Landeshauptfrau
Mikl-Leitner: "Republik kann sich keine Doppelgleisigkeiten leisten"
20.12.2025Niederösterreichs Landeshauptfrau macht Druck bei Reformen - Im Streit um Gastpatienten werden rechtliche Schritte gegen Wien geprüft - "Sozialhilfetourismus Riegel vorschieben"
Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner macht Druck bei Reformen. "Die Republik Österreich kann sich keine Doppelgleisigkeiten mehr leisten. Deswegen müssen wir die Kompetenzen auch ganz klar regeln", betonte die ÖVP-Politikerin im APA-Interview. Bei der Sozialhilfe pocht sie auf eine bundesweit einheitliche Lösung, "um dem Sozialhilfetourismus einen Riegel vorzuschieben". Im Konflikt um Gastpatienten mit Wien werden rechtliche Schritte bis zur Klage geprüft.
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Die von der Bundesregierung aus ÖVP, SPÖ und NEOS auf den Weg gebrachte Reformpartnerschaft von Bund, Ländern und Gemeinden in den Bereichen von Gesundheit über Bildung, Energie bis hin zur Verwaltung müsse vorangetrieben werden, unterstrich Mikl-Leitner. Gleichzeitig gab sie aber zu bedenken, dass Zentralisierung nicht gleich Effizienzsteigerung bedeute, sondern auch, dass Entscheidungen weiter entfernt von den Bürgerinnen und Bürgern getroffen werden. In Bezug auf Pläne, die Gesundheitsagenden beim Bund anzusiedeln, zeigte sich die Landeschefin für Vorschläge offen, hielt aber gleichzeitig fest: "Egal wie diese Reform ausschaut, wir werden unseren 'Gesundheitsplan 2040+' umsetzen", um laut Mikl-Leitner die Versorgung auf höchstem Niveau auch künftig sicherzustellen.
"Wer Hängematte bevorzugt, darf nicht mit Solidarität rechnen"
Im Streit um Gastpatienten mit Wien prüft Niederösterreich derzeit parallel zu den Gesprächen zwischen den politisch Verantwortlichen auch rechtliche Schritte "bis hin zur Klage". "Ich halte überhaupt nichts davon, künstliche Hürden in der Gesundheitsversorgung zwischen den einzelnen Bundesländern aufzubauen", sagte Mikl-Leitner. Es gebe seitens der niederösterreichischen Landsleute "überhaupt kein Verständnis", wenn etwa Pendler nicht behandelt werden, aber beispielsweise "ausländische Staatsbürger mit Hauptwohnsitz in Wien, die nie ins System eingezahlt haben". In Niederösterreich werde auch in Zukunft nicht nach dem Meldezettel gefragt, sondern wie geholfen werden kann. Sie hoffe, dass dieses Motto bald wieder auch in der ganzen Ostregion gelte.
Niederösterreich habe die strengsten Sozialhilfe-Regeln in Österreich und könne als Vorbild für eine bundesweit einheitliche Lösung dienen. "Wer die Hängematte statt der Werkbank bevorzugt, darf nicht mit der Solidarität anderer rechnen", betonte die ÖVP-Landesparteichefin. Mit dem niederösterreichischen Modell würde sich Wien 300 Millionen Euro pro Jahr sparen, rechnete Mikl-Leitner vor.
Einsparungen auch beim Personal im Land absehbar
Die finanzielle Situation sei auf allen Ebenen angespannt, "die dynamische Kostenentwicklungen betreffen in erster Linie Länder und Gemeinden". In Niederösterreich seien die Gesundheitskosten seit 2020 um 50 Prozent gestiegen, in der Kinderbetreuung um 40 Prozent. Um den Stabilitätspakt einzuhalten, will Niederösterreich beim nächsten Doppelbudget 2027/28 insgesamt 300 Millionen Euro einsparen - das soll vor allem "im System" wie etwa der Verwaltung passieren. Im Gesundheits- und Kinderbetreuungsbereich soll es keine Kürzungen geben.
"Wir werden in den nächsten Monaten analysieren, wo wir noch weitersparen können, aber so, dass wir auch weiterhin den niederösterreichischen Landsleuten Stabilität, Sicherheit und Zukunftsperspektive geben können", sagte die Landeshauptfrau. Potenzial werde sich im Zuge einer Verwaltungsreform und vor allem der Digitalisierungsoffensive ergeben: "Das heißt, dass wir in weiterer Folge auch weniger Personal haben werden."
