Und: Warnung vor Kurz

Strolz: FPÖ soll EU-Parlament verlassen

10.12.2017

NEOS-Chef vergleicht künftigen Kanzler Kurz mit Ungarn-Premier Orban.

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© APA/GEORG HOCHMUTH
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Österreich soll nach den Vorstellungen der NEOS mit fünf Schwerpunkten in den EU-Ratsvorsitz im zweiten Halbjahr 2018 gehen. Parteichef Matthias Strolz fordert außerdem von der künftigen Regierungspartei FPÖ, die Rechtsaußen-Fraktion Europa der Nationen und der Freiheit (ENF) im Europaparlament zu verlassen.

Das Bekenntnis der Regierungsverhandler ÖVP und FPÖ zu Europa werde durch die Mitgliedschaft der Freiheitlichen "in einer europafeindlichen Dachpartei konterkariert", sagte Strolz im APA-Interview. "(Parteichef Heinz-Christian) Strache und die FPÖ haben diese Gesinnungsgemeinschaft zu verlassen, ansonsten ist das Bekenntnis zu Europäischen Union nicht für voll zu nehmen. Die FPÖ ist dort ist einer Dachvereinigung mit Gestalten wie Le Pen (Marine Le Pen von der französischen rechtsextremen Front National, Anm.) und Wilders (holländischer Rechtspopulist Geert Wilders, Anm.), die ganz explizit sagen, dass sie die Europäische Union zerstören wollen", kritisierte Strolz.

"Klares Bekenntnis zum Miteinander"

Es brauche ein "klares Bekenntnis zum Miteinander und alle, die dieses Gemeinschaftswerk zerstören wollen, können nicht Bündnispartner einer österreichischen Regierungspartei sein". ÖVP-Chef Sebastian Kurz müsste sich hier auch "glasklar positionieren, sonst wird er zum Mittäter und Kollaborateur einer destruktiven Haltung". Ein Zurückfallen in nationale Eitelkeiten und Befindlichkeiten könne innerhalb von zwei Jahrzehnten zu kriegerischen Auseinandersetzungen innerhalb Europas führen.

Die NEOS fordern von der künftigen Regierung darüber hinaus, Schwerpunkte während des österreichischen EU-Ratsvorsitzes zu setzen. So wollen sie, dass die gemeinsam europäische Außen- und Verteidigungspolitik "entschlossen vorangetrieben wird". Weiters brauche es eine gemeinsame Asylpolitik. Auch wenn ÖVP und FPÖ hier bremsten. Es sei Faktum, dass die Dublin-Regelungen gescheitert seien. "Wir brauchen ein neues Regelwerk im Bereich Asyl und für Arbeitsmigration. Wir brauchen eine Blue Card für Arbeitskräfte und wir müssen gegenüber illegalen Arbeitsmigranten streng sein. Für sie ist kein Platz in Europa."

Unionsbürgerschaft

Die Pinken sprechen sich zudem für die Einführung einer Unionsbürgerschaft aus. Was die derzeit diskutierte Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler betrifft, sind die NEOS offen. Die Oppositionspartei ist generell für Doppelstaatsbürgerschaften innerhalb der EU, weil das die Lebensrealität vieler Menschen abbilde. Ein weiterer Schritt wäre die Unionsbürgerschaft, so Strolz.

Weiter entwickelt werden müsse das EU-Wahlrecht. Die durch den Brexit im EU-Parlament freigewordenen 73 Sitze sollten mittels Zweitstimme über gesamteuropäische Listen besetzt werden. Zudem sollte der Kommissionspräsident direkt vom Volk gewählt werden. Die Kandidaten dafür sollten von den einzelnen Parteien im EU-Parlament aufgestellt werden. Das soll das Gefühl der Europäer, ein gesamtes Volk zu sein, stärken.

Als letzten Punkt soll das Thema Digitalisierung massiv vorangetrieben werden. "Europa ist hier ins Hintertreffen geraten und das ist verhängnisvoll. Die Schlacht der Zukunft wird die Schlacht über die Verfügbarkeit von Daten sein." Die Demokratie werde von Big Data und künstlicher Intelligenz bedroht. Es sei alarmierend, wie Facebook und Google Demokratie mitmodellieren können, so Strolz. Das alles müsse eine Offensive in der EU auslösen. "Wir brauchen Internetgiganten in Europa, Fachleute und die Jobs, die es in diesem Bereich geben wird. Die Impotenz Europas in dieser Frage ist absolut inakzeptabel. Es ist eine Frage der Entschlossenheit und die fehlt Europa und es ist eine Frage der Vision und die fehlt Europa auch. Es sind zu viele alte Männer vorne, die die digitale Welt nicht verstehen", so Strolz.

