Vorratsdatenspeicherung

Pilz befürchtet "Stasi-Gesetz"

18.02.2011

Die ÖVP wolle der Polizei "ein Spitzelmonopol ohne Kontrolle" verschaffen.

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Die Grünen haben am Freitag eindringlich vor den Plänen der Regierung und vor allem der ÖVP für die Umsetzung der EU-Vorratsdatenspeicherrichtlinie gewarnt. Sicherheitssprecher Peter Pilz wetterte bei einer Pressekonferenz gegen das "Stasi-Gesetz" sowie gegen kolportierte Begehrlichkeiten der VP-Ressorts für Inneres und Justiz, die der Polizei "ein Spitzelmonopol ohne jede Kontrolle im Internet" verschaffen würden.

Internes Protokoll
Pilz begründete seine Kritik sowohl auf dem Entwurf des Infrastrukturministeriums (BMVIT) von Doris Bures (SPÖ) als auch auf einem internen "Protokoll" der Verhandlungen zwischen den drei Ressorts, das er indes nicht aus der Hand gab. Aus letzterem habe er jedenfalls umfassende Wünsche der ÖVP-Ministerien entnommen: Das Innenministerium wolle bereits Datenauskünfte an die Polizei, wenn bloß die "Gefahr" einer Straftat bestehe, fordere den "uneingeschränkten Zugang" der Polizei zu IP-Adressen und dies ohne jeglichen Rechtsschutz für die Betroffenen.

Das Justizministerium wolle die Formulierung "schwere Straftat" als Voraussetzung für den Zugriff zu Handy- und Internetdaten aus dem Gesetz haben und außerdem weiterhin urheber- und zivilrechtliche Delikte im Gesetz verankern, sagte Pilz weiters. Letzteres hatte Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (ÖVP) indes bereits diesen Dienstag als "vom Tisch" bezeichnet.

Pilz: Richterliche Kontrolle ausgeschaltet
Doch abgesehen von den angeblichen ÖVP-Plänen übte Pilz auch im Entwurf des BMVIT Kritik an zahlreichen Punkten. Der Strafrahmen ab einem Jahr für Delikte würde vor dem Europäischen Gerichtshof nicht halten, ist er sich sicher. Dass die Anordnung der Staatsanwaltschaft für den Datenzugriff durch die Behörden ausreicht, ist nach Ansicht der Grünen "Ausschalten der richterlichen Kontrolle". Dateneinsicht für "präventive Zwecke" käme einem "polizeilichen Geheimzugriff" gleich. Der Rechtsschutz werde ausgehöhlt, weil die vom Zugriff Betroffenen nicht verständigt werden müssten und es bei Stammdatenabfragen keine Begründungspflicht gebe. Bei Gefahr im Verzug wären solche Abfragen sogar mündlich möglich, monierte Pilz.

"Menschenrechtswidrig"
Alles in allem sei das Gesetzesvorhaben jedenfalls "menschenrechtswidrig", befand Pilz, ein solches Gesetz könne es in der EU sonst nirgends geben. Pilz verwies abschließend noch auf Gefahren für das Redaktionsgeheimnis. Denn "auch die Internetdaten von Journalisten unterliegen diesen Überwachungsvorstellungen", warnte er.

Die Vorratsdatenspeicherung hätte eigentlich bereits diese Woche vom Ministerrat abgesegnet werden sollen, doch SPÖ und ÖVP hatten sich nicht auf eine gemeinsame Vorlage geeinigt. Am Freitagvormittag waren weitere Verhandlungen im Laufen, hieß es aus der Koalition.

Ministerium: Rechtsschutzbeauftrage eingebunden

Das Innenministerium widerspricht der Kritik des Grünen-Abgeordneten an mangelnden Rechtsschutzmechanismen: "In allen unseren Vorschlägen war immer die Einbindung des Rechtsschutzbeauftragten vorgesehen", betonte Walter Grosinger, stellvertretender Legistik-Sektionschef. Quasi vorsorglicher Zugriff zur Abwehr von konkreten Gefahren, von Pilz als "generelle Überwachungsermächtigung" gescholten, sei nötig, werde aber nur in "ganz seltenen Fällen" eingesetzt werden, sagte er weiter.

ÖVP: "Linker Aktionismus" nehme "Kinderpornografie in Schutz"
Als Beispiel nannte er ein mögliches Delikt im Bereich Kinderpornografie. Wenn etwa ein Vater seine minderjährige Tochter "für Sexaktionen im Internet" anbiete, müsse man es "rechtzeitig schaffen, diese Gefahr für das Kind abzuwehren". Mit Kinderpornografie argumentiert ja auch die ÖVP regelmäßig, am Freitag warnte ihr Sicherheitssprecher davor, dass Pilz "mit seinem linken Aktionismus Internetverbrechen wie etwa Kinderpornografie in Schutz nimmt".

In punkto Rechtsschutz widerspricht das Innenministerium der Darstellung der Grünen. Grosinger pocht darauf, dass laut derzeitigem Verhandlungsentwurf sehr wohl jedenfalls der Rechtsschutzbeauftragte einzuschalten sei, sobald Vorratsdaten abgerufen werden. Zusätzlich seien auch die Betroffenen - also jene Personen, auf deren Daten zugegriffen wurde - zu informieren.

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