In Bezug auf die prekäre Finanzlage vieler Gemeinden meinte Mikl-Leitner: "Auch auf dieser Ebene wird es schmerzhafte Einschnitte geben", das Land unterstütze aber beispielsweise mit der Übernahme von Kosten für Rettungsdienste. Sie plädierte für mehr Kooperation, etwa beim Bauhof oder in der Buchhaltung. Derartige Zusammenarbeit zwischen mehreren Gemeinden würde auch mehr Einsparungspotenzial bieten als Zusammenlegungen, gegen die sie sich aussprach. Derzeit werde an Richtlinien gearbeitet, die Kooperationen erleichtern sollen. Weiters hielt sie fest: "Egal ob im Bund, in den Ländern oder Gemeinden - die finanzielle Situation wird erst dann besser, wenn es gelingt, die Wirtschaft wieder auf den Wachstumspfad zu bringen."
Unzufriedenheit in Bevölkerung geortet
Die Stimmung in der Bevölkerung sei derzeit "noch eine sehr schlechte, weil Wirtschaft und Industrie unter Druck stehen und auch viele Arbeitsplätze in Gefahr sind". Die Bundesregierung bemühe sich, aber die Ankündigungen und Beschlüsse "sind noch nicht bei den Landsleuten angekommen". Die Chance sei, dass die Unzufriedenheit in Zuversicht und Optimismus umschlage, sobald die Maßnahmen spürbar sind. Das Wichtigste sei nun jedenfalls, die Energiepreise zu senken und die Entbürokratisierung voranzutreiben. Außerdem müsse die Bundesregierung alles gegen Parallelgesellschaften tun, verwies Mikl-Leitner etwa auf das verpflichtende Integrationsprogramm. "Viele Menschen haben Sorge, dass unsere Heimat ihre Identität verliert."
Um den Wirtschaftsstandort Österreich zu stärken, gelte es, die Rahmenbedingungen für die Stärkung von Sicherheit und Resilienz zu schaffen, verwies sie auch auf das EU-Plan "Readiness 2030", mit dem Milliarden der EU und von Österreich fließen sollen. "Wir wollen, dass bei Investitionen im Bereich der Sicherheit vor allem heimische Unternehmen profitieren." Die Bundesregierung müsse für schnellere Verfahren bei Exportkontrollen, praxisgerechte Leitlinien für Dual-Use-Produkte zur zivilen und militärischen Verwendung und verpflichtende Österreich-Komponenten bei internationalen Auftragsvergaben sorgen, damit Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Technologie in Österreich bleiben. "Wenn in erster Linie US-amerikanische Sicherheitsfirmen Aufträge bekommen, dann machen wir etwas falsch", meinte Mikl-Leitner.
Rückendeckung für Wöginger vor Gerichtsprozess
Angesprochen auf das schlechte Abschneiden der Volkspartei und der Koalition in aktuellen Umfragen sagte Mikl-Leitner: "Ich rate jedem Politiker, nicht auf Umfragen zu schielen, sondern sich voll und ganz auf die Arbeit zu konzentrieren." Die Debatte um Entschädigungen und Gehälter in der Wirtschaftskammer rund um Präsident Harald Mahrer hatte die ÖVP-Landesparteiobfrau als "Frontalschaden" bezeichnet. Die Diskussion habe jedenfalls "sicherlich nicht" geholfen, meinte sie nun. Mahrer habe mit seinem Rücktritt "die richtige Entscheidung getroffen".
Zur Ankündigung von August Wöginger, dass er auch im Falle einer erstinstanzlichen Verurteilung wegen Amtsmissbrauchs ÖVP-Klubobmann bleiben wolle, sagte die Landeshauptfrau: "Ich möchte einem Gerichtsurteil nicht vorgreifen, aber ihm gehört meine Unterstützung."
ÖVP will bei St. Pölten-Wahl für "frischen Wind" sorgen
Für 2026 kündigte Mikl-Leitner eine neue Wirtschaftsstrategie des Landes unter dem Motto "Alles für Arbeit und Aufschwung" an, die von Schwarz-Blau im ersten Quartal präsentiert werden soll. Neben der Umsetzung des "Gesundheitsplans 2040+" werde auch weiter in Kinderbetreuung sowie Wissenschaft investiert, nannte sie etwa den Europacampus Hainburg (Bezirk Bruck an der Leitha) als Beispiel.
Mit Blick auf die Gemeinderatswahl am 25. Jänner 2026 in St. Pölten meinte Mikl-Leitner, dass der ÖVP-Spitzenkandidat, Landtagsabgeordneter und Stadtrat Florian Krumböck "frischen Wind" in die Landeshauptstadt bringe. "Er wird alles tun, um ein gutes Ergebnis einzufahren", meinte sie. 2021 hatte die Volkspartei mit plus 2,47 Prozentpunkten auf 22,74 Prozent Platz zwei hinter der mit absoluter Mehrheit regierenden SPÖ erreicht.