Sonst Beugehaft

Justiz will jetzt Nazi-Bänder vom ORF

26.03.2010

Die ORF-Nazi-Affäre eskaliert: Die Justiz will das gesamte Drehmaterial sehen – die zuständigen ORF-Chefs gingen eher in Beugehaft.

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Hunderttausende fieberten mit, als der ORF am Donnerstag die brisante Am Schauplatz-Doku „Am rechten Rand“ über die beiden Skinheads Philipp und Kevin und die darauffolgende hitzige Club 2-Diskussion mit FPÖ-Chef heinz-Christian Strache zeigte. Beide Sendungen erreichten Rekordquoten.

Strache ruft jetzt Bundes-Kommunikations-Senat an
Am Tag danach hat sich der Streit ORF gegen Strache weiter zugespitzt: HC Strache wirft dem ORF weiter vor, ihm die zwei Skinheads bei der FP-Kundgebung „untergejubelt“ zu haben und sie mit Geld zu „Sieg Heil“-Rufen motiviert zu haben. Er kündigt im ÖSTERREICH-Interview an: „Ich werde den Bundeskommunikations-Senat einschalten“.

Der ORF bestreitet alle Vorwürfe. Das 16 Stunden umfassende Rohmaterial der Doku lagert weiter beim ORF am Küniglberg. Der Grund: Der öffentlich-rechtliche Sender beruft sich auf das Redaktionsgeheimnis. Jede andere Entscheidung hätte weitreichende Folgen für die Pressefreiheit in Österreich.

Staatsanwaltschaft droht dem ORF mit Beugehaft
Indes droht die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt, die am Donnerstag ohne Erfolg das Filmmaterial am Küniglberg als Beweismaterial sicherstellen wollte, dem ORF mit der Beugestrafe. Ein Sprecher sagt zu ÖSTERREICH: „Beugestrafe ist ein Option. Wir prüfen gerade, wie die weitere Vorgangsweise ist.“ Der für ORF-Magazine zuständige Chefredakteur Johannes Fischer kontert: „Dann gehe ich halt in Beugehaft – das Redaktionsgeheimnis ist ein hohes Gut.“

ORF-Chef Alexander Wrabetz stellt sich jetzt hinter seine Mitarbeiter: „Hier geht es um die Grundfesten der Demokratie und des unabhängigen Journalismus.“ Der ORF wolle keine in strafbare Handlungen decken. Die Ermittlungen könnten aber nicht durch Herausgabe des Drehmaterials erfolgen.

Am Schauplatz-Chef Schüller klagt Strache
Und auch die ORF-Mitarbeiter wollen sich die ständigen Angriffe des FPÖ-Chefs nicht länger gefallen lassen. Am Schauplatz-Chef Christian Schüller kündigte gegenüber ÖSTERREICH mehrere Klagen gegen Strache an – konkret geht es um üble Nachrede, Verleumdung und „Anstiftung zum Amtsmissbrauch.“ Schüller ist sicher, dass Straches Vorwürfe in sich zusammenbrechen: „Ich glaube das Ausstrahlen der Dokumention hat gezeigt, dass es um zwei Skinheads gegangen ist und nicht um Strache.“

Skinhead war schon 2009 bei Strache-Kundgebung
Indes taucht auf Youtube ein Video auf, das die Affäre in ein neues Lcht taucht. Skinhead Philipp ist 2009 bei einer Strache-Veranstaltung am Viktor-Adlermarkt zu sehen. Man sieht ihn vor Wahlkampfplakaten der FPÖ stehen und applaudieren. Strache hat behauptet, der Skin wäre ohne ORF nie zu ihm gekommen.

Strache bleibt dabei: "Ich hörte Sieg Heil"

ÖSTERREICH: Sie sagten im Club 2, Sie hätten entweder ,Sieg Heil‘ gehört oder ,Heil Hitler‘. Was haben Sie gehört?
Heinz-Christian Strache: Ich habe „Sieg Heil“ gehört. Und zwar nachdem der Herr Moschitz (ORF-Redakteur) mindestens 20 Mal gerufen hat: „Sagt‘s es doch endlich.“
ÖSTERREICH: Aber das ist auf den ORF-Bändern wirklich nicht zu hören.
Strache: Deswegen sage ich ja: Das Band, das die Staatsanwaltschaft beschlagnahmt hat, wurde im ORF manipuliert. Das wurde mir von höchsten ORF-Kreisen bestätigt.
ÖSTERREICH: Jetzt werden Sachverständige herangezogen, die prüfen, ob etwas manipuliert wurde. Wenn die Justiz nichts findet – geben Sie dann zu, dass sie sich einfach verhört haben?
Strache: Ich habe mich nicht verhört. Und zehn andere Zeugen haben es ebenfalls gehört.
ÖSTERREICH: Viele sagen, Sie wollen sich mit dem „Skandal“ aus dem Tief herausholen, in das sie die Rosenkranz-Kür gestürzt hat.
Strache: Bei aller Wertschätzung: Das ist Unsinn. Es handelt sich hier um den größten Medienskandal der 2. Republik, mir wurden zwei Neonazis untergeschoben, die ohne ORF-Hilfe niemals auf meine Veranstaltung gekommen wären. Das sind Stasi-Methoden. Ich fordere Konsequenzen – vom Informationsdirektor abwärts sind alle Beteiligten untragbar.
ÖSTERREICH: Was werden Sie als Nächstes tun?
Strache: Wir rufen jetzt den Bundeskommunikationssenat an. Der ORF hat sich der Manipulation und des Rufmordes schuldig gemacht. Und jetzt tun alle so, als wäre ich der Täter. Ich bin das Opfer.

ORF-Fischer: ,Dann geh‘ ich eher in Beugehaft‘

ÖSTERREICH: Der Oberstaatsanwalt sagt, er holt sich die fraglichen Bänder notfalls per Gerichtsbeschluss.
Johannes Fischer: Ja, wir werden das ausfechten. Unsere Rechtsabteilung hat schon Einspruch gegen den Beschlagnahmewunsch des Staatsanwaltes eingelegt.
ÖSTERREICH: Es stehen Beugemaßnahmen im Raum. Würden Sie als Chef für das Redaktionsgeheimnis in Beugehaft gehen?
Fischer: Aber ja, da ginge ich eher in Beugehaft. Das Redaktionsgeheimnis ist ein extrem hohes Gut. Wer A sagt, muss auch B sagen. Wir haben in dieser Sache ein ruhiges Gewissen.

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