ÖSTERREICH

Sebastian Kurz: "Sondergipfel muss her"

29.08.2015

Der Außenminister kritisiert das langsame Vorgehen der EU in der Flüchtlingskrise.

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© APA/Neubauer
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ÖSTERREICH: Rüttelt der Tod von 71 Flüchtlingen mitten in Europa jetzt die Politik auf?
Sebastian Kurz
: Europa muss jetzt aufwachen. Wir hatten bereits zahlreiche tragische Weckrufe im Mittelmeer. Jetzt haben wir einen tragischen Tiefpunkt mitten in der EU erlebt, der uns zeigt, wie viel Leid herrscht, und dass die EU aktiv werden muss.

ÖSTERREICH: Das sagen alle Beteiligten seit Monaten. Wie schaut die Lösung aus?
Kurz: Es gibt keine Einzelantwort, aber man kann in mehreren Bereichen aktiv werden, um die Krise zu bewältigen. Daher haben wir fünf Punkte beschlossen. Der Kampf gegen ISIS muss etwa verstärkt werden ...

ÖSTERREICH: Das war zwar vor Ihrer Zeit, aber ist es nicht verwegen, wenn just Österreich – das nach Schüssen am Golan die Austro-Blauhelme abzog – einen Kampf gegen ISIS fordert?
Kurz
: Der Abzug und vor allem die Art, wie es passierte, wurde international kritisiert. Daher bin ich froh, dass wir unsere friedenssichernden Aktivitäten verstärkt haben. Ich würde jetzt sogar weitergehen und Schutzwesten an jene EU-Länder schicken, die kämpfen.

ÖSTERREICH: Glauben Sie wirklich, dass diese Tragödie etwas ändern wird?
Kurz
: Ich denke schon, dass das ein Umdenken auslösen wird. Es muss möglichst rasch ein EU-Sondergipfel der Regierungschefs – in Abstimmung mit den Innen- und Außenministern – stattfinden. Diesen erst wie geplant mitte Oktober abzuhalten, wäre fahrlässig. Selbst die UNO, die nicht gerade für ihr schnelles Vorgehen bekannt ist, hat bereits eine Sitzung für den 30. September einberufen. Die Regierungschefs hatten unzählige Sitzung zu Griechenland abgehalten, das muss bei dieser humanitären Katastrophe auch passieren. Und wir brauchen ein entschlossenes Vorgehen gegen die kriminellen Schlepper.

ÖSTERREICH: Hat nicht erst das Wegschauen der EU und Dublin II – Asylanträge nur in EU-Ländern – das miese Geschäft der Schlepper begünstigt?
Kurz
: Natürlich. Wegschauen und Verdrängen vergrößern immer Probleme. Dublin II funktioniert nicht. Es muss verändert werden. Und ja, künftig müssen Asylanträge auch in Nicht-EU-Ländern, also vor Ort gestellt werden können. Das muss ein gemeinsamer Beschluss der EU sein.

Interview: Isabelle Daniel

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