Molossia
Mitten in Nevada: DAS ist der wohl skurrilste Staat der Welt
07.12.2025Mitten in der Wüste Nevadas liegt Molossia – ein selbsternannter Ministaat. Präsident Kevin Baugh regiert sein 4,5 Hektar großes Reich auf Lebenszeit und führt sogar einen symbolischen Krieg mit der längst untergegangenen DDR. Eine ebenso liebevolle wie satirische Parodie auf Staatlichkeit.
Abgesehen von Lummerland mit Alfons dem Viertelvorzwölften gibt es wohl kaum Länder, in denen das Staatsoberhaupt persönlich die Grenzkontrollen übernimmt. Doch mitten in den USA, im Bundesstaat Nevada, liegt Molossia – ein winziger, kaum bekannter Ministaat mit eigener Währung, Eisenbahn, Armee und einem bis heute bestehenden „Krieg“ mit der Deutschen Demokratischen Republik, obwohl diese seit 1989 nicht mehr existiert.
Ein Kindheitstraum wird Republik
Mit einer Fläche von 4,5 Hektar, etwa sechseinhalb Fußballfeldern, zählt Molossia 40 Lebewesen – 36 Menschen und vier Hunde. Neue Bürger entstehen ausschließlich durch Familienzuwachs, da Einbürgerungen gesetzlich ausgeschlossen sind. Alle Einwohner, abgesehen von den Vierbeinern, sind mit dem selbsternannten Präsidenten Kevin Baugh verwandt, einem ehemaligen Soldaten der US-Armee, der auf Lebenszeit regiert. Baugh erfüllte sich mit Molossia einen Kindheitstraum.
Als Sechsjähriger gründete er am 26. Mai 1977 gemeinsam mit seinem Freund James Spielman die imaginäre „Grand Republic of Vuldstein“. Während Spielman bald das Interesse verlor, hielt Baugh unbeirrt an der Idee fest. Als er 1998 in Dayton, im Norden Nevadas, ein Stück Land erwarb, wurde der Traum Wirklichkeit: Er rief die Republik Molossia aus und kürte sich selbst zum Präsidenten. Für ihn ist die Gründung keine Spinnerei, sondern Ausdruck von Kreativität und politischer Satire. „Schon als Kind wollte ich wissen, wie ein Land funktioniert, was einen Staat ausmacht“, sagt er.
Verbotene Waren und unerklärliche Ausnahmen
Keine Waffen, kein Spinat. Wer Molossia besucht, muss beim Zoll Gebühren entrichten – in Höhe des mitgeführten Kleingelds. Außerdem werden alle Gäste über die zahlreichen Verbote informiert. Nicht erlaubt sind Waffen, Munition, Drogen, Tabak, Glühbirnen, Plastiktüten, Zwiebeln, frischer Spinat, Missionare, Walrosse, Seeteufel und alles aus Texas – mit Ausnahme von Kelly Clarkson. Warum die Popsängerin ausgenommen ist, bleibt ein Staatsgeheimnis.
Ein ewiger Krieg gegen einen untergegangenen Staat
Molossia verfügt über eine eigene Flagge, eine Nationalhymne („Fair Molossia is our home“) und die Währung Valora, deren Wert an den Teig für Pillsbury-Cookies gebunden ist. Neben Englisch und Spanisch gilt Esperanto als dritte Amtssprache. Trotz fehlender Infrastruktur – keine asphaltierten Straßen, kein Flughafen, kein Krankenhaus – besitzt das Land eigene „Nationalparks“ in Form bepflanzter Beete, ein „Eisenbahnnetz“ aus Modelleisenbahnen und ein „Raumfahrtprogramm“, bei dem Spielzeugraketen gestartet werden.
Der bis heute bestehende Kriegszustand mit der DDR geht auf Baughs Zeit in der US-Armee zurück. In den 1980er-Jahren war er in Deutschland stationiert und wurde regelmäßig wegen möglicher Bedrohungen aus dem Osten in Alarmbereitschaft versetzt – was ihn zunehmend störte. Kurzerhand erklärte er der DDR den Krieg. Der Mauerfall und die Wiedervereinigung änderten daran nichts. Unterstützen lässt sich der symbolische Konflikt sogar durch den Kauf sogenannter Molossian War Bonds, einer theoretischen Einnahmequelle neben den Zollgebühren.
Staatssatire mit Charme und Größenwahn
Steuern zahlt Baugh dennoch an die USA – was er augenzwinkernd als „Entwicklungshilfe“ für deren marodes Straßennetz bezeichnet. Trotz aller Ironie nimmt er seine Rolle mit spürbarer Hingabe wahr: In Uniform mit goldenen Schulterklappen, Orden, Schärpe und übergroßer Mütze führt er Besucher stolz durch sein Reich.
Sein Präsidentenpalast ist eine einfache Holzhütte, die zugleich sein Wohnhaus ist. Molossia ist eine liebevoll inszenierte Parodie auf die Staatenwelt – ein humorvolles Fantasiegebilde, das zeigt, wie weit kindliche Vorstellungskraft reichen kann. Was als Spiel zweier Jungen begann, ist heute eine eigenwillige Mikronation mit Flagge, Hymne und „Regierung“ – ein kleines Land in der Wüste Nevadas, das mit Witz, Satire und einer Prise Größenwahn die Idee von Staatlichkeit auf charmante Weise ad absurdum führt.
Rund um die Mikronation: Goldrausch, Natur & Casino
Adresse: Republic of Molossia, 226 Mary Lane, Dayton, Nevada, USA. Besuch nur nach Voranmeldung, verfügbare Daten und Wissenswertes unter: www.molossia.org
Lage: Molossia liegt jeweils rund 45 Kilometer von Reno, der historischen Goldgräberstadt Virginia City und dem Outdoorsport-Hotspot Lake Tahoe entfernt.
Schlafen
- Peppermill Resort Reno: Eines der führenden Hotels in Reno wartet mit luxuriösem Stil, einem Wellnessbereich und natürlich einem Casino auf. DZ ab ca. 170 Dollar/Nacht. www.peppermillreno.com
- Residence Inn Reno South: Das heuer neu eröffnete Haus bietet schlichte, aber komfortable Zimmer und Suiten. Hauseigenes Fitnesstudio und Außenpool. DZ ab ca. 150 Dollar/Nacht. www.marriott.com
- Franciscan Lakeside Lodge Lake Tahoe: Leistbare Hütten, Suiten und Studios am Ufer des Lake Tahoe. Studio für 2 Pers. ab ca. 180 Dollar/Nacht. franciscanlodge.com
- The Incline Lodge Lake Tahoe: Familiengeführtes Luxus-Boutique-Hotel am Nordufer des Lake Tahoe. DZ ab ca. 260 Dollar/Nacht. theinclinelodge.com
- B Street House Inn Virginia: Charmant eingerichtetes Haus aus den 1870ern. 1 Nacht für 2 Pers. ab 147 Dollar. bstreethouseinn.com
Verfasst von Karsten-Thilo Raab