Asyl-Situation spitzt sich zu

Flüchtlinge beziehen Zeltstädte

15.05.2015

Jeweils 50 Asylwerber bezogen die Zelte in Linz und in Thalham.

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Die Zeltstädte in Linz und Thalham wurden noch am Freitagabend bezogen. In die Zelte auf einer Polizeiliegenschaft in Linz sowie auf dem Gelände des Erstaufnahmezentrums Thalham zogen je 50 Asylwerber ein, teilte das Innenministerium mit. Auch in das Großquartier in Wien-Erdberg kamen noch am Freitag 55 Asylwerber.

Die dritte Zeltsiedlung auf einem Polizeigelände in Salzburg wird am Samstag bezogen werden.

Innenministerin schlägt nun Alarm
Montag, früher Nachmittag, Innenministerium Wien: Nach drei Stunden intensiver Gespräche endet der „Asyl-Gipfel“ zwischen Ministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und Vertretern der Länder und Hilfsorganisationen. Trotz konstruktiven Klimas bleibt der große Wurf aus: Zwar versprechen die Länder 1.000 neue Plätze für Flüchtlinge und Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) kündigt eine Prüfung von Heeres-Liegenschaften für Flüchtlinge an.

Doch das ist alles zu spät, nur kurz danach wurde nämlich klar: Die am Donnerstag in Linz, Salzburg und Thalham als „Notlösung“ errichteten Zeltstädte müssen tatsächlich belegt werden.

Keine andere Lösung: Zelte in Linz wurden bezogen

Bereits für Freitagabend war geplant, dass die ersten 50 Flüchtlinge in Zelte in Linz einziehen – das gab es nicht einmal während der Bosnien-Krise. Caritas-Generalsekretär Klaus Schwertner übte Kritik: „Das ist nicht nötig, das ist politisches Gepolter. Es gibt genug freie Plätze.“

Doch Mikl-Leitner hält an der „Notlösung“ fest und rechtfertigt die Zeltstädte mit dem explosionsartigen Anstieg der Asylanträge: Plus 159 Prozent von Jänner bis April 2015 im Vergleich zum Vorjahr, 1.000 Anträge in der letzten Woche, 600 Anträge am Montag und am Dienstag, alleine am Montag 314 Anträge. „Geht die Entwicklung so weiter, brauche ich am Tag drei neue Zeltstädte“, befürchtet sie. Experten prognostizieren sogar 50.000 Asylanträge für 2015.

Heuer kamen die Flücht­linge vorwiegend aus Syrien (30 %), Afghanistan (23 %) und dem Irak (16,6 %). Das Ministerium kaufte um 200.000 Euro die Zelte vom Roten Kreuz, beim Aufbau halfen teils Flüchtlinge mit. Der Afghane Latif ist trotz Polit-Streits zufrieden: „Ich bin froh, hier zu sein. Das Essen ist gut und die Menschen sind nett. Die Zelte sind eine gute Idee.“ (prj)

Johanna Mikl-Leitner im Interview

Ministerin: Die Lage ist unheimlich dramatisch‹

ÖSTERREICH: Frau Minister, warum gibt es plötzlich Zeltstädte für die Flüchtlinge?

Mikl-Leitner: Weil die Lage unheimlich dramatisch ist: Wir haben in den ersten vier Tagen dieser Woche 1.100 Flüchtlinge bekommen, die Asylanträge gestellt haben. Das sind tatsächlich überwiegend Flüchtlinge aus Kriegsgebieten – Syrer, Afghanen, Iraker, Somalier. Und wir haben nicht mehr die Möglichkeit, eine so explodierende Zahl an Flüchtlingen in festen Quartieren unterzubringen.

ÖSTERREICH: Die Länder haben keine Kapazitäten mehr?

Mikl-Leitner: Die Länder haben zuletzt ihr Bestes ge­geben. Aber kein Bundesland kann pro Woche mehr als 100 neue Quartiere aufstellen. Deshalb die Zeltstädte.

ÖSTERREICH: … die auf harte Kritik stoßen.

Mikl-Leitner: Wir haben gestern den Tag der großen Sprüche und der vielen Oberg’scheiten erlebt – jetzt ist es Zeit für Lösungen, für Quartiere. Ich tue mein Möglichstes, ich bemühe mich um Kasernen, um andere ­Lösungen. Aber wenn uns die EU nicht hilft, dann bleiben nur Zeltstädte als Lösung.

ÖSTERREICH: Sie wirken verzweifelt. Sie waren doch immer eine Optimistin in Sachen EU-Lösung …

Mikl-Leitner: Ich kann angesichts von 1.100 neuen Flüchtlingen in vier Tagen keinen Optimismus versprühen. Ich kann nur an die EU appellieren, dass ­Ende Mai wirklich nicht 
nur das „Resettlement-Program“ wie versprochen kommt, sondern auch die Quote, die die Flüchtlinge gerecht verteilt. So viele Flüchtlinge, wie wir an einem Tag aufnehmen, nehmen Tschechien, die Slowakei, Portugal im ganzen Jahr nicht auf. Wir brauchen 
die europaweite Flüchtlings-Quote. Das wird zu ­einer Überlebensfrage für Europa. Wenn die Schief­lage bei den Flüchtlingen immer dramatischer wird, dann zerbricht Europa.

Interview: Wolfgang Fellner

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