Regierung bleibt hart

Wilder Streit um Lehrer-Arbeitszeit

11.08.2013

Dienstrecht wird geprüft, doch die Gewerkschaft tobt.

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© Getty Images / TZ ÖSTERREICH (Montage)
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„Die kommende Woche soll ganz im Zeichen der Bildungsreform stehen“, verkündete Kanzler Werner Faymann (SPÖ) im Interview mit ÖSTERREICH. Das Ringen mit der Lehrergewerkschaft um ein neues Dienstrecht soll endgültig ein Ende haben. „Wir werden den Entwurf diese Woche in Begutachtung schicken“, bestätigt Regierungskoordinator Josef Ostermayer. Zwar will man sich noch einmal mit der Gewerkschaft an den Verhandlungstisch setzen, das Gesetz soll aber auch ohne ihre Zustimmung zustande kommen.

Montag: SPÖ und ÖVP diskutieren Gesetzestext
Am vergangenen Wochenende hatten Beamte aus dem Unterrichtsministerium noch die letzten Änderungen aus den Gesprächen mit den Teilgewerkschaften in den Gesetzestext einfließen lassen. „Die Gesetze sind fix und fertig und können eingebracht werden“, hieß es am Sonntag aus dem Ministerium. Heute, Montag, will man auch den Koalitionspartner ÖVP an Bord holen. In der Koordinierungssitzung am Abend wird der Entwurf dem schwarzen Verhandlungspartner übergeben. Große Änderungen erwartet man sich bei der SPÖ allerdings nicht mehr, denn Vizekanzler Spindelegger habe ja bereits angekündigt, dass der Text in Begutachtung gehe.

Dienstag: Dienstrecht Thema beim Ministerrat
Beim morgigen Sommerministerrat steht das Dienstrecht ebenfalls am Plan. Ob da schon ein Beschluss fällt, lässt die Regierung offen. Der Entwurf könnte schließlich auch ohne Ministerratsbeschluss vier Wochen lang von Experten geprüft werden.

Gewerkschaft will noch einmal verhandeln
Die Gewerkschaft ist auf den Barrikaden. Lehrerchefverhandler Paul Kimberger droht: „Wir werden uns das nicht gefallen lassen.“ Er will noch weiter verhandeln.

Der Vorschlag der Regierung sieht eine Erhöhung der Lehrverpflichtung von 22 auf 24 Stunden vor. Klassenvorstände können eine Stunde streichen. Für weitere Leistungen soll es Zuschläge geben. Das Dienstrecht würde nur für neue Lehrer gelten.

Lehrer-Chefverhandler Paul Kimberger: „Vorgehen ist unerhört“

ÖSTERREICH: Die Regierung möchte notfalls ohne Einigung einen Regierungsvorschlag in Begutachtung schicken …
Paul Kimberger: Das ist ein unerhörtes und einzigartiges Vorgehen. Dass die Regierung einfach dem Ende der Verhandlungen vorgreift, ist ein Bruch der Sozialpartnerschaft.

ÖSTERREICH: Es ist noch ein Termin vorgesehen, bevor der Entwurf in Begutachtung geschickt wird. Nehmen Sie daran teil?
Kimberger: Uns hat bis jetzt noch niemand etwas von diesem Verhandlungstermin gesagt. Wir sind aber bereit, dazu weiter zu verhandeln.

ÖSTERREICH: Und wenn es keine Einigung gibt und die Regierung ohne die Gewerkschaft weitermacht?
Kimberger: Wenn die Regierung die Sozialpartnerschaft aushebelt, wird sich das unsere Gewerkschaft sicher nicht gefallen lassen. Dann werden wird aktiv.

54% wollen Einigung, notfalls ohne Lehrer
Die aktuelle ÖSTERREICH-Umfrage zeigt, dass die Menschen eine Einigung wollen.

33 Verhandlungsrunden gab es schon, diese Woche soll die nächste folgen. Das Ringen um ein neues Lehrerdienstrecht zieht sich schon seit mehr als einem Jahr. ÖSTERREICH lies abfragen, was die Bevölkerung dazu sagt.

