Zerreißprobe für SPÖ

Protokoll: So lief der Kern-Crash

19.09.2018

Am Wochenende schien das Polit-Aus von Kern fix. Dann telefonierte er mit Berlin.

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© APA/ROLAND SCHLAGER
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Wien. Am Samstag signalisierte Christian Kern seinem politischen Vertrauten Landeshauptmann Peter Kaiser, dass er sich aus der heimischen Politik zurückziehen wolle. Bestärkt wurde der Ex-SP-Kanzler von seiner Frau Eveline Steinberger-Kern, die mit ihm am Millstätter See über das Vorgehen beriet.

  • Er will Rendi-Wagner: Am Sonntag beginnt Kern dann auch mächtige SPÖ-Vertreter, darunter Wiens Bürgermeister Michael Ludwig und ÖGB-Boss Wolfgang Katzian, anzurufen. Die beiden Herren halten offensichtlich dicht. Ebenso wie Kaiser. Der SPÖ-Chef erklärt, dass er bei der EU-Wahl als Spitzenkandidat antreten und als SP-Chef zurücktreten wolle. Es könne aber auch sein, dass er ganz aus der Politik ausscheide. Er schlägt Pamela Rendi-Wagner als seine Nachfolgerin vor, weil die Zeit „für eine Frau reif“ sei.
  • Gerüchte: Am Dienstag telefoniert Ludwig mit einigen Wiener Roten, um zu fragen, ob sie am Mittwoch für ein Wiener Präsidium Zeit hätten. Er fragt dezent nach und gibt keine Gründe an. Aber einige Rote „zählen eins plus eins zusammen. Das kann nur ein Kern-Rücktritt bedeuten“. Die Meldung verbreitet sich rasch. Verschiedene SPÖ-Lager spielen nun ihr eigenes Spiel.

 

 

Indes sitzt Kerns engstes Team gerade in der Parteizentrale in der Wiener Löwelstraße und bastelt an seiner Parteitagsrede für den 5. Oktober. Sie wissen zu diesem Zeitpunkt noch nichts über Kerns Rücktrittspläne. Sie sind selbst von Gerüchten abhängig.

  • Umschwung: Zur selben Zeit telefoniert der Ex-SPÖ-Kanzler mit Kollegen der deutschen SPD. Diese sagen ihm, dass er „gute Chancen“ habe, Spitzenkandidat der der EU-Sozialdemokraten zu werden. Kern zieht seine Rücktrittsgedanken zurück. Er will nun bei der Sitzung der SPE am Mittwoch in Salzburg für sich werben und noch einige Zeit Parteichef bleiben. 
  • Überraschung: Eine in­formelle Sitzung der SPÖ-Länderchefs und Kern ist Dienstagabend eingesetzt. Mehrere rote Landes­fürsten sind überzeugt, dass Kern jetzt seinen Rücktritt bekannt geben werde. Doch: Er will nun bleiben – bis auf Weiteres. Er gibt – vor dem Treffen mit ihnen – eine Presseerklärung ab und deklariert sich selbst zum SPÖ-Spitzenkandidaten für die EU-Wahl. 
Am Mittwoch schütteln viele rote Präsidiumsmitglieder nur noch den Kopf über Kern.
 
Isabelle Daniel 
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