Russischer Angriffskrieg in der Ukraine

Van der Bellen: Kriegsverbrechen kann man nicht hinnehmen

06.04.2022

''Wir werden uns daran nicht gewöhnen'', sagte Van der Bellen mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und die Flüchtlingsströme.

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Wien. Bundespräsident Alexander Van der Bellen und der irische Präsident Michael D. Higgins haben mutmaßliche Kriegsverbrechen in der Ukraine verurteilt. "Solche Verbrechen können nicht einfach hingenommen werden, sie müssen so rasch wie möglich untersucht" werden; die Täter und Auftraggeber müssten zur Rechenschaft gezogen werden, sagte Van der Bellen nach einem Arbeitsgespräch mit Higgins am Mittwoch in der Wiener Hofburg. "Es kann keine Straflosigkeit geben", sagte auch Higgins.

Weltweit sorgen seit dem Wochenende Bilder für Entsetzen, die Leichen auf den Straßen der unweit von Kiew gelegenen Stadt Butscha zeigen. Bisher sind Berichten zufolge rund 330 getötete Menschen geborgen worden. Sie sind aus Sicht der ukrainischen Regierung Beweis für die gezielte Tötung von Zivilisten und damit für Kriegsverbrechen. Moskau bestreitet das und spricht von "Fälschung" - allerdings ohne Belege vorzulegen. Aus der ukrainischen Stadt Irpin waren bereits zuvor Gräueltaten gemeldet worden.

VdB: "Wir werden uns daran nicht gewöhnen"

"Wir werden uns daran nicht gewöhnen", sagte Van der Bellen mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und die Flüchtlingsströme. Daher dürfe man auch "nicht klein beigeben", bis das Blutvergießen ein Ende habe. Bis dahin gelte es die Auswirkungen des Krieges zu mildern. Eine Friedenslösung für die Ukraine "kann nur auf völkerrechtlicher Grundlage fußen", betonte der Bundespräsident.

Higgins befürwortete Diplomatie, Multilateralismus und Abrüstung. Für den irischen Präsidenten muss das Töten von Zivilisten und die Zerstörungen in der Ukraine, "die alle internationalen Normen verletzt", aufhören. "Das ist jetzt das Wichtigste." Der russische Präsident Wladimir Putin müsse sich bewusst sein, dass er Russland mit sich in den Abgrund reiße.

Zu einem möglichen EU-Importembargo für russisches Gas sagte Van der Bellen: "Österreich ist bisher gegen ein solches Embargo." Die Formulierung von EU-Ratspräsident Charles Michel, dies könnte "früher oder später" nötig werden, um den Angriffskrieg Moskaus gegen die Ukraine zu beenden, biete einen "riesigen Spielraum". Man müsse darüber nachdenken, wo der Schaden größer wäre "in der EU oder in Russland", und es gebe unter den EU-Staaten nun einmal "völlig unterschiedliche Abhängigkeiten" von russischem Gas. Gas bräuchten nicht nur Haushalte, sondern es sei "in vielen Industriebereichen ein zentraler Input. Da kann man nicht so einfach drübergehen."

Kogler: "Vereint gegen Aggressoren"

Bei einem anschließenden Austausch besprachen Higgins und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) die Rolle neutraler Länder wie Irland und Österreich vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs. "Der brutale Angriffskrieg Putins auf die Ukraine ist ein Angriff auf das Völkerrecht selbst, auf die europäischen Werte, auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte. Unsere gemeinsame, europäische Antwort darauf beweist, dass wir vereint gegen Aggressoren vorgehen und auch als neutrale Länder nicht davor zurückscheuen, gemeinsam mit allen zur Verfügung stehenden politischen Mitteln und mit verschärften Sanktionen den russischen Angriff zurückzuweisen", betonte Kogler in einer Aussendung.

Irland ist wie Österreich EU-, aber kein NATO-Mitglied. Befragt zu Debatten in beiden Ländern, angesichts des Ukraine-Krieges die nationale Sicherheits- und Verteidigungspolitik neu auszurichten, sprach sich Higgins für eine Debatte in Irland über die Ausgestaltung der irischen Neutralität aus. Diese müsse aber "sachkundig" geführt werden. Positiv würde er auch sehen, wenn neutrale bzw. bündnisfreie Staaten in der EU - wie etwa auch Schweden oder Finnland - einen dauerhaften Dialog in diesen Politikerfeldern führen und sich untereinander abstimmen. Der Bundespräsident verwies in seiner Antwort mit deutlichen Worten auf einen "riesigen Investitionsrückstau" beim Bundesheer, dem man nicht ausweichen könne, "wenn man die Landesverteidigung ernst nimmt" und wenn man im Rahmen von UNO-Friedenseinsätzen mit Truppen anderer Länder kooperieren wolle.

Van der Bellen versicherte die Solidarität Österreichs

Was das nach wie vor rund um den Brexit nicht gelöste Problem des Nordirland-Protokolls betrifft, versicherte Van der Bellen seinem Gast die Solidarität Österreichs. Durch das Protokoll soll sichergestellt werden, dass EU-Regeln in Irland gelten, ohne dass dafür feste Grenzkontrollen zwischen dem EU-Mitglied und dem zu Großbritannien gehörenden Nordirland eingeführt werden müssen. In der Folge haben sich die Kontrollen des Warenverkehrs auf die Seegrenze zwischen der britischen Hauptinsel und Nordirland verlagert. Nordirische Protestanten laufen dagegen Sturm, sie sehen darin Anfänge einer Trennung vom Königreich. Großbritannien forderte daraufhin, das im Zuge des EU-Ausstiegs unterzeichnete Protokoll noch einmal zu ändern. Seit Monaten wird darüber zwischen London und Brüssel verhandelt. Van der Bellen sagte, es sei wichtig, dass in der EU gegenüber Großbritannien nach wie vor Einigkeit bestehe.

© APA/GEORG HOCHMUTH
Der irische Präsident Michael D. Higgins und Bundespräsident Alexander Van der Bellen.

Der 80-jährige Higgins, Soziologe, Dichter und Veteran der Labour Party, hält sich seit Dienstag und noch bis Freitag zu Besuch in Wien auf. Europaminister Thomas Byrne begleitet ihn. Beide treffen am Mittwoch u.a. auch Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP). Higgins will sich zudem mit der Generalsekretärin der in Wien ansässigen Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Helga Schmid, austauschen. Am Donnerstag wird er sich in einem Vortrag an der Universität Wien mit der Rolle der Kultur für die Zukunft Europas auseinandersetzen.

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