  • Beschluss ohne Lehrer: Gleich 54 Prozent sagen, dass es notfalls einen Regierungsbeschluss auch ohne ein Verhandlungsergebnis mit den Lehrern geben soll.
  • Auf Lehrer hören: Auffallend ist aber, dass trotzdem 33 Prozent gegen ein Drüberfahren über die Pädagogen sind. Ein gutes Drittel sieht die Sozialpartnerschaft also als zu wichtig an, als dass man gegen sie bestimmen könnte.
  • Lehrer sollen länger unterrichten: Auch über die Arbeitszeit der Lehrer haben sich die Österreicher eine Meinung gebildet. Die Regierung möchte ja 24 Stunden Unterrichtszeit, die Lehrer 22 Stunden. Die Bevölkerung hat einen anderen Wunsch: 37 Prozent, die relative Mehrheit, wollen neben den aktuellen 22 Stunden auch zehn Stunden pro Woche Nachmittagsbetreuung. 23 Prozent unterstützen die Forderungen der Regierung. Je 16 Prozent fordern 38 Stunden beziehungsweise 22 Stunden.


Salcher: "Beschluss vor Wahl würde mich wundern"

ÖSTERREICH: Was wird diese Woche passieren?
Andreas Salcher: Da wird es meiner Meinung aus parteistrategischen Gründen nur darum gehen, ob junge Lehrer anfangs mehr verdienen und im Laufe der Zeit weniger.

ÖSTERREICH: Um mehr wird es vor der Wahl nicht gehen?
Salcher: Mich würde es wundern, wenn ein zukunftsweisendes Lehrerdienstrecht noch vor der Wahl beschlossen wird. Und wenn, dann so homöopathisch verwässert, dass es für die Schüler nutzlos ist. Denn der große Streitpunkt wird ja sein – und der ist mit der Lehrergewerkschaft, besonders mit der AHS-Lehrergewerkschaft nicht machbar –, dass es eine Jahresarbeitszeit geben wird, die definiert, dass Lehrer von 8 Uhr bis 16 Uhr ihren Job machen und die Direktoren autonom darüber entscheiden, wie sie diese Arbeitszeit zu leisten haben. Diese Fragen finden sich im Regierungsentwurf überhaupt nicht, das hat man sich ja nicht einmal anzudiskutieren getraut.

ÖSTERREICH: Wie geht es also weiter?
Salcher: Mein Vorschlag wäre, dass die Regierung nach der 33. Verhandlungsrunde sagt: Wir können uns vor der Wahl darauf einigen, dass neue Lehrer in Zukunft so und so viel verdienen. Und nach der Wahl verwirklichen wir ein modernes Lehrerbild, das auf den Empfehlungen der Experten basiert.

ÖSTERREICH: Die Lehrergewerkschaft sieht einen Bruch mit der Sozialpartnerschaft.
Salcher: Das ist ja der größte Unfug: Sozialpartner sind die Wirtschaft und die Gewerkschaft, aber niemals die Regierung.

Androsch: "Regierung müsste sich jetzt etwas trauen"

ÖSTERREICH: Wird vor der Wahl etwas herauskommen?
Hannes Androsch: Jetzt warten wir fünf Jahre auf sinnvolle Ergebnisse – da ist in den verbleibenden knapp zwei Monaten auch nicht mehr wirklich viel zu erwarten.

ÖSTERREICH: Das heißt, Sie erwarten sich von der Begutachtung in dieser Woche nicht viel …
Androsch: … außer die Regierung traut sich jetzt endlich etwas! Denn auch nach der Wahl wird es schwer werden. Da heißt es dann wieder: „Reiter, zurück an den Start!“

ÖSTERREICH: Sie glauben nicht an eine baldige Lösung?
Androsch: Glauben tut man in der Kirche … Es geht halt wieder alles durch den Fleischwolf der Regierungsverhandlungen.

(kali, pli, hir)



 
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