Unglaublicher Asylbescheid

Kein Asyl, weil Afghane nicht schwul genug ist

15.08.2018

Die Begründungen für den negativen Asylbescheid machen stutzig.

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© APA/dpa
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Ein junger Afghane erhält wohl den bis dato irrsten Abschiebebescheid Österreichs, das zeigt ein Bericht der Wochenzeitung "Falter". Der 18-jährige Asylwerber sucht wegen seiner Homosexualität in Österreich Schutz, ein Anspruch, den auch der Europäische Gerichtshof grundsätzlich bestätigt.

Der Asylbescheid des Afghanen fällt dennoch negativ aus, die Begründung macht fassungslos. "Weder Ihr Gang, Ihr Gehabe oder Ihre Bekleidung haben auch nur annähernd darauf hingedeutet, dass Sie homosexuell sein könnten“, so das Urteil eines Beamten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

 

Zu aggressiv, um homosexuell zu sein

Das ist zumindest das Urteil des zuständigen Beamten. "Es wird berichtet, dass Sie öfter Auseinandersetzungen mit anderen Zimmergenossen hatten. Ein Aggressionspotential ist bei Ihnen also vorhanden, das bei einem Homosexuellen nicht zu erwarten wäre. Freunde hatten sie nicht sehr viele. Sind Homosexuelle nicht eher gesellig?", soll der Sachbearbeiter laut "Falter" gefragt haben.

Dass der Afghane, für seine womöglich ungewollten Küsse, nicht zugerichtet wurde, ist für den Beamten ein weiteres Indiz für einen Schwindel. "Dass Sie nicht homosexuelle Jungs geküsst hätten, sogar viele davon, ist absoluter Unsinn. Sie hätten das im Spaß gemacht, behaupteten Sie. Hätten Sie das tatsächlich bei einem nicht homosexuellen Jungen gemacht, dann hätten Sie furchtbare Prügel bezogen. Kein Mann lässt sich von einem anderen Mann küssen, wenn er nicht homosexuell ist. Das ist völlig undenkbar", so der Bescheid.

Abschließend hält der Beamte im negativen Asylbescheid fest: "Sie sind nicht homosexuell und haben daher bei Ihrer Rückkehr nach Afghanistan nichts zu befürchten". Der junge Mann hat gegen den Bescheid Einspruch eingelegt.

 

Bescheid gegen Homosexuellen zieht international Kreise

Für Spott und international mediales Aufsehen sorgt ein negativer österreichischer Asylbescheid an einen homosexuellen Afghanen, von dem die Wochenzeitung "Falter" in ihrer aktuellen Ausgabe berichtet. "Die irrste Abschiebebegründung Europas" titelte etwa die deutsche "Bild". Auch die ZDF "heute"-Show berichtete via Social Media, ebenso die französische Agentur AFP.
 
Anlass sind die Begründungen, mit denen dem Mann vom Bundesamt für Fremdenwesen Asyl verweigert hat. "Weder Ihr Gang, Ihr Gehabe oder Ihre Bekleidung haben auch nur annähernd darauf hingedeutet, dass Sie homosexuell sein könnten", schrieb ein Asylbeamter der Regionalstelle Wiener Neustadt: "Sie sind nicht homosexuell und haben daher bei Ihrer Rückkehr nach Afghanistan nichts zu befürchten."
 

Beamte: "Sind Homosexuelle nicht eher gesellig?"

Weitere genannte Klischees: Der Jugendliche habe sich mit anderen gestritten. "Ein Aggressionspotenzial ist bei Ihnen also vorhanden, das bei einem Homosexuellen nicht zu erwarten wäre." Auch dass der junge Afghane nur wenige Freunde habe, ist aus Sicht des Beamten ein Indiz für seine Heterosexualität. "Sind Homosexuelle nicht eher gesellig?", steht im negativen Asylbescheid. Dass der Mann gerne allein oder in kleineren Gruppen unterwegs ist, wird ihm auch negativ ausgelegt. "Auch das passt nicht zu einem angeblich Homosexuellen."
 
Glaubwürdig sei auch nicht, dass der Afghane aussagte, er habe nicht homosexuelle Buben geküsst. "Hätten Sie das tatsächlich bei einem nicht homosexuellen Jungen gemacht, dann hätten Sie furchtbare Prügel bezogen."
 
Der Bescheid aus der ersten Instanz ist nicht rechtskräftig, der junge Afghane hat Berufung eingelegt.
 

Asyl-Anwalt: "Referenten müsste man jetzt abziehen"

ÖSTERREICH: Sie errieten sofort, dass der Bescheid aus Wr. Neustadt kam. Warum?

Georg Bürstmayr: Weil es dort einen Referenten gibt, dessen Bescheide von Ablehnung gegenüber Asylwerbern zeugen. Man sollte den Mann mal eine Zeit von Asylverfahren abziehen.  
 
ÖSTERREICH: Hat der Asylwerber eine Chance mit einer Berufung?
 
Bürstmayr: Der Bescheid wird mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgehoben. Er muss jetzt mit enormen Kosten repariert werden. Während in allen anderen Rechtsbereichen eine extrem sachliche Sprache gepflegt wird, hat sich das bei Asylverfahren geändert. Manche Bescheide sind geradezu höhnisch – und dieser ist extrem homophob.

(gü)

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