung sich alle 46 Mitgliedsstaaten inklusive Österreich verpflichtet haben". "Beim Vorstoß von Bundeskanzler Christian Stocker handelt es sich um einen Alleingang. Aus NEOS-Sicht sind politische Zurufe an unabhängige Gerichte fehl am Platz", betonte die stellvertretende NEOS-Klubobfrau. "An völkerrechtlich eingegangenen Verpflichtungen, zu denen sehr wohl Ermessensspielraum besteht und sich wandelt, und rechtsstaatlichen Prinzipien darf nicht gerüttelt werden! 

Die Sache sei nach einem Gespräch nun "erledigt", sagte NEOS-Klubobmann Yannick Shetty nach dem Ministerrat vergangene Woche. Künftig wolle man sich besser abstimmen, habe es sich doch nicht um eine Aktion der Regierung, sondern des Bundeskanzlers gehandelt.

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