Wenn Platznot tötet – Paviane im Nürnberger Zoo in Gefahr
21.07.2025Im Tiergarten Nürnberg stehen rund 20 Guinea-Paviane vor einem unausweichlichen Schicksal: Sie sollen getötet werden. Nicht etwa, weil sie krank sind – sondern weil es für sie keinen Platz mehr gibt.
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Derzeit leben über 40 Paviane auf einer Anlage, die nur für gut die Hälfte dieser Gruppe ausgelegt ist. Was von außen vielleicht noch als quirliges Durcheinander erscheint, ist im Inneren längst zur Belastung geworden – für Tier und Mensch. Zu viele Tiere, zu wenig Raum, zu viele Konflikte. Aggressionen nehmen zu, Verletzungen häufen sich, das soziale Gleichgewicht gerät ins Wanken. Der Druck in der Gruppe steigt – ebenso der Druck auf den Zoo.
Die Verantwortlichen stehen vor einem Dilemma. Seit Jahren wird versucht, Tiere an andere zoologische Einrichtungen abzugeben. Es wurden internationale Kontakte geknüpft, auch Verhütungsmethoden eingeführt. Doch all das brachte keine Entlastung. Und nun steht ein Schritt im Raum, den viele nicht für möglich gehalten hätten: die gezielte Tötung gesunder Tiere.
Was dabei oft übersehen wird: Paviane sind hochsoziale, intelligente Wesen. Ihr Leben spielt sich nicht einfach ab – es entfaltet sich in einem komplexen Geflecht aus Beziehungen, Bindungen, Rangordnungen und Routinen. Innerhalb ihrer Gruppe entwickeln sich Freundschaften, Allianzen, sogar so etwas wie Rücksichtnahme. Sie kommunizieren mit Blicken, Gesten, Lauten – fein nuanciert und emotional.
Gerade Guinea-Paviane sind in ihrer Struktur besonders bemerkenswert: Sie leben in sogenannten multilevel-Gruppen, mit kleinen Familienverbänden, die sich zu größeren Clans zusammenschließen. In freier Wildbahn durchstreifen sie Savannen und lichte Wälder Westafrikas. Sie ruhen gemeinsam, sie pflegen sich gegenseitig das Fell, sie spielen, streiten, vertragen sich wieder. Sie sind vorsichtig, wachsam – aber auch neugierig, verspielt und erfinderisch.
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Was passiert mit einer solchen Tierart, wenn sie aus Platzgründen dezimiert wird? Wenn Bindungen auseinandergerissen werden – nicht durch natürliche Selektion, sondern durch menschliches Urteil? Kann man 20 Individuen „entnehmen“, ohne das gesamte soziale Gefüge zu zerstören?
Der Zoo argumentiert mit Populationsmanagement, mit dem Erhalt genetischer Vielfalt und mit der Unmöglichkeit, anders auf die Lage zu reagieren. Doch für viele Beobachter stellt sich eine andere Frage: Ist unser Bild von Zoo und Tierhaltung noch zeitgemäß? Was bedeutet Tierwohl wirklich – und endet es dort, wo es unbequem wird?
Was jetzt über den Pavianen von Nürnberg schwebt, ist nicht nur eine Entscheidung über Leben und Tod. Es ist eine Entscheidung darüber, wie wir Tiere in unserer Gesellschaft wahrnehmen: als fühlende Lebewesen mit Rechten und Bedürfnissen – oder als Zahlen in einer Bestandstabelle.
Noch ist Zeit für Gespräche, für Lösungen, für kreative Wege. Zeit, Verantwortung nicht mit einem Gewehr zu beantworten. Denn diese Tiere verdienen mehr als Platz – sie verdienen Respekt. Und eine Zukunft.