Aus Tierkot wird Hoffnung – Wie Chester Zoo die Zukunft seltener Arten sichert

28.07.2025

Im Chester Zoo im Norden Englands riecht es derzeit nach Wissenschaft – und zwar buchstäblich. Dort wird Tierkot eingesammelt, verpackt und ins Labor gebracht.  

Zur Vollversion des Artikels

This browser does not support the video element.

Zur Vollversion des Artikels

Nicht für medizinische Tests, sondern um vielleicht das größte Rätsel des Artenschutzes zu lösen: Wie retten wir Tiere vor dem Aussterben, wenn es kaum noch welche gibt?

Die Antwort könnte ausgerechnet im Elefantenstall liegen – oder bei den Giraffen, den Okapis, vielleicht sogar bei Wildtieren draußen im Busch. Der Chester Zoo arbeitet gemeinsam mit der Universität Oxford und der US-amerikanischen Organisation Revive and Restore an einem neuen Projekt namens „Poo Zoo“ – also dem „Kot-Zoo“. Der Name klingt witzig, doch das Vorhaben ist todernst.

„Die Idee ist, lebende Zellen aus dem Kot von Tieren zu isolieren und tiefgefroren zu lagern – für die Zukunft“, sagt Dr. Sue Walker, die wissenschaftliche Leiterin des Zoos. Diese Zellen könnten eines Tages dazu beitragen, gefährdete Tierarten zu erhalten oder wieder aufzubauen. Im Kot finden sich nämlich nicht nur unverdaute Pflanzenreste, sondern auch Zellen aus dem Verdauungstrakt der Tiere. Und genau diese Zellen sind für die Forschung entscheidend.

Aber es ist ein kniffliger Job. „Wir starten nicht mit sauberem Gewebe, sondern mit – sagen wir – sehr natürlichem Ausgangsmaterial“, erklärt Walker. „Kot ist voller Bakterien, und es ist eine echte Herausforderung, die gesunden Zellen darin zu finden und zu isolieren.“
Im Labor der Universität Oxford arbeitet Professorin Suzannah Williams daran, wie man diese Zellen säubert und von den Bakterien trennt. „Wir arbeiten mit den einfachsten Prinzipien – der Größe der Zellen, ihrer Dichte, ihrer Bewegung. Es ist wie Sieben, Filtern, Sortieren. Und wir wissen nie genau, was wir am Ende in der Probe finden.“ Das Ziel ist es, aus diesen Zellen Stammzellen zu gewinnen, aus denen sich später Spermien oder Eizellen entwickeln lassen.

In der Maus hat das bereits funktioniert. Jetzt will das Team zeigen, dass es auch mit Zellen aus dem Kot anderer Tiere geht – ein möglicher Durchbruch für den weltweiten Artenschutz. Denn je kleiner eine Population wird, desto mehr leidet sie unter genetischer Verarmung. Ohne ausreichend genetische Vielfalt sind viele Tierarten anfällig für Krankheiten, Fortpflanzungsprobleme und langfristiges Aussterben.

Unsere Tiere – Das große oe24.TV-Tierschutzmagazin von Sonntag, 27.07.2025, hier in voller Länge sehen. Nächste Ausgabe Unsere Tiere: 03.08.2025, 18:30 Uhr  

„Wir verlieren weltweit Arten schneller, als wir sie retten können“, warnt Walker. „Und mit jeder verschwindenden Tiergruppe geht genetisches Material verloren, das wir nie wieder zurückholen können.“ Genau da setzt das Projekt an. Wenn es gelingt, lebende Zellen aus Kot zu konservieren, könnten diese Zellen viele Jahre später in Zuchtprogramme eingebracht werden – auch dann noch, wenn die ursprünglichen Tiere längst nicht mehr leben.

Ein weiterer Vorteil: Die Methode ist nicht-invasiv. Die Tiere müssen nicht eingefangen oder gestört werden. Die Proben können sogar aus der freien Wildbahn stammen. „Man muss nur wissen, welches Tier wo gemacht hat“, sagt Professorin Williams lachend. Sie und ihr Team untersuchen derzeit, wie lange eine Probe brauchbar bleibt. Zwölf Stunden? Ein Tag? Und wie sieht es aus, wenn sie per Post transportiert wird?

Hinter dem ungewöhnlichen Projektnamen steckt also viel mehr als bloßer Forscherdrang. Es geht um nichts weniger als eine zweite Chance für Arten, die am Rand des Verschwindens stehen. Vielleicht beginnt das Überleben einer Tierart in Zukunft mit einer einfachen Schaufel, einer Tüte – und einer Vision, die aus etwas Alltäglichem echte Hoffnung macht.

Zur Vollversion des Artikels