Warnung vor Kurz

NEOS-Chef Matthias Strolz sieht Sebastian Kurz auf den Spuren des umstrittenen ungarischen Premiers Viktor Orban wandern. Er warnt im APA-Interview vor der Gefahr, dass der ÖVP-Chef "Passagier seiner eigenen Dynamik wird und kraft seines fehlenden inneren Kompasses und kraft seiner fehlenden Lebenserfahrung in einem sehr autoritären Regierungsstil enden könnte".

Viktor Orban sei vor 20 Jahren wie Kurz ein "liberaler Posterboy" gewesen, "der in ganz Europa als Zukunftshoffnung durchgereicht wurde". Zwei Jahrzehnte später sei er Anführer einer illiberalen Demokratie geworden. "Ich glaube, das ist ihm ein Stück weit passiert, weil er keine wertemäßige und inhaltliche innere Landkarte gehabt hat. Er ist machtbewusst, talentiert und kommunikativ, hat aber keine inneren Werte. Er wollte einfach an die Macht." Ein zentraler Zwischenschritt auf diesem Weg sei die Aushöhlung der parteiinternen Demokratie gewesen. Das alles erinnere ihn an die ÖVP und Kurz, so Strolz.

"Eine 'Bewegung sein' heißt nicht Führerkult oder Alleinherrschaft von einer Person." Wenn Kurz der innere Wertekompass fehle, könne es passieren, dass er "Passagier seiner eigenen Dynamik wird in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten". Kurz werde in der Regierung von allen Seiten unter Druck kommen. "Aus heutiger Sicht wird er dann nicht versuchen, andere für seine Werte und Inhalte zu begeistern, weil es darüber kein Klarheit gibt, wie die aussehen, sondern er wird sicherstellen, dass seine Macht nicht angekratzt wird. Er wird möglicherweise in einem sehr autoritären Regierungsstil enden."

"Autoritäre Republik mit reaktionärem Gesellschaftsbild"

Dazu komme, dass Kurz' Regierungspartner FPÖ sehr wohl eine Vorstellung davon habe, wohin sie den Staat führen wolle und "das ist eine durch und durch autoritäre Republik mit einem reaktionären Gesellschaftsbild". Für die FPÖ werde es ein leichtes Speil sein: "Sie gesteht Kurz die Macht zu und bekommt dafür inhaltliche Zugeständnisse." "Ich will Kurz nicht ans Zeug flicken, aber ich warne vor der Gefahr einer solchen Entwicklung in Sorge um die Republik", sagte der NEOS-Chef.

Strolz bekräftigte in diesem Zusammenhang einmal mehr, dass sich die NEOS als Hüterin der Verfassung gegenüber der Regierung aufstellen werden. So werden etwa die Vorstellungen der FPÖ zum Ausbau der direkten Demokratie "bei uns keinen Durchmarsch finden". "Hier werden wir klar die Stopptafel aufstellen. Wir sind Fans der direktdemokratischen Instrumente, aber wir brauchen klare Bedingungen, damit dieses Instrument nicht manipulativ eingesetzt werden kann."

Stufenplan

Nach Ansicht der NEOS braucht es zunächst einen Stufenplan, wonach die stärkere Einbindung der Bevölkerung zunächst auf Gemeinde-, dann auf Landes- und am Ende auf Bundesebene etabliert werde.

Die von der FPÖ vorgeschlagene Vier-Prozent-Marke, ab der ein Volksbegehren verpflichtend in eine Volksabstimmung münden soll, ist für die Pinken zu niedrig. "Wir sollten mit zehn Prozent beginnen. Es kann später sinken." Außerdem müsse es die Möglichkeit geben, dass das Parlament einen Alternativvorschlag zu dem vom Volk abgestimmten Gesetzesvorschlag formuliert. Weiters soll es eine einjährige "Cooling-Off-Phase" geben und eine Entscheidung mittels Volksabstimmung dürfe nicht wie von der FPÖ geplant zu einem "Volksgesetz" werden, das unveränderlich ist und nur durch einen Volksentscheid aufgehoben werden darf. Solche Gesetze sollten ganz normal Eingang in den Rechtsbestand finden und weiter formbar bleiben. "Der Rechtsbestand muss formbar bleiben, alles andere ist gemeingefährlich", so Strolz.

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