Tiertransporte auf See: Ein System am Limit
29.12.2025Es sind Schiffe, die kaum jemand sieht – und doch jedes Jahr hunderttausende Tiere transportieren.
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Tiertransportschiffe gelten als einer der ältesten und am schlechtesten regulierten Bereiche der internationalen Schifffahrt. Immer wieder kommt es zu schweren Unfällen – mit dramatischen Folgen für Tiere, Menschen und die Umwelt.Nach der jüngsten Katastrophe rund um das Tiertransportschiff MV Spiridon II ist der internationale Druck nun deutlich gestiegen.
Ein globales Netzwerk von 36 Tierschutzorganisationen hat sich zusammengeschlossen und einen dringenden Appell an die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) gerichtet.
In einem offenen Brief warnen die Organisationen vor systemischen Sicherheitsmängeln. Die weltweite Flotte von Tiertransportschiffen ist im Schnitt 40 Jahre alt – weit über der international anerkannten sicheren Betriebsdauer von rund 25 Jahren. Damit ist sie die älteste Flotte der gesamten Schifffahrtsbranche.
Viele dieser Schiffe fahren unter Billigflaggen, mit schwacher behördlicher Aufsicht. Kontrollen sind selten, Verstöße gegen Umwelt- und Sicherheitsvorschriften keine Ausnahme. Tiertransportfrachter gehören seit Jahren zu den am häufigsten festgehaltenen Schiffen weltweit – obwohl sie nur einen kleinen Teil der globalen Handelsflotte ausmachen.
„Solche Katastrophen sind keine Einzelfälle, sondern das vorhersehbare Ergebnis eines Systems, in dem lebende Tiere ohne spezifische internationale Sicherheits- oder Tierschutzvorschriften transportiert werden“, sagt Maria Boada Saña, Projektleiterin Schiffstransporte bei der Animal Welfare Foundation.
Seit dem Jahr 2000 sind mindestens sieben große Tiertransportschiffe auf See verunglückt – darunter die Gulf Livestock 1, die Queen Hind oder die Danny F II.
Dabei starben Dutzende Seeleute und Zehntausende Tiere. Doch auch ohne Katastrophen ist das Leid groß.
Langjährige Untersuchungen zeigen: Tiere verbringen wochenlang ihre Zeit in überfüllten, mit Exkrementen verschmutzten Pferchen. Sie leiden unter extremer Hitze, Verletzungen, Krankheiten und Stress. Verendete Tiere und unbehandelte Exkremente werden häufig direkt ins Meer entsorgt – teils sogar in sensiblen Regionen wie dem Mittelmeer oder dem Roten Meer.
Das Risiko tragen auch die Menschen an Bord. Seeleute arbeiten unter unsicheren Bedingungen, sind der Gefahr von Zoonosen ausgesetzt und müssen mit einstürzenden Tierdecks rechnen.
Einige Länder haben Konsequenzen gezogen: Neuseeland, Indien, das Vereinigte Königreich und Australien haben den Export lebender Tiere auf dem Seeweg bereits verboten oder schrittweise beendet.
Weltweit sind jedoch weiterhin rund 110 Tiertransportschiffe im Einsatz.
Das Netzwerk der Tierschutzorganisationen fordert nun von der IMO konkrete Schritte:
Einen verbindlichen internationalen Kodex für Tiertransporte auf See, klare Standards für Schiffsbau, Belüftung, Abfallmanagement, Besatzungssicherheit und Tierschutz – sowie strengere Hafenstaatkontrollen und die konsequente Ahndung von Umweltverstößen.
Wie die Internationale Seeschifffahrtsorganisation reagieren wird, ist noch offen. Der Appell der 36 Organisationen macht jedoch deutlich: Ohne verbindliche internationale Regeln bleiben Tiertransporte auf See ein hohes Risiko – für Tiere, Menschen und die Umwelt.