Rücktritt Spindelegger

ÖVP-Chef schmeißt alles hin

26.08.2014

Völlig überraschend ist Spindelegger von allen Ämtern zurückgetreten.

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© APA
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Die Nachricht kam am Dienstagmorgen wie ein Paukenschlag. Bei einer eiligst einberufenen Pressekonferenz um 9 Uhr früh, zu der der ORF nicht einmal einen Übertragungswagen senden konnte, bestätigte VP-Obmann Michael Spindelegger seinen bestürzten Mitarbeitern und den überraschten Journalisten: „Ich möchte Ihnen mitteilen, dass ich mit dem heutigen Tag von allen meinen Ämtern in Partei und Regierung zurücktrete .“

Spindelegger vermisste ­Loyalität in eigener Partei
Freunde und Vertraute hatten einen Spindelegger vor sich, den sie schon lange nicht gesehen hatten: Erleichtert wirkte er und gelöst, als er seine Erklärung vortrug. Zuletzt war er laufend durch die Kritik vor allem der Landeshauptleute aus Oberösterreich und Tirol an seinem Steuerreformkurs zermürbt worden. Montagabend forderte ihn auch noch Tirols AK-Präsident Erwin Zangerl (ein ÖVP-Top-Funktionär) in ÖSTERREICH zum Rücktritt auf.

Spindelegger dazu: „Wir sind an einem Punkt angekommen, wo ich es mir selbst schuldig bin, diesen Schritt zu setzen.“ In der ÖVP hätten nun jene „die Oberhand gewonnen“, die auf den „Populismuszug“ der Millionärs-Steuer aufgesprungen sind. Spindelegger: „Loyalität und Paktfähigkeit fordere ich von allen ein.“
Spindeleggers Rede dauerte nur gezählte sechs Minuten. Er verabschiedete sich mit den Worten: „Das war mein letzter Medienauftritt.“ – Und ging.

Auch Parteifreunde düpiert. Aufgrund der Attacken der Landes-Hauptleute der „Westachse“ war schon länger klar, dass Spindelegger die ÖVP nicht mehr lange führen wird. Dass er den Posten so schnell hinwirft, erstaunte sogar enge Parteifreunde und erst recht die SPÖ.

Beim anschließenden Ministerrat stand SP-Kanzler Werner Faymann bereits allein im Pressefoyer. Spindelegger ließ sich nicht mehr blicken. Faymann dankte Spindelegger für die Zusammenarbeit „in einer wahrlich schwierigen Zeit“. Er geht davon aus, dass die Koalition mit einem neuen Vizekanzler und Finanzminister „wie geplant bis 2018 hält und mit neuem Elan arbeitet“.

Protokoll eines Abschieds ...

Ein ÖSTERREICH-Interview war der entscheidende Auslöser für Spindis Rücktritt.

Am Montagabend reichte es Michael Spindelegger endgültig. Um 19.48 Uhr brachte die APA als "Vorausmeldung" ein ÖSTERREICH-Interview mit Tirols AK-Chef Erwin Zangerl: "Spindelegger soll zurücktreten, er versteht das Volk nicht mehr."

Der Vizekanzler wittert sofort eine "Intrige" der Tiroler ÖVP. Tirols Landeshauptmann Günther Platter hatte ihn über das Wochenende in mehreren Interviews abgewatscht.

Spindelegger fordert von Platter kurz vor 21 Uhr den sofortigen Partei-Ausschluss von Zangerl. Der lehnt ab.

Gegen 22 Uhr ruft Spindi - schwer getroffen -seine Frau in Luxemburg an, bespricht mit ihr seinen Rücktritt. Sie bestärkt ihn.

Gegen 23 Uhr ruft Spindi Faymann an, bittet ihn um einen Termin am Morgen.

7.30 Uhr: Spindi ruft Vertraute an

Auf dem Weg ins Kanzleramt ruft Spindelegger die VP-Landeschefs und Regierungsmitglieder an, um sie von seinem Rücktritt zu informieren. Als Ersten Erwin Pröll. Der ist auf Urlaub in Grado, fällt aus allen Wolken. Dann Pühringer, Kurz, Mikl. Die "eiserne Lady" ist geschockt.

8.00 Uhr: Treffen im Kanzleramt

Kurz nach 8 Uhr kommt Spindi zum Kanzler. Sagt ihm, dass er in einer Stunde zurücktreten wird. Das Gespräch läuft in kühler Atmosphäre ab. Spindelegger wirft Faymann vor, zu wenig Loyalität gezeigt zu haben.

8.20 Uhr: Telefonat mit Heinz Fischer

Spindelegger gibt dem Bundespräsidenten Bescheid und lädt für 9 Uhr zur Pressekonferenz. Radio Ö24 meldet um 8.25 Uhr exklusiv seinen Rücktritt. Ab sofort glühen die Telefone.

8.30 Uhr: ÖVP im Schock: Wo ist Pröll?

Spindi erklärt VP-General Blümel, dass er "ab sofort weg" ist. Chaos in der ÖVP. Die Landes-Kaiser telefonieren wild durch die Gegend. Tritt Spindi wirklich von allen Ämtern zurück?. Und Pröll? Der drehte zunächst sein Handy ab und war zornig auf die "Putschisten aus dem Westen".

9.00Uhr: Spindi sagt Adieu. Und geht!

Mit einem "Gemma's an!" tritt Spindelegger um 9.05 Uhr vor die Presse. Der Termin war so kurzfristig anberaumt, dass es der ORF nicht einmal schaffte, einen Ü-Wagen zu schicken. Nur Ö24 berichtet live.

Der Presse-Auftritt dauert nur 6 Minuten. Dann geht Spindi - ohne Fragen zuzulassen - in sein Büro, verabschiedet sich sehr bewegt von seinem Team und beginnt seinen Arbeitsplatz aufzuräumen.

18.30 Uhr: Parteivorstand mit Spindi

Zur Ministerrats-Sitzung um 10 Uhr kommt Spindelegger nicht mehr. Um 10.30 Uhr dreht er sein Handy ab, ist nicht mehr erreichbar. Doch beim Parteivorstand ab 19 Uhr erscheint Spindi wieder, leitet die Sitzung, sagt: "Ich übergebe die Partei ordentlich!"

Debora Knob / Isabelle Daniel

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