ÖSTERREICH-Interview

Fischer rügt Haiders Taferl-Coup

02.09.2006

Bundespräsident Heinz Fischer spricht über die Ortstafeln und den Wahlkampf.

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© Reuters
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ÖSTERREICH: Das ist der erste Wahlkampf seit Jahrzehnten, den Sie als Beobachter und nicht als Teilnehmer erleben. Juckt es da nicht manchmal?
FISCHER: Wenn man sich mit der Funktion des Bundespräsidenten wirklich identifiziert, hat man das vorangehende Kapitel abgeschlossen. Es juckt also nicht.

ÖSTERREICH: Ist der Wahlkampf härter als früher?
FISCHER: Es wird sicher noch die eine oder andere Aufregung geben. Die politischen Auseinandersetzungen in Vorwahlzeiten sind aber immer schon heftig gewesen.

ÖSTERREICH: Könnte ein Fairnessabkommen helfen?
F ISCHER: Ich habe gemeint, dass es gute Gründe dafür gibt. Aber wenn sich die Parteien nicht darauf einigen, liegt es außer meiner Kompetenz, das zu erzwingen.

ÖSTERREICH: Gibt es Themen, die sich für einen Wahlkampf nicht eignen? Ausländer?
FISCHER: Ich glaube nicht so sehr, dass sich Themen nicht eignen, sondern dass sich ein bestimmter Stil oder eine bestimmte Aggressivität nicht eignet. Wenn im Wahlkampf eine aufgeheizte Stimmung ist und dann noch Ressentiments geschürt werden – das ist es, was mich stört.

ÖSTERREICH: Sie haben gesagt, die Regierungsbildung soll nicht allzu lange dauern. Und Sie haben gesagt, es gibt für sie keinen Automatismus, dass der Chef der stärksten Partei mit der Regierungsbildung beauftragt wird. Weitere Überlegungen?
FISCHER: Mit Festlegungen oder voreiligen Ankündigungen machen wir die Aufgabe nicht leichter, sondern eher schwerer.

ÖSTERREICH: Würden Sie eine Partei als nicht regierungsfähig bezeichnen?
FISCHER: Alle Parlamentsparteien haben prinzipiell gleiche Rechte und Pflichten.

ÖSTERREICH: Ist eine Drei-Parteien-Koalition vorstellbar?
FISCHER: International gesehen ist es vorstellbar. In Österreich vielleicht erst gewöhnungsbedürftig, aber nicht unvorstellbar.

ÖSTERREICH: Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider will jetzt alle schon bestehenden zweisprachigen Ortstafel entfernen lassen. Sehen Sie eine Lösung in dem Konflikt?
FISCHER: Wenn man nach der Wahl dort anknüpft, wo man drei Monate vor der Wahl aufgehört hat, dann glaube ich, dass das Problem lösbar ist. Es ist mehr als reif.

ÖSTERREICH: Führt der Haider-Vorstoß nicht von einer Lösung weg?
FISCHER: Dieser Vorstoß kann nicht als ernst gemeinter Lösungsversuch gesehen werden. Auch das Bundeskanzleramt und die Kärntner Parteien mit Ausnahme des BZÖ haben ablehnend reagiert.

ÖSTERREICH: Wie könnte man dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zur Durchsetzung verhelfen?
FISCHER: Indem man es befolgt – was in einem Rechtsstaat selbstverständlich sein müsste; und indem man die weiteren Schritte durch ein Bundesgesetz klar festlegt.

ÖSTERREICH: Wo könnte die Lösung des Pflegeproblems zu finden sein?
FISCHER: Ein Patentrezept wird es nicht geben. Wir müssen das Angebot von den verschiedensten Seiten her größer machen. Es gibt dazu brauchbare Vorschläge.

ÖSTERREICH: Ihr Vater ist auch von slowakischen Frauen betreut worden. Wie sind Sie mit diesem Graubereich umgegangen?
FISCHER: Mein Vater ist vor genau fünf Jahren in einem Pensionistenheim gestorben. Vorher ist er zu Hause von meiner Schwester und einer diplomierten Ausländerin betreut worden. Meine Schwester hat versucht, diese Pflegekraft anzumelden. Das ist nicht gelungen und mein Vater ist dann in ein Heim übersiedelt, wo er nach einem halben Jahr gestorben ist. Ich weiß bis heute nicht, ob ich mir mehr Vorwürfe machen soll, dass wir uns einige Zeit lang in diesem Graubereich bewegt haben oder ob ich mir mehr Vorwürfe machen soll, dass es dann eben zu einer anderen Lösung gekommen ist.

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