Interne Kritik

Kern: Es hagelt Kritik vom linken Rand

02.02.2017

SJ-Vorsitzende Herr: SPÖ-Grundsätze bei Regierungsprogramm-Update "völlig unter die Räder gekommen".

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© Reuters
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Am linken Rand der SPÖ wird Kritik an Parteichef Christian Kern und dem Regierungsprogramm-Update laut. Vor allem fehlende Umverteilungsmaßnahmen und das Sicherheitspaket stoßen auf Widerstand. SJ-Vorsitzende Julia Herr sieht die SPÖ-Grundsätze "völlig unter die Räder gekommen". Wie auch Eva Maltschnig, Vorsitzende der Sektion Acht der SP-Alsergrund, stellt Herr die Koalition infrage.

Die Sozialistische Jugend (SJ) konfrontierte Kern mit einem seiner eigenen Zitate: "Menschen brennen nicht für Kompromisse, sie brennen für Grundsätze und Haltungen" - ein entsprechendes Transparent mit diesem Spruch enthüllten die Partei-Jugendlichen in der Nacht vor der Parteizentrale in Wien. "Die Regierung zum Handeln zu bewegen allein reicht nicht. Es geht auch um die richtige Richtung!", erklärte SJ-Chefin Herr dazu am Donnerstag in einer Aussendung.

Es sei zwar klar, "dass in einer Koalition nicht 100 Prozent der eigenen Inhalte umgesetzt werden können, doch im neuen Regierungsprogramm sind zwischen lauter Kompromissen die Grundsätze völlig unter die Räder gekommen", so Herr. Sie vermisst etwa eine "gerechte Steuerpolitik", ein "ambitionierte Arbeitsmarktprogramm" und auch Maßnahmen in der Bildung.

Die Sinnhaftigkeit der Weiterführung der Koalition mit der ÖVP wird vom linken Partei-Flügel grundsätzlich hinterfragt: "Wenn aber aktuell ein in großen Teilen problematisches Integrations-und Sicherheitskonzept inkl. maßloser Überwachung und teils rassistischen Zügen notwendig ist, um im Gegenzug einzelne Verbesserungen durchboxen zu können", dann sei die Koalition als Ganzes infrage zu stellen, so Herr. Der Bevölkerung könne nur mit "sozial fortschrittlicher Politik" die Ängste genommen werden, die sie aktuell in die Hände der FPÖ treiben würden.

 Auch Maltschnig - Schwester von Kerns Ex-Kabinettschefin (und jetzigen Chefin des SPÖ-Renner-Instituts) Maria Maltschnig - kritisierte in einem Gastbeitrag für den "Standard" das neue Programm und vor allem das Sicherheitspaket scharf: "Die ÖVP hatte allen für sie formulierten Zuckerln im Plan A plus einigen SPÖ-Projekten zugestimmt und dazu ein Sicherheitskapitel angefügt, das wie immer auch die FPÖ hätte schreiben können."

Für Maltschnig lässt sich die Sozialdemokratie "von der Macht (und der ÖVP) einlullen". "Dabei wäre es gerade in Zeiten wie diesen notwendig, scharfkantige Positionen zu haben, statt windelweich die große Koalition zu verlängern."

In der SPÖ ortet sie "eine Art Stockholm-Syndrom", das aus den langen Tagne in der Regierungsarbeit herrühre: "Man weiß zwar, dass mit der ÖVP keine großen Würfe gelingen. Aber bei näherer Betrachtung ist nicht alles schlecht, die schlimmsten Vorschläge kann man immer noch abwehren. Das ist der Grund, warum sich politische Entscheidungsträger der SPÖ nach Wahlniederlagen nie zu helfen wissen und es in den beratenden Gremien immer dieselbe Leier spielt ('Wir müssen besser kommunizieren'). Dabei müssen wir einfach aus dieser Koalition raus."

Auch Herr plädierte für mehr Selbstbewusstsein: "Die SPÖ muss endlich wieder an ihre eigenen Konzepte glauben und eine starke, linke Vision entwickeln - dann kann sie auch selbstbewusst in Neuwahlen gehen!"
 

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